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Hotel-Chef Alexander Dressel bedauert den Weggang seiner Mitarbeiterin Victoria Peters.

© Carsten Holm / PNN

Luxusherberge in Potsdam: Hotelmitarbeiterin kündigt nach rassistischen Anfeindungen

Eine Mitarbeiterin des Hotels Bayrisches Haus ist mehrfach rassistisch beleidigt worden. Sie verlässt Potsdam nun nach nur drei Wochen.

Alexander Dressel ist ein in sich ruhender, besonnener Mann, es muss einiges zusammenkommen, damit dem 50 Jahre alten Direktor des Romantik-Hotels Bayrisches Haus die kalte Wut hochkommt. Eigentlich ist er mit den PNN verabredet, um über die Lage der Gastronomie zu sprechen, aber es ist etwas passiert, das ihn „fassungslos“ werden ließ und das jetzt heraus muss.

Der Sternekoch hat in einem Sessel der Lobby Platz genommen und atmet tief durch, bevor er sagt: „Was unsere Mitarbeiterin Frau Peters erlebt hat, ist ungeheuerlich.“ Er hält einen Moment inne, und man spürt, wie sehr ihn mitgenommen hat, was er erfuhr: „Sie ist vor drei Wochen zu uns gekommen.

Sie hat vom ersten Tag einen hervorragenden Job an der Rezeption gemacht. Aber sie ist hier in Potsdam, sogar in meinem Hotel, mehrfach rassistisch beleidigt worden. Und sie hat sich jetzt entschlossen, die Stadt wieder zu verlassen. Ich bin darüber sehr wütend und sehr traurig.“

Victoria Peters ist in Deutschland geboren und aufgewachsen

Die Geschichte der Victoria Peters ist nicht zu vergleichen mit den schweren Verbrechen mancher Rechtsextremisten wie jüngst in Hanau. Die Geschichte der 22 Jahre alten Frau erzählt vom alltäglichen Rassismus, der in Deutschland wieder salonfähig geworden ist, von Augen- und Ohrenzeugen, die dazu schweigen und von Alexander Dressel, der das nicht hinnehmen will und energisch für „Null Toleranz“ plädiert.

Victoria Peters Eltern sind 1990 aus Nigeria nach Deutschland gekommen, sie leben in Halle an der Saale. Ihre Tochter wurde dort geboren, als sie erwachsen wird, beginnt sie in Stuttgart eine Ausbildung zur Hotelkauffrau, bricht sie aber ab.

[Dieser Artikel erschien zuerst bei den "Potsdamer Neueste Nachrichten". Mehr Stadtleben aus Potsdam finden Sie an dieser Stelle]

Da trifft es sich gut, dass Dressel gerade eine Vakanz hat, als sie sich in Potsdam im Romantik-Hotel Bayrisches Haus bewirbt. Dem Hotel-Chef ist schnell klar, „dass diese junge Frau mit ihrer offenen, gewinnenden Art ein großes Potential hat“. Er stellt sie zum 1. Februar ein.

In Potsdam wird sie wegen ihrer Hautfarbe schlecht behandelt

Victoria Peters kennt das Gefühl, ausgegrenzt zu werden. In Halle, wo sie aufwuchs, gab es Kinder, die nicht mit ihr spielen wollten, weil sie anders aussah als die anderen. Stuttgart, wo sie fünf Jahre lebt, wirkt auf sie weltoffener. Niemals hört sie irgendeinen ausländerfeindlichen Satz.

[Zum Thema: „Bitte keine Araber“ als Antwort – Bewerber in Berlin bekommt rassistische Mail]

In Potsdam ist das anders - obwohl die brandenburgische Landeshauptstadt einen ausgesprochen toleranten, ausländerfreundlichen Ruf hat: Fast 70 Prozent der Potsdamer haben bei der Kommunalwahl 2019 für linke Parteien gestimmt, mehr als 40 Verbände und alle Parteien außer der AfD haben sich schon im Jahr 2000 zum Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ gegen Rechtsextremismus zusammengeschlossen.

„Ich habe nicht für möglich gehalten, dass ich wegen meiner Hautfarbe hier so schlecht behandelt werde“, sagt Peters. Es beginnt alles vielversprechend für sie. Sie teilt sich mit einer Kollegin eine Dreiraumwohnung schräg gegenüber des Hotels, ihr Arbeitgeber stellt dafür im Monat nur 91 Euro in Rechnung.

"Sie sind doch bestimmt mit dem Schlauchboot hergekommen"

Und dann passiert es. Die junge Frau fährt mit einem Bus der Linie 631 vom Hauptbahnhof über die B 1 Richtung Werder (Havel), an der Haltestelle nahe der Einfahrt zum Hotel will sie aussteigen.

Ihr gegenüber sitzt in einer Vierer-Sitzgruppe ein Paar, der Mann spricht sie an: „Na“, fragt er, „wie war die Fahrt im Schlauchboot? Sie sind doch bestimmt mit dem Schlauchboot hergekommen.“ Victoria Peters ist sprachlos. Sie ist tief gekränkt, aber sie bringt nichts heraus, um sich zu wehren. „Ich bin in Deutschland geboren“, sagt sie hilflos.

Der Mann ist, schätzt Victoria Peters, Mitte 40. Er macht einen unauffälligen Eindruck, er erweckt den Anschein eines harmlosen Dutzendmenschen. Seine Frau hört anteilnahmslos zu, einige Buspassagiere, die die Pöbelei mitgehört haben müssen, sehen zur Seite. Victoria Peters steht auf und verlässt die Vierergruppe.

[Mehr zum Thema: Rassismus im Berliner Alltag – Keine Wohnung, kein Job, wegen ausländisch klingenden Namens]

Sie legt ihre Kopfhörer an und versucht, ihre innere Aufgewühltheit mit Songs von Rihanna zu beruhigen. Sie genießt den kurzen Spaziergang von der Haltestelle an der B1 bis zum Hotel, 700 Meter durch den Wald, es riecht nach Holz und Wiese. „Ich mag diese Abgeschiedenheit“, sagt sie, „ich bin ein eher ruhiger Mensch.“

Hotelchef Dressel: "Man muss klare Kante zeigen gegen Rassisten"

Ein paar Tage später im Hotel Bayrisches Haus, eine der feinsten Adressen der Stadt. Peters arbeitet an der Rezeption, der Job liegt ihr. Sie druckt eine Rechnung für einen Firmengast aus – und dem passt irgendetwas nicht. „Wenn´s bei ihnen in Afrika so ist, naja, bei uns hier läuft es anders“, sagt der Business-Mann.

Sie fühlt sich, als müsse sie sich verteidigen für ihre Hautfarbe, sie sagt, sie sei in Halle geboren. Sie ist sehr verletzt, aber sie behält auch diese Demütigung für sich und erzählt den Chefs nichts davon. „Ich habe mich so sehr geschämt“, sagt Peters.

Der nächste Vorfall passiert bald, wieder an der Rezeption. „Schön, dass man Leute wie Sie bei uns aufnimmt“, sagt ein Gast. Wieder schmerzt es, was sie hört, wieder behält sie es für sich, vertraut sich ihrer Mutter am Telefon an und beschließt, nach Stuttgart zurückzukehren.

Alexander Dressel erfährt von den Vorfällen, als Peters am Donnerstag in der Probezeit kündigt. „Wenn ich das gleich erfahren hätte, hätte ich die beiden Gäste eigenhändig hochkant rausgeworfen und ihnen nichts berechnet“, sagt er, „man muss klare Kante gegen die Rassisten zeigen und darf diesen Arschlöchern keine Plattform bieten.“

Carsten Holm

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