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Berlin will die knappen Bewerber nicht mehr wegen einer paar fehlenden Stempeln vergraulen.

© Julian Strate/dpa

Lehrermangel in Berlin: Die Verwaltung muss bei Lehrkräften umdenken

Mehr denn je braucht die Berliner Schule professionelle Lehrer. Die gibt es auch. Aber um sie zu verpflichten, müssen neue Wege gegangen werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Vieth-Entus

Berlins Schulen gehen unsicheren Zeiten entgegen. Ihr wichtigstes Instrument, die Lehrer, sind knapp wie seit Jahrzehnten nicht. So groß ist die Not, dass selbst die Quereinsteiger nicht mehr reichen. In der Folge sollen Studenten regulär und nicht mehr nur als Vertretungskräfte unterrichten dürfen. Was das für die Schüler, aber auch für die Studierenden selbst, bedeuten kann, lässt sich unschwer ausmalen. Nicht zu Unrecht warnen die Universitäten jetzt davor, dass sich das Lehramtsstudium verlängern könnte. Denn wer die volle Verantwortung für eine Schulklasse mit all ihren sozialen Problemen, mit Inklusions- und Flüchtlingskindern übernimmt, ist ohne Frage stärker beansprucht und vom Studium abgelenkt als jemand, der abends ein paar Stunden kellnert und danach einfach die Schürze an den Haken hängt.

Von den Lehrern wird immer mehr verlangt

Das aber ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen die Schüler, die mehr denn je professionelle Lehrer brauchen. Darauf deuten nicht nur die zahllosen Brandbriefe aus den prekären Kiezen hin, in denen es immer öfter um vernachlässigte, gewalttätige oder verhaltensgestörte Kinder geht. Es ist auch eine Tatsache, dass es angesichts der steigenden Zahl von Kindern aus Krisengebieten für Lehrkräfte immer wichtiger wird, auf Analphabetismus, doppelte Halbsprachigkeit und kulturell bedingte Konflikte reagieren zu können.

Berlin ist schlechter gewappnet als alle anderen Bundesländer

Kein anderes Bundesland ist für diese Herausforderungen personell schlechter gewappnet als ausgerechnet Berlin, dessen zahlreiche sozialdemokratischen Bildungssenatoren doch stets als Hauptziel formulierten, dass es den Unterprivilegierten besser gehen möge: Abkopplung des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft. Nun aber muss sich der Senat eingestehen, dass ausgerechnet Kinder aus bildungsferneren Familien wegen des Lehrermangels schlechtere Chancen haben als im so gern kritisierten „elitären“ Bayern. Dort mangelt es wegen guter Vorsorge weniger an Lehrern.

Hoffnung auf die neuen Sprachassistenten

Denn es zeigt sich, dass alle wichtigen und richtigen Berliner Brennpunktprogramme und gut gemeinten Reformen wenig wert sind, wenn die Grundvoraussetzungen nicht stimmen. Dazu gehören neben funktionierenden Jugendämtern, ausreichenden Kitaplätzen und intakten Schulen genügend Lehrer. Deshalb muss die Personalnot gelindert werden. Pensionäre und die neuen Sprachassistenten werden manche Lücke füllen können. Das aber reicht nicht. Dass die Bildungsverwaltung aber auf Studierende zugreifen will und – ausgerechnet – auf Lehrer, die an den Universitäten Lehramtsstudenten unterrichten, ist die falsche Antwort.

Teilzeitanträge weniger großzügig bewilligen

Bildungssenatorin Sandra Scheeres sollte deshalb genau hinhören, wenn ihr die Grünen empfehlen, die Schulen in Berlin für weitere Quereinsteiger zu öffnen. Denn warum sollte etwa ein Lateiner, der ein Mangelfach nachstudiert und das Referendariat berufsbegleitend absolviert, nicht imstande sein, mehr zu sein als ein Lückenfüller? Und es sollte möglich sein, einige hundert Lehrerstellen zu gewinnen, wenn die Verwaltung bei der Bewilligung von Teilzeitanträgen weniger großzügig wäre. In anderen Bundesländern geht das auch. Lehrer, die keine Kinder unter 16 Jahren haben, keine Angehörigen pflegen oder aus Gesundheitsgründen kürzer treten, sollten schon genau erklären müssen, warum sie nicht für ein paar Jahre ihre Stunden aufstocken oder Quereinsteiger einarbeiten können. Sie täten es ihren eigenen Schülern zuliebe.

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