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Die Rechnung des Baufirma und das Beiblatt des Bundesamtes für Bauwesen.

© Tsp

Kurioser Fund in Schöneberg: 3-Millionen-Euro-Rechnung aus dem Kanzleramt lag auf der Straße

Mitten in Berlin-Schöneberg liegt eine nasse Rechnung für die Sanierung des Kanzleramts über 2.978.580,27 Euro. Wie kam sie dahin?

Am Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg liegt ein Blatt Papier auf dem Boden, durchnässt, verschmutzt und mit Schuhabdrücken drauf. Es tröpfelt an diesem Samstag, 25. Mai 2019, vom Himmel. Ein klarer Fall von Durchfeuchtung. Aber dazu später mehr.

„Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung“, kurz BBR, steht da. Und: „Sanierung Bundeskanzleramt Tiefgaragenabdichtung.“ Ausgeführt vom 31. März bis zum 24. April.

Es handelt sich um die zwölfte Abschlagsrechnung, Grundbetrag 2.978.580 Euro und 27 Cent. Also fast drei Millionen Euro. Zunächst waren offenbar nur 1,272 Millionen Euro vorgesehen, dann gab es Nachträge.

Auf der Rückseite findet sich das „Rechnungsdatenbeiblatt“ des Bundesbauamtes vom 3. Mai, darauf noch größere Summen: Der Vertragswert beläuft sich auf 3,786 Millionen Euro. Die „Haushaltsmittel (Objekt)“, also zum Kanzleramt, sind mit 244 Millionen Euro beziffert – eine Viertel Milliarde Euro. Auf beiden Seiten: handschriftliches Gekrakel. Offenbar war jemand mit den Summen nicht einverstanden. Der Abschlag von fast 600.000 Euro ist zu zahlen an eine große Baufirma mit Sitz in Niedersachsen.

Das ist bestimmt heißes Material, denkt sich der Finder, nimmt es mit, trocknet es und wundert sich: Das Kanzleramt ist doch ein Hochsicherheitstrakt. Warum liegt diese Rechnung einfach so auf der Straße? Und worum geht es überhaupt?

Im Internet gibt es zum Thema „Sanierung Bundeskanzleramt Tiefgarage“ mehrere Treffer. Zu finden sind dort Fotos einer Spezialfirma für Trockenlegung, riesige Pfützen in der Tiefgarage, dort wo Bunkerfans auch die geheimen – ja, richtig – Bunker des Kanzleramts vermuten. Jedenfalls ist bei diesen Bildern klar, warum die Limousinen am Kanzleramt draußen alles zuparken und nicht in die Garage fahren.

Bundeskanzleramt schon lange marode

Der Tagesspiegel berichtete bereits Ende 2016: „Auch das Kanzleramt steht seit Jahren auf der Liste der maroden Bundesbauten. Immerhin regnet es Angela Merkel inzwischen nicht mehr ins Arbeitszimmer herein. Dafür ist immer noch der Keller feucht, dem BBR zufolge wurden ,in der Tiefgaragendecke einzelne Undichtigkeiten entdeckt, deren Sanierung ab 2016 vorgesehen ist’. Wenn es regnet, müssen nun Pumpen angeworfen werden, die das Wasser abführen.“ 

Und zwei Jahre später berichtete der Tagesspiegel über eine „langjährige Durchfeuchtung“: Ein Regierungssprecher meine damit aber den „Wasserschaden in der Tiefgarage – nicht die Groko, die ja seit Jahren gegen Verschleißerscheinungen kämpft und ebenso wie Merkels Amtssitz stark sanierungsbedürftig erscheint“. Ja, der Zustand der Groko, auch so ein Dauerthema.

Der Tagesspiegel berichtete im Oktober 2018: „Die undichte Stelle in der Kanzler-Garage soll bis 2019 ausgebessert sein – für 5,5 Millionen Euro. Einen Teil davon muss möglicherweise die ,Errichterfirma’ bezahlen. Das Bundesbauamt klagt wegen der ,Durchfeuchtung’ auf Schadenersatz.“

Die Tiefgaragendecke des Bundeskanzleramt soll saniert werden.
Die Tiefgaragendecke des Bundeskanzleramt soll saniert werden.

