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Berlin: Lebenslang für Todesschuss auf SEK-Mann

Richter sprachen Yassin Ali-K. des Mordes schuldig. Täter hatte auf Freispruch gehofft

Höchststrafe für den Todesschuss auf den SEK-Beamten Roland Krüger: Das Berliner Landgericht sprach den Libanesen Yassin Ali-K. gestern des Mordes schuldig und verhängte eine lebenslange Freiheitsstrafe. „Der Angeklagte wollte seine Festnahme verhindern. Seinen Wunsch nach Freiheit stellte er über das Lebensrecht des Beamten“, begründete Richter Wolfgang Jordan. Die Tat stehe sittlich auf tiefster Stufe. Mit dem Schuldspruch entsprach das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die in ihrer Anklage zunächst von Totschlag ausgegangen war, dann aber auf Mord plädierte.

Yassin Ali-K., ein Hüne mit kurzgeschorenen Haaren, der aus Sicherheitsgründen an den Füßen gefesselt war, nahm das Urteil äußerlich regungslos auf. Der 34-Jährige hatte sich auf Notwehr berufen. Er habe den Angriff einer verfeindeten Großfamilie befürchtet und blindlings geschossen. Angeblich hörte er nicht die Rufe „Polizei, Polizei!“, das Schutzschild mit der Aufschrift „Polizei“ will er nicht wahrgenommen haben. „Wir tranken Kaffee, als es plötzlich einen Knall gab.“

Es waren fünf Polizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK), die am 23. April letzten Jahres die Tür aufbrachen. Sie stürmten in die Wohnung der Familie in Neukölln, um Yassin Ali-K. wegen einer Messerstecherei vor der Diskothek „Jungle“ festzunehmen. Doch der vielfach vorbestrafte Libanese schoss sofort. Der 37 Jahre alte SEK-Mann Roland Krüger wurde im Gesicht getroffen. Zwei weitere Schüsse verletzten einen zweiten Beamten. Krüger verstarb wenige Tage später, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben.

Der Verteidiger hatte den Einsatz heftig kritisiert. Die Beamten seien wie eine „Horde Vermummter in Rambo-Manier“ in die Wohnung eingedrungen. „Das kam einem Überfall gleich“, sagte Anwalt Hans-Theodor Schmitt. Die Polizei habe ein völlig überzogenes Gefahrenpotential aufgebaut. „Yassin Ali-K. ist in seinem Leben unzählige Male festgenommen worden und hat nie mit Gewalt reagiert.“

Doch die Polizei wusste, dass es bei dem Streit vor der Diskothek „Jungle“ um einen Streit zwischen den Familien Ali-K. und Al-Z. ging. Beide Clans werden dem kriminellen libanesisch-kurdischen Milieu zugerechnet, das vor allem in der so genannten Türsteherszene aktiv ist. Da geht es um Prostitution, Frauenhandel oder Drogenverkauf. Aufgrund einer Telefonüberwachung sei den Ermittlern bekannt gewesen, dass sich Yassin Ali-K. eine Waffe besorgen wollte, sagte der Staatsanwalt.

Die Notwehr-Version des Angeklagten bezeichnete Richter Jordan als „kein besonders geschicktes Lügenkonstrukt“. Er habe gewusst, dass er auf einen Polizisten schoss. Es gebe keine Anhaltspunkte, „dass die Polizei bei dem Einsatz unrechtmäßig oder unzweckmäßig vorgegangen ist.“ Der Todesschuss komme einem Verdeckungsmord gleich. Der Verteidiger kündigte Revision an. Für die Lebensgefährtin des getöteten Beamten und seine kleine Tochter hatte die Berliner Bevölkerung etwa 250000 Euro gespendet.

Kerstin Gehrke

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