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Aus praktischen Gründen soll man momentan besser alleine laufen. 

© imago images/Jens Schicke

Lauf-Knigge in Coronazeiten: Die wichtigsten Tipps rund ums Joggen

Berlin steht still. Doch viele sind in Bewegung. Individualsport ist trotz Coronavirus noch erlaubt und so entdecken offenbar immer mehr Menschen ihr neues Hobby: Laufen.

Man sieht sie jetzt überall – wenn auch nicht immer elegant. Die Beine schlenkern, die Arme rudern, manche tragen Sneakers oder abgeschnittene Jeans, sogar Kaugummi kauen manche beim Joggen. Es gilt das olympische Motto: Dabei sein ist alles. Selbst Star-Virologe Christian Drosten hat sich in seinem Podcast als Läufer bekannt. Joggen sei „vollkommen ungefährlich“. Was es trotzdem zu beachten gibt, erfahren Sie hier:

Darf man noch laufen?

Ja. In der Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus vom Berliner Senat heißt es unter Punkt 5 § 14: „Sport und Bewegung an der frischen Luft, alleine, mit Angehörigen des eigenen Haushalts oder mit einer anderen Person, ohne jede sonstige Gruppenbildung“ ist bei einem „Mindestabstand von 1,5 Metern“ erlaubt. Aus praktischen Gründen laufen Sie aber am besten allein. So können Sie einfacher Abstand beim Überholen halten und blockieren keine Wege.

Warum sollte man laufen?
Ganz unabhängig von Corona fördert regelmäßiges Laufen die Gesundheit. Die WHO empfiehlt aus gesundheitlichen Gründen wöchentlich Bewegung von 150 bis 300 Minuten. Laufen stärkt das Herz-Kreislauf-System, maximiert die Lungenleistung und es kann die Funktion des Immunsystems verbessern. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Schlaganfall oder Bluthochdruck wird vorgebeugt. Da diese zu den sogenannten Vorerkrankungen führen können, von denen im Zusammenhang mit dem Coronavirus zu lesen ist, ist laufen gerade jetzt eine gute Idee. Virologe Christian Drosten hält Sport aktuell für „total wichtig“, das Laufen könne Menschen in diesen Zeiten psychische Stabilität geben.

Coronakrise und Osterfest - mehr bei Tagesspiegel.de:

Kann man sich beim Laufen mit dem Coronavirus anstecken? 
Theoretisch ja, praktisch ist das – wenn man die üblichen Sicherheitsregeln beachtet – unwahrscheinlich. Laut WHO schwebt das Virus bei der Tröpfcheninfektion im Freien nur kurz durch die Luft. Größere Tröpfchen entstehen beim Husten, Niesen oder Sprechen. Sie können Viren enthalten, fallen jedoch normalerweise recht schnell zu Boden.

Wie viel sollten Anfänger laufen?
Paul Schmidt-Hellinger, Sportmediziner an der Charité und Langstreckenläufer, sagt dazu: „Das kommt auf die Vorerfahrung an. Wenn ein notorischer Sportmuffel jetzt der Wohnung entfliehen will, kann das schnell orthopädische Folgen haben. Wer sonst wirklich gar nichts macht, sollte am Anfang nur 30 Minuten Sport pro Woche treiben, sonst kann es zu einer Überlastung des Muskel-Sehnen-Apparats kommen. Man kann beispielsweise mit Einheiten beginnen, bei denen man zehn Mal eine Minute joggt und dazwischen eine Minute geht. Woche für Woche kann man sich dann um zehn Prozent steigern. Das klingt wenig, gerade jetzt, wo man so viel Zeit hat, aber wer ohne Training direkt dreimal die Woche eine Stunde läuft, ist nach drei Wochen wahrscheinlich verletzt und komplett raus.“

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Wie schnell darf man laufen?
Es gibt dazu viele Lauf-Sprichwörter: „Schweigen ist Silber, Reden ist Gold“ oder „Laufen ohne Schnaufen“ sind die bekanntesten. Wer eine Oper schmettern kann, läuft vermutlich zu langsam, wer sich nicht mehr unterhalten kann, vermutlich zu schnell. Wer es ein bisschen wissenschaftlicher will: Beim lockeren Joggen sollte der Puls maximal bei 70 Prozent des Maximalpulses betragen.

Muss ich mich warmmachen?
„Die Erwärmung bereitet den Körper auf die Belastungen vor“, sagt SCC-Lauftrainerin Nathalie Baron: „Ziel ist es die Durchblutung und Kontraktions- und Entspannungsfähigkeit der Muskulatur zu erhöhen, um so ihr Aktivitätsniveau zu verbessern und vor Verletzungen zu schützen. Außerdem wird die Nervenleitgeschwindigkeit erhöht, wodurch wir zum Beispiel eine ökonomischere Arbeitsweise erzielen können.“

Wie wärme ich mich richtig auf?
Nochmal SCC-Trainerin Nathalie Baron: „Am besten ist ein Mix aus Gymnastik und Lauftechnik. Die gymnastischen Übungen, also das Dehnen, sollte dynamisch erfolgen. Statisches Dehnen erhöht die Verletzungsgefahr. Um sich motorisch auf die Laufbewegungen einzustimmen und zur Verbesserung der Technik, sollte auch immer eine spezifische Erwärmung in Form von Lauf ABC Übungen absolviert werden. Die Dauer der Erwärmung ist immer von Inhalt und der Intensität der Trainingseinheit abhängig. Bei maximalen Belastungen sollte die Erwärmung mehr Zeit in Anspruch nehmen, als bei einem Grundlagenausdauertraining. Als Richtwert kann man circa 10 bis 30 Prozent der Dauer der Trainingseinheit für den Vorbereitungsteil aufwenden. Will man also eine Stunde locker laufen, reichen 10 Minuten Erwärmung aus.

