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30.000 kommunale Wohnungen wollte Rot-Rot-Grün bis 2021 bauen. Das Ziel wurde verfehlt.

© Jens Büttner/dpa

Linke streitet nach Lompscher-Rücktritt: Kann ein öffentlicher Trust Berlins Wohnbau-Chaos lindern?

Lompscher scheiterte als Bausenatorin auch, weil es beim Neubau von Wohnungen nicht vorangeht. Die Linken diskutieren nun eine neue Linie.

Rund 200.000 Wohnungen fehlen in Berlin. Seit 2011 wuchs die Stadt um 350.000 Menschen – aber für die vielen neuen Haushalte stehen nur gut 71.000 in dieser Zeit gebaute Wohnungen bereit. Das erklärt Wohnungsnot und steigende Mieten. Und damit begründete der Senat die Notwendigkeit, den Mietendeckel einzuführen.

Dass der Senat damit nicht aus der Pflicht ist, das eigentliche Übel zu bekämpfen und Wohnungen zu schaffen, setzen Notgesetze wie dieses voraus: Sie sollen vorübergehend gelten, damit die Politik Zeit hat, den Markt zu heilen.

Die zurückgetretene Senatorin Katrin Lompscher (Linke) wollte diese Weichenstellung wohl einleiten. Sie besuchte zuletzt Grundsteinlegungen auf Großbaustellen etwa in Hellersdorf. Die Nachfolgerin im Amt wird nicht umhin kommen, ihr Profil mit einem Konzept für den Neubau zu schärfen.

Diese Personalie entscheidet die Linke. Teile dieser diskutieren aktuell ein radikales Neubaukonzept: Ein neuer „öffentlicher Immobilienentwicklungstrust“ soll den Neubau von 150.000 Wohnungen in „öffentlicher Regie“ unter Hochdruck realisieren.

Das Konzept stammt von den Linken Michael Breitkopf und Sebastian Gerhardt. Breitkopf berät Abgeordnete der Fraktion. In ihren Thesen für den Neubau rechnen die Männer schonungslos mit der bisherigen Neubautätigkeit des Senats ab: „In den Jahren 2017 bis 2019 haben die sechs Landesunternehmen etwa 15.000 neue Wohnungen errichtet. 2020 sollen 4000 weitere dazukommen: Das gesteckte Ziel für Ende 2021 ist unerreichbar.“

30.000 kommunale Wohnungen wollte Rot-Rot-Grün bauen – die zurückgetretene Senatorin musste diese Zahl auf 24.000 nach unten korrigieren.

Bis 2026 müssen 60.000 Wohnungen fertig werden

Hinzu kommt: Nach der Verfehlung dieses ersten Ziels droht die nächste Pleite in der nächsten Legislatur. Denn bis 2026 müssen 60.000 Wohnungen fertig werden. Zwar hatte Lompscher bei der Grundsteinlegung in Hellersdorf gegenüber dem Tagesspiegel von „rund 64.000 Wohnungen“ in der Pipe-Line gesprochen. Doch aus Kreisen der Wohnungswirtschaft ist zu hören, dass noch weitere Korrekturen der Zielzahlen und des dazu erforderlichen Zeitrahmens kommen.

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Das muss sich bis zur Linken-Basis herumgesprochen haben, denn Breitkopf und Gerhardt stellen in ihrem Konzept fest: „Die landeseigenen Wohnungsunternehmen haben die Erwartungen, die der Senat in sie gesetzt hatte, nicht erfüllt“. Und die Autoren rechnen trotz kräftig steigender Zahl neu gebauter Wohnungen damit, dass die sechs kommunalen Firmen der Aufgabe im Neubau nicht gewachsen sind.

Für genügend Neubauten fehlt das Kapital

Die Unternehmen verfügten selbst nicht „über die erforderlichen Planungs- und Bausteuerungskapazitäten“, heißt es in dem Papier. Scheitern werde das Projekt außerdem am Eigenkapital. Bei zurückhaltender Schätzung koste eine Wohnung rund 180.000 Euro. Bei einem Bauvolumen von 60.000 Wohnungen summiere sich das Investitionsvolumen auf elf Milliarden Euro.

Ex-Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) trat wegen Steuerhinterziehung und Fehler bei der Gehaltsabrechnung zurück.
Ex-Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) trat wegen Steuerhinterziehung und Fehler bei der Gehaltsabrechnung zurück.

© Britta Pedersen/dpa

Die Lösung der Autoren: Die sechs Firmen sollten sich auf die Verwaltung ihrer Wohnungsbestände beschränken – der Neubau müsse einem zentralen „Entwicklungstrust“ übertragen werden und dort einer „operativen Planungsinstanz, bei der Knowhow und Kapital gebündelt sind“. Unter dem Dach einer „Finanzholding“ könnten die Landesfirmen dann als Wohnungsverwalter dienen. Eine „Bautochter“ soll für die Realisierung aller kommunalen Neubauvorhaben dienen.

Hamburg legte mit ähnlichem Konzept vor

Das Konzept erinnert ein wenig an das Hamburger Modell für den Schulbau: Auch der Senat der Hansestadt gründete eine gemeinsame Firma für alle kommunalen Bauprojekte dieser Art. In Berlin hatte die Senatsverwaltung Bautypen für die Schulbauoffensive entwickelt, getragen von dem Gedanken, Aufträge zu größeren Ausschreibungen zu bündeln und Preisvorteile zu erzielen. Ähnliches verspräche eine professionell geführte „Bautochter“ für den Wohnungsbau im großen Maßstab.

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Eine solche Trust-Struktur für den Wohnungsbau könnte durch die Bündelung der Verantwortlichkeiten auch eines der größten Hindernisse bei den Bauabläufen schleifen: Die zersplitterten Kompetenzen im Senat. Neben der Stadtentwicklungsverwaltung müssen sich vier Ressorts bei Siedlungsprojekten abstimmen: Für Finanzen (Bauland und Kapital), für Bildung (Schulen), für Wirtschaft (Gewerbeflächen) und für Verkehr (Straßen).

Wobei die Autoren auch hier warnen: Gelinge es nicht, sich auf „eine gemeinsam entwickelte und getragene Stadtentwicklungspolitik zu verständigen“, würden die im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 formulierten Ziele ohnehin verfehlt. Und dann würde Berlins Wohnungsnot chronisch bleiben.

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