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An vielen Bundesstraßen gibt es keine Radwege.

© Andreas Klaer

Lahmender Radstrecken-Ausbau an Bundesstraßen: Immer weniger neue Radwege, seit Scheuer im Amt ist

2020 wurden weniger Kilometer neue Radwege an Bundestraßen gebaut, als im Jahrzehnt zuvor. Seit der Amtszeit von Andreas Scheuer fällt der Wert deutlich.

Auf dem Sattel sitzend mit Fahrradhelm auf dem Kopf, so posiert Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerne für Pressefotos. Sich selbst nennt er „Fahrradminister“. Doch auf deutschen Straßen ist von diesem Engagement bislang noch nicht viel zu sehen.

Seit Scheuer im Amt ist, sind jährlich deutlich weniger neue Radwege entlang von Bundesstraßen fertiggestellt worden als in den beiden Legislaturperioden zuvor. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) auf die Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (Grüne) hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.

Tiefpunkt war demnach das Jahr 2020. Lediglich 103 Kilometer neue Radwege wurden bundesweit entlang von Bundesstraßen errichtet. Der niedrigste Wert seit mehr als einem Jahrzehnt. Aber auch in den Vorjahren lagen die Werte im Schnitt deutlich niedriger, seit Scheuer das Bundesverkehrsministerium führt.

Im Jahr 2019 entstanden 159 neue Kilometer Strecke, 2018 waren es 150 Kilometer. Noch in der Amtszeit seines Vorgängers Alexander Dobrindt (CSU) wurden in den Jahren 2014 bis 2017 im Durchschnitt jährlich mehr als 186 Verbindungen für Radfahrer:innen an Bundesstraßen fertiggestellt. Zwischen 2010 und 2013 entstanden durchschnittlich 250 Kilometer Radwege pro Jahr.

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Laut Bundesverkehrsministerium bestanden Anfang Januar 2020 an 41 Prozent aller Bundesstraßen Radwege. Insgesamt kam das Netz zum damaligen Zeitpunkt auf eine Länge von 15.622 Kilometer. Aus Sicht des Verkehrsministeriums bestehe damit ein „sehr hoher Ausstattungsgrad mit Radwegen“, wenn man berücksichtige, dass es häufig ein geeignetes Parallelwegenetz gebe und somit Radwege nicht zwingend an den Bundesstraßen liegen müssten. Zudem sei „an topografisch ungünstigen Bundesstraßenabschnitten ein Radwegebau nicht sinnvoll“.

Wieso genau der Radwegebau 2020 so stark eingebrochen ist – ein möglicher Grund könnten die Folgen der Corona-Pandemie sein – und der Ausbau auch in den Vorjahren hinter den Werten früherer Legislaturen zurückgefallen ist, beantwortete das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage des Tagesspiegels nur ausweichend. „Die Länder planen, bauen und betreiben die Bundesstraßen in Auftragsverwaltung; hierzu gehören auch die Radwege an Bundesstraßen“, teilte eine Sprecherin mit. Wenn weniger gebaut wird, liege dies also an den Bundesländern und nicht am Bund.

„Das BMVI stellt für den Radwegebau an Bundesstraßen jährlich rund 100 Millionen Euro bereit. Es kommt nun darauf an, dass die Länder entsprechende personelle und finanzielle Planungsressourcen im Rahmen der Auftragsverwaltung vorsehen“, teilte die Sprecherin mit. Diese Summe wurde in den vergangenen Jahren allerdings nie abgerufen. Zwischen 2017 und 2020 flossen jährlich zwischen 69,3 und 85,1 Millionen Euro in den Radwegeausbau durch die Länder.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) inszeniert sich gerne als "Fahrradminister".
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) inszeniert sich gerne als "Fahrradminister".

© imago images/Political-Moments

Um künftig mehr Radwege an Bundesstraßen zu errichten, hat das BMVI im April 2020 einen Strategiewechsel vollzogen. Die Länder müssen nun grundsätzlich beim Neu-, Um-, oder Ausbau von Bundesstraßen einen neuen Radweg mitplanen, wenn noch keiner entlang der Strecke besteht.

Stefan Gelbhaar, Sprecher für Verkehr der Grüne-Bundestagsfraktion, zieht dennoch eine kritische Bilanz: „Verkehrsminister Scheuer hat es in seiner Amtszeit verpasst, den Radverkehr tatsächlich voranzubringen.“ Die Bundesmittel für Radwege blieben seit Jahren liegen. „Es reicht für einen Verkehrsminister nicht aus, lustige Videos mit schiefen Helmen zu produzieren.“ Spätestens seit dem E-Bike-Boom könnten Fahrräder über kurze und mittlere Strecken bis 20 Kilometer eine umweltfreundliche Alternative bieten.

Doch viele Menschen hätten zurecht Angst mit dem Fahrrad auf Straßen gemeinsam mit Autos zu fahren, sagte der Pankower Bundestagsabgeordnete. „Wir brauchen ein Radnetz in ganz Deutschland. Das ist für Strecken außerorts auf dem Land besonders wichtig“, erklärte Gelbhaar. Dafür müsse neben Ländern und Kreisen auch der Bund seinen Teil beitragen.

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