© Kai-Uwe Heinrich

Zurück zur durchfeuchteten Rechnung. Ausgestellt wurde sie von der Baufirma am 24. April, der Posteingangsstempel des Bundesamtes für Bauen datiert auf den 25. April. Ein weiterer Stempelaufdruck eines Architekturbüros, das für das Bundesamt die Rechnungen prüft und die Sanierung betreut, trägt das Datum 8. Mai.

Von den Architekten stammt offenbar auch das Gekrakel. Die 2,978 Millionen Euro wurden auf 2,831 Millionen heruntergerechnet. Das ist eine Differenz von 147.000 Euro. Der Unterzeichner ist offenbar ein Mitarbeiter dieses Büros, auf dessen Internetseite findet sich der Name wieder.

Also Anruf beim Architekturbüro, in Potsdam gegründet, jetzt in Kreuzberg ansässig, häufig für staatliche Auftraggeber im Einsatz. Statt einer Auskunft gibt es eine brüske Abweisung.

Dann eine Anfrage bei dei Baufirma, es dauert einige Tage, dann kommt die Antwort per E-Mail, abgestimmt ist sie mit dem Unternehmensanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Velten im Brandenburgischen. Wie es denn sein könne, dass eine Rechnung einfach auf der Straße herumliegt? Die Antwort des Anwalts: „Aus vertragsrechtlichen Gründen dürfen wir uns jedoch nicht zu Bauvorhaben äußern, was die Beantwortung Ihrer Anfrage einschließt. Erklärungen in der Öffentlichkeit behält sich der Bauherr vor.“

"So etwas hatten wir ja noch nie"

Also versuchen wir es beim Bauherrn, es ist das das Bundesamt für Bauwesen. Erheiterung in der Pressestelle: „So etwas hatten wir ja noch nie. Das ist mal ganz was Neues.“ Die Antwort folgt mehr als eine Woche später als Mail. „Wir nehmen den Vorfall sehr ernst und klären derzeit, wie es dazu kommen konnte. Ferner nehmen wir den Vorfall zum Anlass, alle Beteiligten erneut hinsichtlich des Umgangs mit Dokumenten zu sensibilisieren“, schreibt die Behördensprecherin.

Immerhin liege die Originalrechnung dem Bundesamt aber "vollständig" vor. „Es ist jedoch üblich, dass Auftragnehmer und weitere Projektbeteiligte eine digitale Kopie der geprüften Rechnung erhalten. Grundsätzlich sind alle Beteiligten zu einem sorgfältigen und vertrauensvollem Umgang mit Dokumenten und Informationen verpflichtet.“

Das hat offenbar nicht geklappt. Eines ist dem Bundesamt aber noch wichtig mitzuteilen. „Das Bundeskanzleramt wird nicht saniert, es findet eine Mängelbeseitigung an der Tiefgaragendecke statt“, heißt es in der Antwort. „Die Tiefgaragendecke des Bundeskanzleramtes weist bekanntermaßen aufgrund von Mängeln aus der Bauzeit Undichtigkeiten auf, die dazu führen, dass bei starken Niederschlägen an verschiedenen Stellen Wasser eindringt.“ Die Errichterfirma habe im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches Zahlungen an den Bund geleistet.

Sehr gut, dann müssen die Bürger, die Steuerzahler nicht die ganze durchfeuchtete Rechnung zahlen. Ach ja, die Tiefgarage muss nicht nur für die Dienstwagen und Staatslimousinen trocken sein. Auch Dienstfahrräder finden dort sicherlich Platz.

Im März hatte das Kanzleramt jedenfalls angekündigt, sechs mit der Straßenverkehrsordnung konforme „Fahrräder zu erwerben“ und einen über vier Jahr laufenden Vertrag  abzuschließen zu wollen. Einmal im Monat sollen die Räder gewartet werden. Mal sehen wie lange es in der Garage trocken bleibt. Durchfeuchtete Fahrradsattel sind echt ein Graus.

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