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Blick in ein Klassenzimmer

© dpa/Monika Skolimowska

Lehrermangel an Problemschulen: Gegen ein Zwei-Klassen-System an Berlins Schulen!

In Berlin wollen voll ausgebildete Lehrer in die gutsituierten Kieze, die Problemschulen haben größte Personalnot. Die Brennpunktzulage allein wird nicht reichen. Ein Gastbeitrag.

Vor wenigen Wochen waren wir gemeinsam im Wedding unterwegs. Wir wollten wissen, wie sich das rasante Wachstum unserer Stadt auf die Schulen dort auswirkt. In einem Kiez, der stark von sozialen Problemen und von der Angst vor Verdrängung geprägt ist. Der Wedding platzt schon heute aus allen Nähten, was auch die Schulen merken. Es fehlt schlicht an Flächen, um neue Schulen zu errichten. Schaffung von Kapazitäten für neue Schüler ist das Problem Nummer eins.

Doch mindestens genauso groß ist die Sorge der Schulleiter, was die personelle Ausstattung und die Qualität der Lehrkräfte anbelangt. Wenn bei Castings angehende Lehrer Schlange bei den Ständen der Gymnasien aus Zehlendorf stehen, sich aber nur vereinzelt jemand an den Stand der Oberschule aus dem Wedding traut, dann ist das der sichtbare Beweis dafür, dass in unserer Schulpolitik dringend ein weiterer Hebel umgelegt werden muss.

An Brennpunktschulen braucht es Spitzenpersonal

In den schwierigen Kiezen können Schulleiter seit Jahren häufig nur auf Quereinsteiger zurückgreifen, was viele fassungslos macht. Denn gerade in Problemkiezen und an Brennpunktschulen müsste es genau anders herum sein. Hier werden die besonders betreuungsintensiven Schüler unterrichtet, hier bräuchte es voll ausgebildete Lehrkräfte, ja, Spitzenpersonal! Für die pädagogische Schwerstarbeit nämlich, die an den Brennpunktschulen verrichtet wird.

Uns ist schon länger klar, dass wir verstärkt auf Quereinsteigende zurückgreifen müssen, um den Bedarf der Schulen zu decken. Deshalb hat die SPD-Fraktion im letzten Dezember die verstärkte Betreuung und die zeitliche Entlastung der Quereinsteiger in den abschließenden Haushaltsverhandlungen durchgedrückt und mit 60 Millionen zum Schwerpunkt gemacht. Geld schafft Fakten.

Uns war aber auch klar, dass es zu einer extremen Konkurrenzsituation unter den Schulen kommen wird – und zwar um die besten Lehrkräfte. Deshalb haben wir auch Anreize für die schwierigsten Schulen geschaffen – die so genannte Brennpunktzulage, die aktuell als Gehaltsbonus, perspektivisch aber auch als Stundenentlastung gewährt werden kann. Eine Anerkennung für Pädagogen, die Tag für Tag ein Mehr an Arbeit an ihren Schulen leisten.

Versorgungslücke im nächsten Schuljahr

Wir hoffen aber auch, einen Anreiz schaffen zu können für voll ausgebildete Lehrkräfte, die sich wegen der Zulage vielleicht doch für unsere Brennpunktschulen entscheiden. Trotzdem wird der finanzielle Kraftakt vom Dezember nicht reichen. Der Senat versucht zwar händeringend, die Lücken zu schließen. Parallel dazu suchen wir mit den Koalitionspartnern im Parlament nach neuen Wegen für mehr und qualifiziertes Personal. Etwa indem Quereinsteiger oder ausländische Fachkräfte eingestellt werden können, die jeweils nur ein Fach mitbringen.

Aber: Es wird im kommenden Schuljahr eine Versorgungslücke geben. Wir werden im kommenden Schuljahr trotz des Einsatzes von Hunderten Quereinsteigern den Bedarf an Lehrkräften nicht decken können, es werden Stellen unbesetzt bleiben. Schlimmer noch ist die pädagogische Gerechtigkeitslücke. Denn es wird zu einer Unwucht bei der Qualität der Lehrkräfte an den Schulen kommen.

Seit Jahren gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anteil der sozial benachteiligten Schüler und dem Prozentanteil der Quereinsteigenden. Je höher der Anteil der Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf, desto mehr Quereinsteiger übernehmen die Verantwortung für die Schüler. Die Zahlen geben damit den Schulleitern Recht, die sich bei unserem Besuch an Weddinger Schulen über eine Sonderbelastung durch die Ausbildung der Quereinsteigenden beschwert haben. Wenn jetzt zusätzlich mehrere Hundert Fachkräfte fehlen, stellt sich erst recht die Frage, welche Schulen besonders unter unbesetzten Stellen leiden werden.

Quereinsteiger müssen gerecht verteilt werden

Die Sorge in den Problemkiezen ist, dass sich die unbesetzten Stellen vor allem in Wedding, Neukölln, Marzahn oder Spandau wiederfinden und dass sich die Brennpunktschulen glücklich schätzen können, wenn sie überhaupt Quereinsteiger bekommen. Es ist höchste Zeit, dass wir offen über die Verteilung der Lehrkräfte in der Stadt sprechen. Wir wollen keine eingespielten Kollegien zerreißen, aber vielleicht wird unsere Zulage trotzdem den ein oder anderen Zehlendorfer Lehrer etwa an eine Schule in Marzahn locken.

Unterm Strich müsste man eben gerade an Brennpunktschulen die Klassen deutlich verkleinern, um eine intensivere Betreuung zu erreichen. Dann würde automatisch auch die Belastung abnehmen und vielleicht würden sich dann auch mehr Lehrkräfte überhaupt zutrauen, dort zu unterrichten.

schreibt NutzerIn dinsdale

Anreize allein werden aber nicht reichen. Wenn wir künftig bis zu tausend Quereinsteiger einstellen, dann müssen diese gerecht auf die 800 Schulen in der Stadt verteilt werden, damit sich möglichst viele Schulen an ihrer Ausbildung beteiligen. Ähnlich müssen auch die unbesetzten Stellen gerecht über die Stadt verteilt werden.

Wir müssen mehr Bildungsgerechtigkeit wagen – und dafür braucht es mehr staatliche Steuerung. Denn von alleine geschieht sonst nichts, das zeigt die Vergangenheit. Aktive Ressourcensteuerung an Schulen ist eine Gerechtigkeitsfrage – und hier wird unsere Partei, die SPD, nicht sehenden Auges ein Zwei-Klassen-System dulden!

Die Autoren: Maja Lasic ist bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh ist dort SPD-Fraktionsvorsitzender.

Maja Lasic, Raed Saleh

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