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Dunkle Stunden: Mit dem Fackelzug der Nationalsozialisten durchs Brandenburger Tor am 30. Januar 1933 - hier auf einem Foto im Deutschen Historischen Museum - fing die Zerstörung der Vielfalt in Deutschland an.

© picture alliance / dpa

Lange Nacht der Museen: Das Licht vor dem Schatten

Vielfalt statt Zerstörung: Die Lange Nacht der Museen feiert Musik, Kunst und Lebenskultur der Goldenen Zwanziger mit Swing-Kursen und vielen Sonderaktionen.

Trainingsanzüge waren in den Zwanzigerjahren noch nicht in Mode, erst recht nicht, wenn es zur Tanzveranstaltung in den Ballsaal gehen sollte. Dort waren Glitzerkleid und federbesetztes Haarband angesagt. Claire Chen aber lebt heute, und deswegen hat sie sich eine gemütliche Trainingsjacke übergezogen. „Swing ist ein sportlicher Tanzstil“, sagt sie, pro Abend brauche man drei bis vier Wechselgarnituren. Bei so viel Training hätte sie sicher auch in der Blütezeit des Lindy Hop und des Charleston eine gute Figur auf der Tanzfläche gemacht. Ihre silbern ummalten Augen lassen den Glanz der Goldenen Zwanziger erahnen, sie strahlt, wenn sie von dieser Ära erzählt. „Es sind lebensfrohe und lustige Tänze, am besten geeignet für Leute, die innerlich kindlich geblieben sind“, schwärmt die 29-Jährige, die in Kreuzberg eine eigene Swing-Tanzschule betreibt.

Am Sonnabend will sie im Kulturforum mit ihrem Tanzpartner Daniel Ludevig den Junggebliebenen unter den Museumsbesuchern den Charleston näherbringen. Denn der Swing gehört nicht nur zu den Roaring Twenties wie die auch in Berlin gefeierte Tänzerin Josephine Baker, sondern auch zu den Kulturformen, die die Nationalsozialisten ab 1933 unterdrückten. Ausgelassenheit und Rebellion passten nicht in ihre Ideologie. Und so konnten die jungen Wilden nur noch in geheimen Kellerbars ihre Körper zu jazziger Tanzmusik schütteln, Berlins Swing-Szene ging in den Untergrund.

„Zerstörte Vielfalt“ ist diesmal das Motto der Langen Nacht der Museen, in Anlehnung an das Themenjahr zum 80. Jahrestag der Machtergreifung. Dabei soll die Vielfalt im Vordergrund stehen, nicht die Zerstörung, findet Gabriele Mikette, Sprecherin der Organisatoren. „Es geht nicht darum, das Naziregime zu zeigen“, sagt sie. „Der Fokus liegt auf dem Berliner Leben der Zwanzigerjahre.“ Und dazu gehören eben nicht nur bildende Kunst und klassische Werke jüdischer Komponisten, die unter den Nazis nicht mehr gespielt werden durften. Verfolgung und Gleichschaltung trafen auch die Populärkultur und damals bekannte Persönlichkeiten der Stadt, von denen heute zum Teil niemand mehr weiß. Ihre Gesichter sind überall präsent – ob auf den Säulen am Lustgarten oder in den Vitrinen des Bröhan-Museums, das drei jüdische Keramikerinnen und ihre avantgardistische, vom Bauhaus geprägte Töpferkunst vorstellt. Ein Handwerk ausüben, berufstätig sein, einen Betrieb leiten: Das wurde für viele Frauen erst in den Zwanzigern denkbar – und wenig später wieder unmöglich gemacht.

Es wird eine lange Nacht für die Büste der Nofretete. Zum ersten Mal ist das Neue Museum bei der Großveranstaltung dabei.
Es wird eine lange Nacht für die Büste der Nofretete. Zum ersten Mal ist das Neue Museum bei der Großveranstaltung dabei.

© picture alliance / dpa

Nicht alle der teilnehmenden 72 Museen haben eigene Ausstellungen zum Thema der Langen Nacht. Computerspiele etwa gehören zu den Dingen, die auf den ersten Blick nicht viel mit den Zwanzigern zu tun haben. Im Computerspielemuseum schlägt man trotzdem den Bogen zur Machtergreifung: Eine Sonderausstellung beschäftigt sich mit Rassismus und Ausgrenzung in Computerspielen. Andere Häuser haben ein Rahmenprogramm zum Schwerpunktthema gestaltet: Im Deutschen Historischen Museum kann man das verlorene Kulturgut akustisch erfahren, indem man Klezmer und Gypsy-Musik lauscht. Und einige Programmpunkte scheinen wie gemacht für eine Zeitreise in den schillernden Lebensstil der feierlustigen Berliner vor achtzig Jahren. So erinnern in der Classic Remise auf Hochglanz polierte Oldtimer an eine Zeit, in der man zur Fahrt ins Grüne noch Handschuhe anzog und einen Hut aufsetzte.

Informationen zur Langen Nacht der Museen.

TICKETS UND PREISE

Das Kombiticket kostet 18 Euro, ermäßigt zwölf Euro. Mit dem Ticket kommt man von 18 bis 2 Uhr in alle teilnehmenden Museen und Veranstaltungsorte. Außerdem gilt es zwischen 15 und 5 Uhr als Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr, inklusive der Shuttlebusse, die ab 18 Uhr alle sechs Routen vom Kulturforum am Potsdamer Platz abfahren. Die Tickets gibt es in allen teilnehmenden Museen, an den Automaten der BVG und der S-Bahn (allerdings nur ohne Ermäßigung) und an allen Theaterkassen zuzüglich Vorverkaufsgebühr. Am Veranstaltungstag öffnet die Abendkasse im Kulturforum am Potsdamer Platz und in den teilnehmenden Museen um 17 Uhr.

