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Entenfüße fühlen sich warm an, sagt Kay Fischer.

© Stefan Jacobs

Langer Tag der Stadtnatur: „Die entzückendste Ente, die ich je hatte“

Täglich trifft Kay Fischer sich mit Enten im Park. Am Langen Tag der Stadtnatur darf man ihm und anderen in die Wildnis folgen. Jetzt gibt es Tickets.

Der Stadtpark Steglitz ist ein beliebtes Idyll aus Wiesen, Wegen, Hecken und Teichen. Jogger, Flaneure und Radfahrer ziehen ihre Bahnen – und auf den Wasserflächen die Enten, deretwegen Kay Fischer nach Feierabend hier ist wie an fast jedem Tag seit seiner Kindheit. Da er inzwischen allerdings auf die 50 zugeht, hat Fischer nun einen Campinghocker dabei – damit die Knie nicht so schmerzen beim Entenflüstern.

Kay Fischer ist einer von Hunderten, die beim Langen Tag der Stadtnatur am 16. und 17. Juni das Programm bestreiten. Ein Programm, das die Berliner scharenweise lockt und vor allem dadurch fasziniert, dass es teils direkt vor der Haustür stattfindet. Oder eben im Park, wo Fischer sich jetzt an der Böschung eines Teichs niedergelassen hat, um die Enten zu beobachten.

Könnte gut sein, dass einer seiner beiden Adalberts dabei ist. Die Adalberts sind Erpel, die einst die Küken von Radieschen waren, ebenfalls einer alten Bekannten von Fischer. Sie sind neben Schneckchen seine Bekanntschaften, die er täglich besucht, wenn er aus dem Büro kommt.

Angefangen hat alles 2003 mit der sympathisch friedlichen Elfriede, und wahre Liebe wurde es dann mit Maus. „Die entzückendste Ente, die ich je hatte“, sagt Fischer. „Schon, weil sie mich ausgesucht hat und nicht ich sie.“ Er staunte, wie sie ihre Küken im Griff hatte und wie sie zu den neun eigenen noch sechs Waisenküken adoptierte, was in der Natur selten vorkommt. „Und sie hat alle durchgebracht“, trotz der Krähen und der Hunde.

Plötzlich Entenvater - zehn lange Minuten

Im Jahr darauf aber mied die Ente Maus Kay Fischer. An einem Morgen im Mai sagte der zu ihr: „Stellst du mir heute Abend deine Küken vor?“ Als er abends wiederkam, erschien auch Maus – mit ihren Küken.

Noch romantischer ist es seitdem nicht mehr geworden. Maus verbrachte ihren Lebensabend am nahen Teltowkanal. Aber abends, wenn Fischer Feierabend hatte, trafen sie sich weiter im Park.

Fischer kann Geschichten erzählen von Entenfamilien, die sich in Ringformation gegen einen Fuchs zusammengetan und ihn mit penetrantem Gequake vertrieben hätten. Von Stürmi, die er acht Jahre lang beobachtet habe – ein langes Entenleben in freier Natur. Und von der Ente Niedlichguck, die ihm wegen dringender Erledigungen irgendwo anders im Park zwei Mal ihre Küken überließ. Je zehn Minuten, die sich für den plötzlichen Entenvater Fischer deutlich länger anfühlten. Minuten, in denen Fischer auf der Wiese im Stadtpark saß und sich die Bewegungen ausmalte, mit denen er im Falle einer Hundeattacke die Küken beschützen würde. Bange Minuten – bis Niedlichguck über die Wipfel zurückgeflogen kam und ihre Kinder übernahm.

Fischer weiß viel übers Leben der Steglitzer Enten. Unterscheiden kann er sie aber nicht, sofern es sich nicht gerade um Humpli handelte, die trotz ihrer Gehbehinderung das raue Leben meisterte. Wenigstens bei den Erpeln im Frühjahr gibt es Unterscheide bei den Schwanzlocken, „ihrer Reizwäsche“. Der eine, der gerade mit seinem rosa Fuß auf seine Hand steigt, um ein Haferflöckchen aus der anderen Hand zu schnappen, ist wohl keiner der beiden Adalberts: zu scheu. Die Adalberts leben in einer Dreierbeziehung, und einer von beiden ist mutig genug, sich auf Fischers rechte Hand zu setzen und seine linke auf dem Rücken zu spüren. Entenfüße, obwohl sie wie Gummi aussehen, fühlen sich warm und weich an, sagt Fischer, aber man spüre auch die Krallen. Damit er den Enten so nahe kommt, bringt er ein paar wenige Haferflocken und ganz viel Zeit mit. Brot wäre wie Fast Food, sagt er: in Maßen verträglich, aber bei regelmäßigem Verzehr ungesund – bis hin zu Spätfolgen wie zu dünnen Eierschalen.

