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Was kommt? Michael Müller klärte seine Zukunft "oldschool", wie es parteiintern heißt.

© REUTERS/Michele Tantussi

Kungelrunde nach Müllers Rückzug: SPD verhandelt im Hinterzimmer um Posten

Michael Müller will für den Bundestag nominiert werden, bevor Franziska Giffey Spitzenkandidatin wird. Um das zu klären, lud er zu einem vertraulichen Treffen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Den Rückzug als SPD-Landeschef wollte Michael Müller erst an diesem Freitag verkünden. Aber dann wurde ihm die Sache doch zu heiß. Denn der kurze, aber glänzende Auftritt der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey am Sonnabend auf der SPD-Fraktionsklausur in Nürnberg hatte die Debatte um Müllers Zukunft wieder kräftig in Schwung gebracht.

Außerdem hatte sich am Montag auf einer Kreisvorstandssitzung in Tempelhof-Schöneberg, dem Heimatbezirk Müllers, eine Genossin verquatscht. Sie gehörte zu denen, die das Geheimnis schon kannten: Der Regierende Bürgermeister gibt im Mai die Parteiführung auf, dann übernehmen Giffey und der SPD-Fraktionschef Raed Saleh das Ruder im Landesverband.

Damit der innerparteiliche Deal nicht vorab tröpfchenweise durchsickert, lud Müller spontan für Dienstagabend, 21.15 Uhr, zehn Parteifreunde zu einem vertraulichen Treffen ein. Von Giffey abgesehen, eine reine Männerrunde und „ziemlich willkürlich zusammengesetzt“, wie einige Genossen kritisieren.

Anwesend waren außer Müller, Giffey und Saleh: Die Vize-Landeschefs Andreas Geisel und Julian Zado, die Kreisvorsitzenden Christian Gaebler (Charlottenburg-Wilmersdorf), Jörg Stroedter (Reinickendorf) und Lars Rauchfuß (Tempelhof-Schöneberg), außerdem der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Schneider. Andere kurzfristig interessierte Genossen wurden nicht ein- oder wieder ausgeladen. Eine klassische Hinterzimmerrunde, „mehr oldschool geht gar nicht mehr“, hieß es parteiintern.

„Erst einmal Ruhe im Karton“

Dann wurde zwei Stunden verhandelt, bis sich das Trio Müller, Giffey und Saleh mit ihrem Personaltableau und Zeitplan komplett durchgesetzt hatten. Auf dem Landesparteitag am 16. Mai sollen Giffey und Saleh die Führung der Berliner SPD übernehmen. Über Weihnachten hatten sie sich verständigt, als Doppelspitze anzutreten. Teile der Parteilinken einschließlich der Jusos werden Saleh nur zähneknirschend mitwählen.

Aber niemand will die neue Hoffnungsträgerin gleich zu Beginn ihrer landespolitischen Karriere demontieren, indem der Parteitag den von ihr gewünschten Co-Vorsitzenden durchfallen lässt. „Jetzt brauchen wir erst einmal Ruhe im Karton“, so ein Genosse. Andere sprechen von Erpressung.

Abgemacht wurde bei dem Treffen auch, dass Müller zuerst auf Platz eins der SPD-Landesliste für die Bundestagswahl im Herbst 2021 abgesichert wird, bevor Franziska Giffey zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl nominiert werden kann. Darauf legte der Regierende größten Wert. Das könnte in dieser Reihenfolge auf einer Landesvertreterversammlung mit anschließendem Parteitag im Frühjahr 2021 geschehen. Oder die Aufstellung der Bundestagsliste wird auf diesen Herbst vorgezogen.

Heftige Kritik an Kungelrunde

Ob die in der Kungelrunde mehrheitlich gebilligte Zusage an Müller hält, auf dem ersten Listenplatz in den Bundestag wechseln zu können, ist offen. Schon jetzt wird dieser Deal in der Partei heftig kritisiert. Denn normalerweise ist Platz eins für eine Frau reserviert, bei der Bundestagswahl 2017 war dies Eva Högl. Auch wenn diese Regel gebrochen werden sollte, ist das Gedränge groß.

Derzeit stellt die Berliner SPD fünf Bundestagsabgeordnete, die Zahl der Mandate könnte angesichts der Umfragen auf drei oder vier schrumpfen. Die Zahl der Interessenten ist deutlich größer. Die Bundestagsabgeordneten Högl, Cansel Kiziltepe und Klaus Mindrup beanspruchen deshalb vordere Listenplätze. Das gilt aber auch für den Vize-Parteichef und Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert sowie die Staatssekretärin in der Senatskanzlei, Sawsan Chebli.

Parteiintern werden auch schon Wetten darauf abgeschlossen, ob Müller als Regierender Bürgermeister bis zur Wahl im Herbst 2021 durchhält oder nicht. Er selbst will die Amtszeit bis zum Ende ausfüllen, aber ein vorzeitiger Wechsel, sobald Giffey zur Spitzenkandidatin gekürt ist, wird von einigen Genossen nicht ausgeschlossen.

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