ZEITEN UND ORTE

Zentrum der Langen Nacht ist wie jedes Jahr das Kulturforum. Dort spricht Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, um 18.15 Uhr die Grußworte. Eine Übersicht über alle 355 Veranstaltungen und die 72 Veranstaltungsorte findet man unter www.lange-nacht-der-museen.de. Dort kann man sich ein persönliches Programm zusammenstellen und eine App fürs Smartphone herunterladen.

NEUZUGÄNGE

Besonders stolz ist man im Organisatorenteam darauf, endlich das Neue Museum im Boot zu haben. Nun können Museums- Nachteulen erstmals auch die schöne Nofretete und andere ägyptische Kulturschätze bestaunen. Passend zum Schwerpunkt Berliner Kultur in den Zwanziger- und Dreißigerjahren sind diesmal auch echte Oldtimer dabei: In der Classic Remise Berlin glänzen restaurierte Edelkarossen in einem wilhelminischen Straßenbahndepot. Gerade erst eröffnet und schon dabei ist die Gedenkstätte SA-Gefängnis Papestraße. Am Checkpoint Charlie kann man an dem großen Panoramabild des Künstlers Yadegar Asisi nachvollziehen, wie die Mauer und ihre Umgebung vor 30 Jahren aussahen.

Sechs Shuttle-Bus-Routen starten und enden am Kulturforum Potsdam.
Sechs Shuttle-Bus-Routen starten und enden am Kulturforum Potsdam.

© Lange Nacht der Museen

SWINGT DAS BEIN!

Das Kulturforum steht am Sonnabend ganz im Zeichen der Goldenen Zwanziger: Zwischen 19.30 und 22.30 Uhr zeigt das Modeatelier Charming Styles Mode aus den Jahren von 1920 bis 1950. Claire Chen und Daniel Ludevig geben ab 21.00 Uhr eine Einführung in den Charleston. Wer seine frisch erworbenen Tanzkünste gleich ausprobieren möchte, bleibt zum Auftritt von Andreas Hofschneider mit Quartett und Gästen. Von 23 bis 1.15 Uhr spielen sie Musik im Stil Benny Goodmans.

Die Shuttle-Bus-Routen der Langen Nacht.

Der Shuttle-Bus fährt am Sonnabend, dem 16. März, von 18 bis 2 Uhr. Sechs Shuttle-Bus-Routen starten und enden am Kulturforum Potsdam. Die Routen verbinden die 75 Museen, Sammlungen und Kulturinstitutionen. Drei Häuser befinden sich direkt am Kulturforum. Die Routen 2 und 6 bieten zusätzlich eine Zu- und Umsteigemöglichkeit am U-Bahnhof Hallesches Tor.

Route 1

Kulturforum – Varian-Fry-Straße – S Potsdamer Platz/Voßstraße – S+U Brandenburger Tor – Unter den Linden/Friedrichstraße – Lustgarten – Spandauer Straße/Marienkirche – S+U Alexanderplatz/Memhardstraße – Friedenstraße/Weidenweg | Platz der Vereinten Nationen – Danziger Straße

u.a. Science Center Berlin, Akademie der Künste, Deutscher Dom, Museumsinsel, DDR Museum, Deutsches Historisches Museum, Humboldt-Box, Zille Museum, MACHmit! Museum für Kinder

Route 2

Kulturforum – Varian-Fry-Straße – Abgeordnetenhaus – U Kochstraße/Checkpoint Charlie – Jüdisches Museum – U Hallesches Tor

u.a. Topographie des Terrors, Mauermuseum, Checkpoint Charlie, Jüdisches Museum

Route 3

Kulturforum – Lützowplatz – Bayreuther Straße – U Kurfürstendamm – Jebensstraße – S Tiergarten – Bachstraße – Wiebestraße/Huttenstraße – Luisenplatz/Schloss Charlottenburg – Seelingstraße

u.a. Käthe Kollwitz-Museum, Museum für Fotografie, KPM Porzellan-Manufaktur, Schloss Charlottenburg

Route 4

Kulturforum – Varian-Fry-Straße – Leipziger Straße/Mauerstraße – Französische Straße –  Werderscher Markt – U Märkisches Museum – U Kottbusser Tor (Hinweg)/Adalbertstraße/Oranienstraße (Rückweg) – Körtestraße – U Karl-Marx- Straße – Alt Treptow

u.a. Museum für Kommunikation, Kreuzberg-Museum, Museum der Dinge, Archenhold-Sternwarte

Route 5

Kulturforum – Robert-Koch-Platz – S Oranienburger Straße – Osloer Straße/Prinzenallee (nur bis 23 Uhr) – Seestraße/Amrumer Straße

u.a. Museum für Naturkunde, Centrum Judaicum, Labyrinth-Kindermuseum, Anti-Kriegs-Museum

Route 6

Kulturforum – Kaiser-Wilhelm-Platz – Albertstraße – Planetarium – S+U Rathaus Steglitz (Hermann- Ehlers-Platz) – S+U Rathaus Steglitz

u.a. Museum der Unerhörten Dinge, Planetarium und Sternwarte, Blinden-Museum

Rund um das Kulturforum

Gemäldegalerie, Kunstbibliothek, Kunstgewerbemuseum, Kupferstichkabinett, Neue Nationalgalerie

Die Busse der Route 1 fahren alle 8,die der Route 3 alle 10 Minuten, die der Routen 2, 4 und 5 alle 15 Minuten, die der Route 6 alle 30 Minuten.

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