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Per Knopfdruck ins Paradies. Die U-Bahn erzeugt bei manchen Berlinern tatsächlich Glücksgefühle.

© Stephanie Pilick/p-a/dpa

Lob des Berliner Nahverkers: "BVG und S-Bahn machen einen großartigen Job!"

Verspätungen, grässliche Musik, Warten im Schneeregen: Meiner Liebe zu Berlins öffentlichen Verkehrsmitteln kann das nichts anhaben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lutz Haverkamp

Vor etwa sieben Jahren habe ich – zugegebenermaßen notgedrungen – an einer Autobahnausfahrt in der Nähe von Brandenburg an der Havel mein Auto verkauft. Für einen Euro an den Autoschrauber, der mich von der Wiese abschleppte, wo mein roter Flitzer seinen letzten Meter rollte und seinen letzten Kohlendioxidhauch aus dem Auspuff pfiff. Er bezahlte passend. Mein Lebensabschnitt mit eigenem Auto war beendet. Zum Glück!

Seitdem ist eine neue Liebe in mein Leben getreten: der öffentliche Personennahverkehr. Ja, genau – der in Berlin. Die BVG ist meine mobile Erfüllung, die S-Bahn meine Mittelstrecken-Muse. Und das Fahrrad – der private Personennahverkehr – ist meine schnelle Affäre für zwischendurch. Und um im Bild zu bleiben: Mein neues Lastenfahrrad, das rund 100 Kilogramm Zuladung erlaubt und acht Kisten Bier problemlos durch den Kiez chauffiert, ist meine ... ach, lassen wir das.

Das Image ist schlechter als die Leistung

Die Qualität der autofreien Mobilität in Berlin wird von vielen unterschätzt. Das Image von BVG und S-Bahn ist um Klassen schlechter, als deren Leistung wirklich ist. Das ist ungerecht! Busse, Bahnen, Tramfahrzeuge überall. Gelbe und beige-rote Inseln der Mobilität, wo Autos nur im Stau stehen oder Parkplätze suchen. Fortbewegung durch Berlin beim Zeitunglesen oder beim selbstvergessenen Aus-dem-Fenster-Gucken. Ankommen, ohne sich auf Ampeln und Vordermänner konzentrieren zu müssen. Und das alles zu einem Jahrespreis, für den man vielleicht gerade einen neuen Satz Autoreifen bekommt.

BVG und S-Bahn in Berlin machen einen großartigen Job. Und für die Zukunft gibt es verheißungsvolle Ansätze, die meine Zuneigung noch inniger, noch fester, noch bedingungsloser werden lassen werden. Und ja, wie in jeder Beziehung gibt es auch mal schlechtere Zeiten. Aber sind ein paar vergurkte Tage Grund genug, um eine große Liebe in den Wind zu schießen?

Ich weiß, wovon ich rede: Wohnung und Arbeitsplatz liegen 14 Kilometer auseinander. Ich habe das große S-Bahn-Chaos vor einigen Jahren miterlebt. Ich weiß, was es bedeutet, den Anschluss bei Ostwind und Schneeregen zu verpassen oder den letzten Nachtbus an der Theke verquatscht zu haben. Ich habe schon 20 Minuten im S-Bahn-Tunnel zwischen Gut und Böse gestanden, neben übel riechenden Mitfahrern gesessen und schlecht flötenden Musikdarbietern gelauscht. Meiner Liebe kann das nichts anhaben. Ich verzeihe ihr so manche Fehler. Denn im Großen und Ganzen ist sie doch die Beste der Welt.

Und um es gleich hinterherzuschieben: Die große Schwester von BVG und S-Bahn – die Deutsche Bahn –, die mag ich auch sehr. Seit ich vor fast 18 Jahren aus Westfalen nach Berlin umsiedelte, fahre ich die Strecke ins Münsterland jährlich ein paar Mal. Und die Wahrheit ist: Ich kann mich nur an eine Verspätung erinnern, die die Stunden-Marke überschritt.

Also: Macht weiter so. Bleibt bei mir. Lasst uns einander gegenseitig mit Liebe und Zuneigung überhäufen. Sonst fahre ich wieder mehr ... nein, nicht mit dem Auto ... mit dem Fahrrad.

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