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50 Menschen leben nach Angaben der Bewohner:innen auf dem an die "Köpi" angrenzenden Bauwagenplatz.

© Doris Spiekermann-Klaas

Linkes Wohnprojekt in Berlin-Mitte: Räumungsklage gegen „Köpi“-Wagenplatz

Seit rund 30 Jahren gibt es den Bauwagenplatz neben dem linken Wohnprojekt „Köpi“. Nun sollen die Bewohner:innen die Fläche räumen. Das wollen sie nicht hinnehmen.

Bereits vor einigen Jahren konnte man den Spruch an vielen Häuserwänden lesen: „Köpi bleibt Risikokapital“. Nun hat er eine neue Aktualität erhalten. Betroffen ist aber nicht das legalisierte autonome Wohn- und Kulturprojekt „Köpi“ in der Köpenicker Straße 137 in Mitte, sondern der angrenzende Bauwagenplatz.

Dort leben nach Angaben der Bewohner:innen derzeit rund 50 Menschen. Am 4. Februar sei völlig überraschend eine Räumungsaufforderung für Ende Februar eingetroffen, gleichzeitig reichte die Eigentümerin eine Räumungsklage ein, erzählt eine Bewohnerin, die sich Jane nennt. „Viele wohnen hier seit über 20 Jahren, wir können und werden die Fläche nicht innerhalb von drei Wochen räumen“, sagt sie. 

Die Bewohner:innen vermuten, dass die Eigentümerin, die „Startezia GmbH“, mit dem Gelände in strategisch günstiger Lage spekulieren will. Bereits seit 2015 gebe es Pläne, Neubauwohnungen zu errichten, erzählt Jane – konkreter wurden die bislang allerdings nie. 

Das sagt auch der zuständige Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD). Bislang habe es keine Information vonseiten der Eigentümerin an das Bezirksamt gegeben. „Weder Bezirk noch Senat haben ein Interesse daran, hier einen Konflikt zu befeuern. Ganz im Gegenteil: In den letzten Jahren gab es keine Konflikte im Kiez, und so soll es auch bleiben“, sagte Gothe dem Tagesspiegel. Eine Räumung lehne er klar ab. 

Mittes Bezirksverordnetenversammlung sprach sich gegen eine Räumung aus

Auch die Bezirksverordnetenversammlung von Mitte sprach sich bei ihrer Sitzung am 18. Februar auf Antrag von Linken und Grünen gegen eine mögliche Räumung aus. Die Bezirksverordneten forderten das Bezirksamt mehrheitlich dazu auf, Gespräche mit der Eigentümerin aufzunehmen, um die Räumung mindestens bis zum Ende der Corona-Pandemie auszusetzen. „Darüber hinaus soll nach Möglichkeiten gesucht werden, um den Wagenplatz dauerhaft am Standort zu erhalten“, heißt es weiter in dem Antrag.

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So oder so haben die Bewohner:innen vorerst nicht vor, auszuziehen. Vergangenen Samstag beteiligten sie sich an einer Demonstration mit rund 1000 Teilnehmenden, die eine langfristige Perspektive für alle Berliner Wagenplätze forderte. Erst kurz zuvor war eine besetzte Fläche an der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg kurzfristig geräumt worden. 

Weitere Proteste seien bislang nicht geplant. Vorerst würden die Bewohner:innen abwarten, was das weitere Gerichtsverfahren ergebe, sagt Jane. „Wir wollen schrittweise vorgehen“, deutet sie mögliche künftige Aktionen an. In einem Aufruf der Bewohner:innen heißt es, dass dies „der Auftakt eines langen Kampfes“ sei. 

Vertreten werden die Bewohner:innen von Anwalt Moritz Heusinger, der sich in ähnlichen Verfahren bereits auskennt. Zuletzt vertrat er etwa den Bewohnerinnenverein des besetzten Hausprojektes „Liebig 34“, das im vergangenen Herbst geräumt wurde. Ein möglicher Prozess werde sich noch einige Monate hinziehen, sagt Heusinger. Die Räumungsklage selbst sei „kein ungewöhnlicher Vorgang“, man sei sich eben nicht einig, ob die Bewohner:innen ein Recht auf die Fläche hätten oder nicht.

Was die Eigentümerin plant, ist unklar

Das Gelände an der Köpenicker Straße 133 bis 138 wurde im Februar 1990 besetzt und 1991 erhielten die Bewohner:innen Mietverträge. Nach diversen Verkäufen handelten die Bewohner:innen 2008 einen Mietvertrag über 30 Jahre für das Haus aus. 2013 wurde das gesamte Gelände nach einer Insolvenz an die Startezia GmbH versteigert. 

Die Startezia stammt aus der selben Unternehmensfamilie wie die vorherige, insolvente Eigentümerin, die „Novum Köpenicker Straße 133–138 GmbH & Co. KG“. Hinter der Unternehmensfamilie soll der umstrittene Immobilieninvestor Siegfried Nehls stecken.

Die Köpi und der angrenzende Wagenplatz gelten als eines der bekanntesten linken Wohn- und Kulturzentren des Landes. Eine Räumung dürfte für ähnliche Proteste sorgen wie bei anderen linken Projekten und Kneipen in den vergangenen Monaten. Neben der „Liebig 34“ war im vergangenen Jahr auch die Neuköllner Kneipe „Syndikat“ polizeilich geräumt worden. Aktuell sind das Jugendzentrum „Potse“ in Schöneberg und die Kneipe „Meuterei“ in Kreuzberg von Räumung bedroht.

Gerne wüsste man, was die Startezia nach einer möglichen Räumung mit dem Gelände anfangen will. Für den Tagesspiegel war die Eigentümerin nicht erreichbar, auch deren Anwälte ließen eine entsprechende Anfrage bislang unbeantwortet. Die Bewohner:innen vermuten, dass die Fläche erneut verkauft werden könnte – auch, um das konfliktträchtige Grundstück loszuwerden. Auch für diesen Fall haben Sie einen alten Spruch parat: „Wer die Köpi kauft, kauft Ärger.“

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