Beim Langen Tag der Stadtnatur wird Kay Fischer beispielsweise erzählen, dass Enten im Frühjahr auch Pusteblumen und im Herbst Eicheln fressen, die dann als Beule durch ihren Hals rutschen wie im Trickfilm. Maximal 20 Leute können sich für die Führungen am Samstag um 17 und Sonntag um 14 Uhr anmelden. Zum Sonntagstermin habe sich bereits der Finanzsenator angekündigt.

Hauptsponsor ist diesmal die Umweltverwaltung

Es sind einige Politiker dabei in diesem Jahr. Das mag auch daran liegen, dass die Umweltverwaltung des Senats zum Hauptsponsor des Wochenendes aufgestiegen ist. Von den rund 500 Veranstaltungen sind in diesem Jahr etwa 80 neu, sagt Wolfgang Busmann, Projektleiter bei der Stiftung Naturschutz. Dass es nicht von Jahr zu Jahr immer mehr Veranstaltungen werden, liege auch daran, dass viele langjährig Beteiligte auch selbst endlich mal teilnehmen wollen – und deshalb beispielsweise nur noch eine Tour anbieten statt vier wie bisher. Die Stiftung selbst beteiligt sich mit gut 60 Aktiven – und lädt beispielsweise zum Molchfangen in den Karower Teichen. „Ich hoffe, dass da ganz viele Sechs- bis Zwölfjährige dabei sind, die später mal Naturforscher werden wollen“, sagt Busmann.

Berlins bekanntester Naturforscher Derk Ehlert verbringt das Stadtnatur-Wochenende im Wesentlichen auf dem Ausflugsdampfer, der insgesamt acht Runden über den Tegeler See dreht. Die Schiffstouren mit dem Wildtierexperten gehören zu den gefragtesten Veranstaltungen. „Ich freue mich jetzt schon drauf“, sagt Ehlert. „Denn so erreiche ich mehrere tausend Menschen, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.“ Also Dampfer fahren, Kaffee trinken und dabei die Augen geöffnet bekommen für die faszinierenden Dinge um sie herum, die sie sonst vielleicht nie bemerkt hätten. Das kann am See eine Biberburg sein, aber eben auch das Moos an der Mauer, das Krabbelparadies in der ungemähten Wiese, die Bienen auf dem Hochhausdach, die Blümchen auf begrünten BVG-Tramgleisen oder die Eidechsen im verrumpelten Garten. Alles Nachbarn, denen die meisten nur einmal im Jahr begegnen, obwohl sie nie weg sind.

INFOS ZUR TICKETBUCHUNG

Der Lange Tag der Stadtnatur dauert 26 Stunden und findet 2018 am Wochenende 16./17. Juni statt. Das Programm steht bereits online, aber erst ab diesem Dienstag (22. Mai) um 12 Uhr können Tickets gekauft und Plätze reserviert werden – online unter langertagderstadtnatur.de sowie in den Kundencentern der BVG, in Thalia-Buchhandlungen, Denn’s-Biomärkten und Weichardt-Bäckerfilialen. Ein Ticket für alle Veranstaltungen kostet 7 Euro (ermäßigt: 5), Kinder bis 17 Jahre haben in Begleitung Erwachsener freien Eintritt. Wer nur eine der rund 500 Veranstaltungen besuchen will, kann direkt dort ein Einzelticket für 4 Euro kaufen. Für einige Veranstaltungen sind aber Reservierungen nötig (für 1 Euro pro Platz, siehe Programmheft); online oder telefonisch bei der Stiftung Naturschutz Berlin: (030) 26 39 41 41. Es empfiehlt sich, besonders gefragte Termine wie die Bootstouren bald zu buchen.

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