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Wie sieht die Stadt von Morgen aus?

© Getty Images/iStockphoto

"Liquid City"-Konferenz in Berlin: So sehen die Städte der Zukunft aus

Weniger Reißbrett, mehr Teilhabe: Eine Veranstaltung des Tagesspiegels berät über eine neue Stadtplanung.

Das wäre doch mal eine Idee für den Schlossplatz: Bürgersteige abreißen, Straßenmarkierungen ausradieren, keine Ampeln. Fußgänger und Autofahrer einigen sich schon untereinander auf der Weite des Raumes. Unmöglich? Nein, im kleinen Maßstab gibt es ein solches Projekt. Alles im Fluss bei der Verkehrsplanung. Aber auch im Denken der Stadt: In Wien gibt es ein Haus mit WGs, wo Studenten zusammen mit Obdachlosen leben. Und in Zürich ein Gebäude, wo Riesenwohngemeinschaften mit 30 Leuten neben Single-Apartments und Familienwohnungen nebeneinander bestehen. Ziehen die Kinder aus, dürfen die Eltern wohnen bleiben, müssen aber in eine WG wechseln. Keine Sicherheit, alles im Fluss.

In den Städten allemal, wo jeder ein Problem hat, der nicht flüssig ist. Nicht nur bei den Finanzen. Was das mit den Menschen macht, wie die Städte der Zukunft sein sollen, das lotet die Veranstaltungsreihe „Liquid City“ vom Tagesspiegel aus, unterstützt von Mercedes Benz.

Mehr Mitspracherecht

Architekturprofessor Friedrich von Borries hatte die Beispiele aus Wien und Zürich vorgetragen. Dass sich Städte in Zukunft zum Besseren verändern, glaubte die Mehrheit der Zuhörer, wie eine Umfrage an diesem Abend ergab. Vielleicht weil alle künftig mehr mitgestalten werden, mehr miteinander reden und es auch müssen. Jedenfalls, wenn die Stadt nicht Investoreninteressen überlassen bleibt. Das zumindest ist ein gemeinsamer Nenner, auf den sich die drei geladenen Redner einigen würden.

Ist Berlin die Stadt der Zukunft? Vor allem ist sie die „grumpy City“, die mürrische Stadt. Tagesspiegel-Herausgeber und Moderator Sebastian Turner fand großes Gefallen an dieser Beschreibung des britischen Stadtforschers Charles Landry. Der meinte das aber durchaus auch als Kompliment.  Die mürrischen Berliner erträgt er, zumal das Mürrische vor allem Ausdruck des Widerstands sei gegen eine zu schnelle Veränderung, bedeute gleichsam: „Jetzt reicht’s“. Vorbildlich sei die Stadt deshalb darin, dass sie noch Chancen ergreife, Orte anders zu gestalten. Jedenfalls versuchten hier Gruppen, die „Spekulation aus Projekten herauszunehmen“.

Städte stecken in einer "Identitätskrise"

Hier sei Berlin sogar im Vorteil beispielsweise gegenüber London, und davon könnten die Metropolen der Zukunft lernen. Es gelte, den Markt jedenfalls so weit zu bändigen, dass eine andere, neue Art von Stadtentwicklung möglich ist. Der Holzmarkt in Mitte, wo die Veranstaltung stattfindet, ist ein Beispiel dafür: Hier hat kein Investor Standardbauten hingestellt, sondern die frühere Clubszene aus dem Umfeld der „Bar 25“ baute als Genossenschaft ein kleines Dorf mitten in der Stadt, finanziert von einer gemeinnützigen Stiftung.

Laut Anna Bernegg, Stadtplanerin bei Urban Catalyst, stecken Städte gar in einer „Identitätskrise“. Es brauche deshalb einen neuen Kompass zu ihrer Entwicklung. Die Beteiligung der Menschen sei die Lösung, Quartiere müssten von innen weiterentwickelt werden, es dürfe keine „Utopia“ vom Reißbrett entstehen. Der Staat soll also nicht einfach bestimmen, sondern Menschen aktivieren und zur Eigeninitiative auffordern.

Berlin ist überfordert mit dem Wachstum

Kreativität gegen Kapitalinteressen war eines der Leitthemen des Abends. Charles Landry beschrieb London als drohendes Zerrbild für Berlin. In einer Studie habe er die Eigentumsverhältnisse untersucht. Inzwischen würden über 60 Prozent der Wohnungen von Russen, Chinesen und Arabern gekauft. Vor 30 Jahren waren die Engländer in der Mehrheit. Wenn man jung sei und keine reichen Eltern habe, könne man fast nichts in London kaufen. Die 33-jährige Tochter eines Bekannten, erzählte Landry, muss eine Stunde mit dem Zug aus einem 80 Kilometer entfernten „Vorort“ anreisen. Das spalte die Gesellschaft. Anna Bernegg legte nach: In San Francisco übernachteten IT-Fachkräfte schon in ihren Autos, weil Wohnungen unbezahlbar seien. Google-Busse müssten die Leute vom zwei Stunden entfernten Wohnort abholen. Und Berlin? Berlin sei überfordert mit dem plötzlichen Wachstum, erklärte Bernegg.

Nächste Veranstaltung am 25. Januar „Connected Mobility“.

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