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Gut gelaunt in Leipzig: die Fraktionsvorsitzenden der Berliner Linke-Fraktion, Udo Wolf (l-r), Carola Bluhm und der sächsische Fraktionsvorsitzende Rico Gebhardt bei der Klausurtagung am Wochenende.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Linkspartei in Berlin: Links ist, wo der Daumen oben ist

Gute Leute, gute Themen - und Holm? Fast schon vergessen. Die Berliner Linkspartei strotzt vor Selbstbewusstsein – und das mit gutem Grund. Ein Kommentar

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Seit 80 Tagen regieren sie wieder mit. Und die Genossen der Berliner Linken sind fest entschlossen, diese Chance zu nutzen, um ihre politische Agenda in einer rot-rot-grünen Koalition auf allen Ebenen durchzusetzen. Selten war die Partei so mit sich im Reinen wie jetzt. Die Linke in der Hauptstadt kann – nach einer Wahlperiode in der Opposition – auf eine zehnjährige Regierungserfahrung zurückgreifen, sie hat aus eigenen Fehlern gelernt und ihr Einfluss in der Bundespartei wächst.

Entsprechend selbstbewusst tritt die Linke in Berlin auf. Die Fraktion im Abgeordnetenhaus, die am Wochenende sehr entspannt in Klausur ging, ist eine Mischung aus erfahrenen Kämpfern und frischen Kräften, die sich mit streberhaftem Fleiß in die Regierungsarbeit stürzen. Im Senat sitzt die Linke mit gutem Personal an strategisch wichtigen Stellen. Soziales, Stadtentwicklung und Kultur sind Gestaltungsressorts, ohne die in Berlin nichts geht.

In den Bezirken deckt die Linke mit drei Bürgermeistern und fünf Stadträten die urbane Mitte und den Osten der Stadt ab. Auf kommunaler Ebene ist sie zwar immer noch eine Regionalpartei, bindet aber zunehmend neue Mitglieder und Wähler an sich, die auch bei SPD und Grünen willkommen wären – und für die der missratene Sozialismus à la DDR nur noch ferne Geschichte ist.

Der „Fall Holm“, der die rot-rot-grüne Koalition in Berlin fast aus den Angeln hob, steht nicht im Widerspruch zu diesem Veränderungsprozess. Es waren nicht weißbärtige Nostalgiker in schwarzen Lederjacken, die den stasibelasteten Soziologen besonders radikal verteidigten, sondern links-alternative Studierende und Kiezinitiativen, die eine Verschwörung des Finanz- und Immobilienkartells in Berlin verhindern wollten. Für sie ist Erich Mielke, der die Firma Horch-und-Guck einst betrieb, nur noch ein Gespenst.

Die Linke wird nicht mehr an ihrer DDR-Vergangenheit gemessen

Was nichts daran ändert, dass sich die Linke in Berlin, deren Ostteil einst DDR-Hauptstadt war, der eigenen Parteigeschichte und der damit verbundenen historischen Verantwortung nach wie vor stellen muss. Denn die Partei von Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht steht in einer Kontinuität, die auch 27 Jahre nach dem Mauerfall keinen Schlussstrich verträgt.

Trotzdem wird die Linke auch von vielen ihrer Gegner nicht mehr an dem gemessen, was bis 1989 realer Sozialismus hieß. Die meisten Genossen stellen auch nicht mehr die Systemfrage, sondern wollen aus dem realen Kapitalismus das Beste herausholen. Das gilt erst recht für die Pragmatiker im Berliner Landesverband, die ihren Machtanspruch mit erreichbaren Zielen verbinden. Und die sehr darauf hoffen, dass nach der Bundestagswahl ein rot-rot-grünes Bündnis die Spielräume für eine linke Politik in Ländern und Kommunen radikal verbessert.

Die Linke in Berlin kann es sich zugute halten, diese Transformation von der Fundamentalopposition zur Regierungsfähigkeit auch in der Bundespartei beschleunigt zu haben. Lederer & Co. werden schon deshalb alles tun, die vor sich hin holpernde Koalition in Berlin doch noch in die Erfolgsspur zu bringen. Der alte Anspruch von der führenden Rolle der Partei erhält so eine ganz neue Bedeutung.

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