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Wo bekomme ich jetzt einen passenden Sportschuh her?
Wenn Sie jetzt mit dem Laufen beginnen und noch keinen Laufschuh haben, ist das ein Problem. Der erste Laufschuh sollte idealerweise mit einem Experten nach einer Laufbandanalyse ausgewählt werden. Weil das aktuell nicht möglich ist, bleiben Ihnen zwei Möglichkeiten: Sie warten bis die Läden wieder öffnen oder Sie bestellen vier, fünf Paar und probieren sie zu Hause aus. Passt der Schuh beim ersten Reinschlüpfen, wackelt der Fuß nicht, gibt es keine Druckstellen, ist schon viel gewonnen. Wenn Sie einen alten Laufschuh haben, können Sie versuchen, ein Folgemodell der gleichen Marke zu bestellen. Oft verändern Hersteller ihre Modelle über die Jahre nur geringfügig. Wichtig ist der Laufschuh in jedem Fall. Sneakers mögen sportlich aussehen, können aber bereits bei Laufumfängen von mehr als zehn Minuten zu orthopädischen Schäden führen.

Braucht es App und Uhr? 
Nein, für den Anfang definitiv nicht. Uhren sind gut zur Kontrolle, ob Sie zu schnell laufen, wie lange Sie schon unterwegs sind und können Sie – sollten Sie sich verlaufen – notfalls wieder nach Hause bringen. Apps können motivierend wirken, um das begonnene Training fortzusetzen. Man kann für Apps, Uhren und andere Ausrüstung ein Vermögen ausgeben – man muss es aber nicht.

Kann ich den ausgefallenen (Halb-)Marathon einfach allein oder in der Wohnung laufen? 
Berliner Halbmarathon, 25 km de Berlin, Flughafenlauf...immer mehr Läufe in Berlin mussten wegen des Coronavirus bereits abgesagt werden. Einige Läufer wollen sich damit nicht abfinden und absolvieren trotzdem die Strecke allein und teils in Bestzeit. „Hoch fahrlässig“, findet das Sportmediziner Paul Schmidt-Hellinger: „Nach einer Ausbelastung wie einem Halbmarathon ist das Immunsystem bis zu 72 Stunden eingeschränkt. Die Schleimhäute sind ausgetrocknet, der Körper ist weniger resistent gegen Erkältungsviren wie Covid-19. In der Medizin sprechen wir vom „Open Window Phänomen“. Wir Sportler haben eine Vorbild-Funktion. Wenn ich jetzt online gepostete Bestzeiten sehe, kann ich nur den Kopf schütteln. Ein Marathon in der Wohnung ist völliger Quatsch. Durch die vielen kleinen Richtungswechsel besteht eine erhöhte Verletzungsgefahr.“

Wie viel Abstand sollte ich halten? 
Es gibt dazu noch wenige valide Studien. Eine der ersten, die sich zu Abstand für Sportler wegen Corona beschäftigt hat, stammt aus Belgien (Uni Löwen) und den Niederlanden (TU Eindhoven). Darin heißt es, dass hintereinandergehende Menschen vier bis fünf Meter Abstand halten sollten. In dieser Zeit können etwaige Viren absacken und damit von der nächsten Person nicht mehr eingeatmet werden. Wer joggt oder langsam Rad fährt, sollte zehn Meter Abstand nach vorne lassen. Bei schnellem Radeln verdoppelt sich die Empfehlung. Seitlich reichen die vorgeschriebenen 1,5 Meter

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Macht es Sinn, mit einem Mundschutz zu laufen?
Dazu nochmal Sportmediziner Schmidt-Hellinger: „Ein Mundschutz verhindert, dass wir – sollten wir unbemerkt den Virus in uns tragen – andere anstecken. Ich laufe im Winter mit Tuch, weil sich dadurch die Luft besser anfeuchtet und die Schleimhäute nicht austrocknen. Das kann man auch jetzt machen, entscheidend ist aber der Abstand.“

Wie verhalte ich mich gegenüber Spaziergängern? 
Nehmen Sie Rücksicht! Viele Spaziergänger haben sich in den vergangenen Tagen über Läufer beschert, die sie eng überholten, anschnauften oder gar berührten. Das muss nicht sein. Suchen Sie sich große Grünanlagen, laufen Sie nicht nur zu den Stoßzeiten. Zu Sonnenauf- und -untergang ist traditionell weniger los als vor- oder nachmittags. In kleineren Parks läuft der überwiegende Teil der Sportler Runden oft in eine Richtung – schwimmen Sie mit, statt gegen den Strom. Laufen Sie außerdem an Engstellen vorausschauend und halten sie notfalls auch mal kurz an – eilig haben wir es aktuell doch wirklich nicht.

Wo gibt es die besten Laufstrecken in Berlin?
Aktuell gilt: Je mehr grün, desto besser. Kleinere, zentrale Anlagen wie der Volkspark-Friedrichshain, Gleisdreieckpark oder der Park am Schloss Charlottenburg waren in den vergangenen Tagen schon häufig brechend voll. Um den nötigen Abstand zu halten, empfehlen sich große Grünflächen wie Tempelhofer Feld, Tiergarten oder Spreepark. Die Zeit an den Ostertagen kann man aber vielleicht auch nutzen, um eine neue Laufstrecke am Stadtrand kennenzulernen. Mit dem Fahrrad zum Grunewald und von dort los ist vielleicht ja auch mal eine schöne Alternative. Aber auch Strecken an Straßen, die sonst viel befahren sind, können jetzt attraktiv sein, weil der Verkehr über Ostern nahezu zum Erliegen kommen dürfte.

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