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Luftbild nach Lenné. Er gestaltete auch den gewundenen Lauf des Landwehrkanals (oben im Bild).

© Tsp/Bartel

Lenné als Stadtplaner: Generalszug: Bahnhof statt Boulevard

Wer die Gneisenaustraße aus Kreuzberg Richtung Schöneberg fährt, wird an der Yorckstraße zu einer Rechtskurve gezwungen, anschließend zwängt sich die Straße unter den S-Bahnbrücken durch, bevor sie am Dennewitzplatz ihren geraden Verlauf wieder aufnimmt. Dieser Schwenk bis zum Bülowbogen war nicht vorgesehen.

Von Andreas Austilat

Aber von Anfang an: 1838 macht Friedrich Wilhelm IV seinen Gartendirektor Lenné zum Berliner Chef-Stadtplaner. Vorausgegangen waren fast 15 Jahre, in denen die preußischen Behörden sich mühten, Ordnung in das sich abzeichnende Bauchaos vor den Toren der damaligen Stadt zu bekommen. Warum aber sollte jetzt ein Gärtner schaffen, woran alle anderen verzweifelt waren?

Nun, immerhin hat Lenné mit Wien, Paris und London drei der wichtigsten europäischen Metropolen gesehen. Seine Aufgabe bezieht sich zuerst auf die Erschließung des heutigen Moabit, dann auf das noch unbebaute Köpenicker Feld, ein Dreieck im heutigen Kreuzberg zwischen Köpenicker und Alter Jakobstraße im Norden und dem Landwehrkanal im Süden. Sein Entwurf sieht eine deutliche Trennung zwischen Stadt und Land vor, an deren Übergang er einen Park und Grüngürtel plant. Ein Plan, der sich bei Bedarf nach dem Bild der konzentrischen Kreise erweitern ließe.

Doch vom Moabit-Plan bleibt kaum mehr übrig als der Spandauer Schifffahrtskanal zwischen Spree und Havel. Wenig besser ergeht es Lennés Entwurf für das Köpenicker Feld. Der zur Entwässerung des feuchten Terrains und zur Entlastung der Spree notwendige Landwehrkanal wird gegraben. Bei den Plätzen, etwa dem Mariannenplatz und dem Michaelkirchplatz, streitet Lenné um die Form – Rundungen sind schwer zu vermarkten. Ein Viertel der gesamten Fläche sieht er für die Erschließung vor, plant Straßen und Plätze, den Rest sollen die Grundstückseigner bebauen dürfen. Doch längst ist der Boden Objekt ausufernder Spekulation, den zu erwartenden Schadenersatz kann sich Preußen nicht leisten.

Nur ein Straßenzug seines Ringkonzepts aus Boulevards und einer Folge abwechslungsreicher Plätze hat am Ende noch Chancen: Der sogenannte Generalszug, benannt nach den Generälen Gneisenau, Yorck und Blücher aus den Freiheitskriegen gegen Napoleon. Größter aller Plätze soll der Wahlstattplatz werden. Aber Lenné selbst wird ihn nicht mehr bauen.

1859 wird statt seiner der Abwasserexperte James Hobrecht mit einer neuen Stadtplanung betraut. Die Straßenführung erlaubt große Parzellen, auf denen tiefgestaffelt Mietskasernen entstehen. Den Generalszug übernimmt Hobrecht von Lenné. Doch der Wahlstattplatz liegt genau dort, wo die mächtigen Eisenbahngesellschaften Rangiergleise und den Anhalter Güterbahnhof errichten. Vom ursprünglichen Verlauf bleibt allein die kurze und für eine Sackgasse überbreite Hornstraße, die am früheren Bahngelände, dem heutigen Gleisdreieck-Park, endet. Auch eine ansprechende Verlängerung der 60 Meter breiten Gneisenaustraße ist unter den dann viel zu teuren Brücken nicht zu machen, die Yorckstraße zwängt sich bis heute auf 26,5 Metern unter den Yorckbrücken durch.

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