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Lammaugen-Suppe und frittierte Vogelspinne: „Papa, dein Essen ist eklig!“

Der Sohn ist ein äußerst wählerischer Esser geworden. Der kochende Vater revanchiert sich und und geht mit ihm ins neue "Disgusting Food Museum" in Berlin-Mitte.

Von Kai Röger

Unser Abendessen war früher ein Riesenspaß: Ich kochte, der Kleine hatte strahlende Augen und schlug vor Freude mit seinen speckigen Armen auf den Tisch, wenn ihm das Essen serviert wurde. Was es gab, war ihm egal, er liebte praktisch alles, spielte zuerst damit, badete sein Gesicht darin und stopfte es sich lustvoll mit beiden Händen in den Mund. Wir nannten ihn scherzhaft „der Dicke“ oder „Buddha“, weil man ihm den Spaß am Essen auch ansah. Aber das war einmal.

Heute ist er – sagen wir es mal vorsichtig – wählerisch. Dabei leider unbestechlich und in seinem Urteil meistens vernichtend. Wenn das Essen auf dem Tisch steht, beginnt zuerst die Überzeugungsarbeit: „Probier doch mal das hier oder einen kleinen Bissen davon, das schmeckt gut!“ Man kann nicht ahnen, was er sich auf den Teller lädt, er ist maximal unberechenbar. Wovon man aber ausgehen kann, ist, dass es nicht viel sein wird.

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Ich werde dann leicht unruhig, meine Frau merkt das natürlich. „Mach dir keine Sorgen, er wird schon nicht verhungern“, sagt sie zu mir. Ich bewundere schon davor ihren Gleichmut, wenn er anfängt, die Dinge auf dem Teller fein zu separieren. „Trennkost“ nennen wir diese kleinen Inseln. Er erklärte uns, dass er es nicht mag, wenn sich die Speisen vermischen. Wir finden das o. k.

Was ich weniger o. k. finde, ist das, was kommt, wenn ich ihn frage: „Schmeckt’s?“ Keine Ahnung, warum ich mir das antue, ich koche viel, eigentlich jeden Tag. Und brauche wohl Bestätigung – „sogar sehr viel!“, sagt meine Frau. An guten Tagen belohnt er mich mit einem „schmeckt so mittel“ oder „ist ganz o .k.“, selten kommt ein „das kann man so machen“, was das größte Lob ist, zu dem er fähig ist. Ganz schlimm wird es aber, wenn er sein Gesicht verzieht, seinen drahtigen Arm hebt und mit dem Daumen nach unten zeigt.

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Nun muss ich mich sicher fragen lassen, warum mir das Urteil eines Neunjährigen so nahegeht. Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht, kann nur vermuten, dass ich das Gefühl habe, er isst zu wenig und wenn, dann am liebsten das Falsche. Ich versuche, keinen Druck aufzubauen, was mir echt schwerfällt, weil ich gerne erleben würde, wie er zu einem Kampfkoloss heranwächst. Oder wenigstens groß und stark wird.

[Wie Kai Röger versucht, seinem Sohn Schimpfwörter zu erklären und was ein "Kuchensohn" ist, lesen Sie hier. (Abo)]

Als er neulich dem gesenkten Daumen noch ein „das ist ziemlich eklig“ folgen ließ, ist mir der Kragen geplatzt: Ich besorgte Tickets für das „Disgusting Food Museum“, das vor Kurzem in den Räumen eröffnete, wo früher das Currywurst-Museum war. Currywurst mag der Kleine übrigens, nur nicht, wenn ich sie mache. Meine sei „so mittel“. Aber lassen wir das.

Modell "Suppe mit Lammaugen" aus dem "Disgusting Food Museum"
Modell "Suppe mit Lammaugen" aus dem "Disgusting Food Museum"

© Kai Röger

Im Museum für ekliges Essen werden gut 90 Beispiele von schrägen Gerichten ausgestellt, die irgendwo auf der Welt Liebhaber gefunden haben. Darunter findet sich so Erwartbares wie frittierte Vogelspinne und Suppe mit Lammaugen. Aber auch Schockierendes wie die Filme, in denen Kraken und Fische lebend serviert und Gänse mit Sonden gestopft wurden. Das Berliner Schnitzel aus Kuheuter fand der Kleine überraschenderweise ganz appetitlich. Was ihn aber wirklich schockierte, war eine Dose, die unter vielen anderen in einer riesigen Regalwand stand: „Tote Oma“ war auf dem Etikett zu lesen.

Schockierend: Zwischen Dosen mit "Sauren Nierchen", Vogelspinne und Tigerhoden findet sich auch eine mit "Tote Oma".
Schockierend: Zwischen Dosen mit "Sauren Nierchen", Vogelspinne und Tigerhoden findet sich auch eine mit "Tote Oma".

© Kai Röger

Ihm klappte die Kinnlade nach unten. Ich ließ mir Zeit, ihm zu erklären, dass es sich dabei um eine ostdeutsche Spezialität mit Blut- oder Grützwurst handelt. Ich weiß, ich bin ein schlechter Vater. Aber ich habe jede Sekunde dabei ausgekostet.
Adresse: Disgusting Food Museum, Schützenstraße 70, Mitte, Fr–Di 11–19 Uhr, disgustingfoodmuseumberlin.berlin

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