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Mit dabei. Auch der israelische Chor „Cecilia Ensemble“ wird beim Berliner Chor-Festival auftreten.

© Cecilia Ensemble

Louis-Lewandowski-Festival: „Man kann Lewandowski gar nicht überschätzen“

Ein Gespräch mit Festivaldirektor Nils Busch-Petersen über Synagogalmusik, die Mitschuld deutscher Unternehmer am Holocaust und Antisemitismus in der Gegenwart.

Herr, Busch-Petersen, wie sehr hat Louis Lewandowski die jüdische Welt geprägt?
Man kann die Bedeutung seines Werks gar nicht überschätzen: Sein Zyklus „Kol Rinnah u Tefillah“ zählt bis heute zu den Standardwerken in der synagogalen Musik. Er hat den traditionellen Kantorengesang mit zeitgenössischer europäischer Musik zusammengeführt und damit die jüdische Sakralmusik grundlegend reformiert. Aber nicht nur die Gebetsgesänge und Choräle, auch die jüdische Liturgie im Allgemeinen wurde durch Lewandowski Arbeit tief geprägt.

Inwiefern?
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war instrumentale Musik in den Synagogen unüblich. Im Verlauf der Zeit aber wurde dann ein zunehmend heftiger Streit zwischen und in den Gemeinden darüber geführt, ob man Orgeln in die Synagogen einbauen dürfe, so wie es in den christlichen Kirchen üblich war. In diesem Orgel-Streit hat sich Lewandowski klar positioniert.

Welche Ansicht vertrat er?
Ja, man darf! Und mit seinem Kampf war er letztendlich erfolgreich: 1933 gab es in Berlin zwölf Synagogen mit mehr als 1000 Sitzplätzen – in keiner Einzigen davon fehlte eine Orgel.

Lewandowski stammte aus einer armen Familie im Posener Land, wanderte aber als 12-Jähriger nach Berlin. Wie hat die Stadt auf sein Werk abgefärbt?
Sehr befreiend. Sein Vater arbeitete im kleinen Städtchen Wreschen als Schammes, als Synagogendiener, und dementsprechend hatte der junge Lewandowski nur den traditionellen, östlichen Synagogen-Ritus kennengelernt. Ohne die Freiheit Berlins mit der großen, vielfältigen jüdischen Gemeinde und den vielen jüdischen Unternehmern, die das jüdische Kulturleben damals in der Stadt gefördert haben, wäre Lewandowski nicht zu dem Komponisten geworden, der er wurde.

Heute sind es erneut Unternehmer, die Lewandowskis Werk am Leben halten: Welche Unterstützung erhalten Sie von Berlins Einzelhändlern?
Wir haben es geschafft, das Festival seit acht Jahren ohne einen Cent aus öffentlichen Kulturmitteln auf die Beine zu stellen – und da sind wir auch stolz drauf. Gestemmt werden die Kosten durch Spenden und Beiträge – und ein großer Teil der Zuwendungen kommt von Kaufleuten in der Stadt. Viele von ihnen unterstützen uns, weil ihnen Lewandowskis Werk ein Herzensthema ist. Andererseits gibt es unter den Berliner Händlern auch eine hohe Sensibilität, was die deutsch-jüdische Geschichte des Einzelhandels angeht.

Schwingen da auch Gewissensbisse mit? Viele deutsche Unternehmer schlugen ja Profit aus dem Judenhass im Dritten Reich durch die „Arisierung“. Sind sich Berlins Händler dieses Erbes bewusst?
Ja, das sind sie. Viele Berliner Kaufleute waren trugen für die Shoa eine Mitverantwortung. Wir sind uns bewusst darüber, dass auch Unternehmer unserer Branche zu den Profiteuren der Judenvernichtung zählten – denn irgendjemand hat sich ja damals das jüdische Eigentum günstig verschafft oder gewinnbringend verkauft. Gerade der Einzelhandel in Berlin war ja durch das Engagement jüdischer Kaufleute geprägt – egal, ob Oscar Tietz mit seiner Firma „Hermann Tietz“ oder Adolf Jandorf mit dem KaDeWe: die Handelskönige der Stadt waren überwiegend Juden, ungefähr ein Viertel aller Einzelhändler war jüdisch. Während unseres Festivals werden wir deshalb nicht nur den 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung feiern, sondern auch des 80. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 gedenken.

Andererseits unterliegen israelische Waren mittlerweile sehr strengen Kennzeichnungspflichten der Europäischen Union. Können sie nachvollziehen, wenn israelische Händler das an die „Kauft nicht bei Juden“-Aufrufe erinnert?
Waren aus Israel, egal, aus welchem Landesteil, dürfen nicht diskriminiert werden. Ich halte diese Vorschriften deshalb für falsch und habe auch den Berliner Händlern in der Vergangenheit immer einen sehr liberalen Umgang mit den EU-Vorgaben empfohlen. Auch die jüngsten Auseinandersetzungen um Investoren in Berlin – etwa bei Immobilienprojekten wie am Checkpoint Charlie – kommen oft nicht ohne Betonung ihrer israelischen Herkunft aus, möglichst mit russischen oder zypriotischen Partnern. Da stimmt dann bei einigen Diskutanten das Weltbild. Wir dürfen das nicht kritiklos hinnehmen.

Nils Busch-Petersen
Nils Busch-Petersen

© privat

Nils Busch-Petersen ist Gründer und Direktor des Louis-Lewandowski-Festivals. Hauptberuflich arbeitet er als Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg. Das achte Louis-Lewandowski-Festival findet zwischen dem 21. und 23. Dezember an verschiedenen Spielorten in Berlin und Potsdam statt. Unterstützer sind neben Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller auch der Brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke. Traditionell findet das große Abschlusskonzert in der Synagoge in der Potsdamer Rykestraße statt (23.12.2018). Mehr Infos zum Festival gibt es unter: louis-lewandowski-festival.de

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