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Aber bitte nur im Roman: ein blutiges Messer.

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Literatur aus und über Berlin: Monster, Mörder, Messerstecher

Berlin 1920, das war eine Arme- Leute-Stadt. Ein neuer Kriminalroman erzählt die Geschichte einer Mordserie, aus der plötzlich noch viel mehr wird. Und der Sammelband einer Historikerin schildert 32 echte Kriminalfälle in Form eines brutalen Großstadt-Panoptikums. Zwei packende Bücher übers düstere Alt-Berlin.

Gerade zwei Jahre lag der große Krieg zurück. Seine Zerstörungskraft steckte den Männern, die in den Gräben gekämpft hatten, in den Knochen und den Seelen. Abgestumpft waren manche, andere brutalisiert über alle zuvor gekannten Grenzen hinaus. Überall in Berlin waren die Brutalisierten zu finden, im Jahr 1920, in dem Simon Jaspersen seinen politischen Kriminalroman „Bevor die Nacht kommt“ spielen lässt. Die ehemaligen Grabenkrieger und Frontsoldaten verschworen sich, sie schlossen geheime Bünde, sie verfolgten politische Widersacher. Es ist ein nur vordergründig geordnetes, tatsächlich wildes und gefährliches Berlin, diese ehemalige Kaiserresidenz, in der nun Kommunisten gegen Stahlhelmer kämpfen und Putschisten mit Lastwagen voller Waffen von Versteck zu Versteck unterwegs sind. Dass die Stadt in diesem Sommer vor Hitze kocht, macht ihre Atmosphäre nur noch schwerer erträglich.

Jaspersen setzt seinen ersten Roman in einer Stadt in Szene, die mit der Event- und Halli-Galli-Metropole von heute nicht viel gemein hat. Berlin 1920, das war eine Arme- Leute-Stadt, und Jaspersen wendet eine Menge Phantasie und erzählerisches Geschick auf, um im Milieu des Großstadtproletariats eine düstere Mordserie zu entwickeln. Junge Frauen verschwinden, Dienstmädchen, Verkäuferinnen, zugewandert aus der Provinz, ohne Anhang.

Der junge Psychiater Dalus und der von Knieschmerzen geplagte alte Kriminalkommissar Mohrfels bekommen es mit einem Sadisten zu tun. Was zunächst aussieht wie eine triste Serienmördergeschichte in einer verwahrlosten Stadt, wird zu einer Serie von Hinweisen auf einen Trupp von Attentätern. Einer von ihnen fügt mit seinem Messer gern jungen Frauen Schmerzen zu. Eine komplizierte Geschichte in einer verwirrenden Zeit – und die Industriestadt Berlin mit ihren Hallen und Werkstätten, Kellern und Hinterhöfen wird zum Schauplatz eines Anschlags: Sterben soll ein Mann, der nicht viel übrig zu haben scheint für das Besondere am deutschen Volk, eingeladen zu einem Bankett des Reichspräsidenten ins Hotel Adlon. Sterben soll Albert Einstein, das Genie, in den Augen der Verschwörer „der Mann, der behauptet hatte, dass alles gleich war. Endlich würde allen klar werden, dass diese Republik zum Scheitern verurteilt war. Und dieses Land inzwischen zu schwach, sich selbst zu schützen.“

Carl Großmann war dagegen tatsächlich einer, der zu dieser Zeit aus Sadismus gemordet hat – der „Schlächter vom Schlesischen Bahnhof“ wird er in dem Band „Verbrechen in Berlin“ genannt. Die Historikerin Regina Stürickow hat 32 Kriminalfälle versammelt, von denen jeder etwas Besonderes über die Zeit erzählt, in der er geschah: ein brutales Großstadt-Panoptikum.

Simon Jaspersen: Bevor die Nacht kommt. Rowohlt, Hamburg. 439 Seiten, 9,99 Euro;

Regina Stürickow: Verbrechen in Berlin. 32 historische Kriminalfälle 1890 bis 1960. Elsengold, Berlin. 208 Seiten, etwa 120 Abbildungen, 24,95 Euro

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