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Schild an Zaun mit der Aufschrift: Abklärungsstelle Corona-Virus, Eingang.

© Christophe Gateau/dpa

Leben mit Coronavirus in Berlin: Krank mit Kind und allein mit den Sorgen

Eine Mutter aus Prenzlauer Berg betreut ihre Tochter, hält die Familie am Laufen – und weiß nicht, ob sie infiziert ist. Sie muss funktionieren. So wie Berlin.

Wenn sie aus dem Fenster guckt, sieht sie das Leben da draußen. Sieht Leute, die es sich in der Sonne gut gehen lassen. Die in Schlangen nach Eis anstehen, sich auf Kaffeebänken drängeln. Da draußen ist Frühling. Hier drinnen, in Elisabeths Wohnung, ist Corona. Höchstwahrscheinlich jedenfalls.

Die 37-Jährige aus Prenzlauer Berg hat seit drei Tagen hohes Fieber, sie hustet und schwitzt. Der Kopf tut ihr weh. Im Internet hat sie gelesen, was das heißen könnte. Aber Gewissheit hat Elisabeth nicht. Denn ihre Geschichte, die sie am Telefon erzählt, ist eine ungewisse. Und scheint alle Fragen und Sorgen in sich zu vereinen, die Berlin gerade hat. Und nicht sicher beantworten kann.

Sie hat sich wohl im „Kater Blau“ angesteckt. Oder im Bundestag

Elisabeth arbeitet im Bundestag. Vor einer Woche ist hier der erste positive Corona-Fall bekannt geworden. Am vorletzten Wochenende war sie feiern im Club „Kater Blau“. Später wurde bekannt, dass an jenem Wochenende hier ein am Virus Infizierter mit hunderten anderen Menschen getanzt hat. Elisabeth könnte sich überall angesteckt haben. Und sie könnte andere überall angesteckt haben. Könnte.

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Seit Mittwoch vergangener Woche fühlt sie sich nicht gut, am Donnerstag blieb sie mit ihrem Husten lieber zu Hause, an diesem Wochenende kam hohes Fieber hinzu. Nachdem sie las, dass sie eine Kontaktperson im „Kater Blau“ gewesen sein könnte, schrieb Elisabeth dem Gesundheitsamt. Das meldete sich zurück: Sie solle zu Hause bleiben bis zum 26. März. Kurz danach las sie, dass sie ihre achtjährige Tochter am Montag noch zur Schule schicken soll. Elisabeth verstand die Signale nicht, die ihr Berlin sendete. Sie verstand nur die Signale ihres Körpers: dem ging es nicht gut.

Die Schlange für den Virustest war zu lang

Am Montag wollte sich Elisabeth testen lassen. Sie schleppte sich zum Krankenhaus an der Fröbelstraße; dort warteten 100 Leute dicht an dicht, um sich auf den neuartigen Virus testen zu lassen. Ein Mann, der in der Mitte der Schlange stand, erzählte ihr, dass er schon seit fünf Stunden warten würde. „Ich wusste, dass ich das nicht kräftemäßig durchstehe und bin wieder nach Hause gegangen“, berichtet Elisabeth. Sie wandte sich nun an ihre Hausärztin. Doch die ließ ausrichten, sie könne derzeit keine Tests anbieten. In der Praxis ist die dafür nötige Schutzkleidung ausgegangen. Es sind viele kleine Probleme, die sich zu einem immer größer werdenden verdichten. So geht es Berlin gerade. So geht es auch Elisabeth.

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Sie ist jetzt zu Hause. Ihr Mann, normalerweise Geschäftsführer einer Firma in Bayern und nur am Wochenende bei der Familie in Berlin, ist ebenfalls ins Homeoffice gewechselt. Um das Kind kann er sich aber nur kümmern, wenn er mal eine Pause hat, sagt er. Die Schule der Tochter hat inzwischen Schulaufgaben geschickt. Elisabeth muss jetzt mit dem Kind lernen und es betreuen, für die Familie auch am Tage kochen, Wohnung und Alltag am Laufen halten. Sie überlegt, wer für die alten Leute in ihrem Mietshaus einkaufen gehen könnte; wie sie ihre Tochter beschäftigen kann ohne sie auf den Spielplatz zu schicken. Und sie muss sich auskurieren.

Elisabeth ist krank geschrieben, soll aber funktionieren. So wie ihr geht es Berlin – einer Millionenstadt, die sich in ihre Einzelteile zerlegen und diese isolieren muss und dabei auf die Hilfe aller angewiesen ist. Elisabeth fragt sich, wann die Leute da draußen, die sorglos in der Sonne sitzen, das auch merken. Drinnen jedenfalls, in ihrer Wohnung, ist Corona. Höchstwahrscheinlich jedenfalls.

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