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Wer ohne gültiges Ticket unterwegs ist, wird mit 60 Euro zur Kasse gebeten.

© Doris Spiekermann-Klaas / Tsp

Kunden-Service bei der S-Bahn: Es gäbe noch mehr zu prüfen als nur Fahrausweise

Die Regelungen im Umgang mit unlesbaren Tickets gängeln zahlende Abonnentinnen. Zeit, sie zu korrigieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es ist ein befremdlicher Umgang, den die S-Bahn mit ihrer zahlenden Kundschaft pflegt. Wer bei Ticketkontrollen mit einer Chipkarte erwischt wird, die das Lesegerät nicht erkennen kann, bekommt eine 60-Euro-Forderung über erhöhtes Beförderungsentgelt (EBE) serviert. Betroffene können sich freistrampeln, wenn sie sich binnen einer Woche in Kundenbüros melden. Aber das ändert wenig daran, dass sie zunächst behandelt werden wie Schwarzfahrer, einschließlich Drohschreiben der Inkassofirma „Paigo“. Das unfreundliche Vorgehen war jetzt auch Thema im Abgeordnetenhaus. Im vergangenen Jahr gab es immerhin 2500 Betroffene.

Jetzt soll in „Prüfbeleg“ ausgestellt werden

Die S-Bahn möchte nun ein freundlicheres Gesicht zeigen. Sie will das Verfahren den Beförderungsbedingungen des Berlin-Brandenburger Verkehrsverbunds (VBB) anpassen, die in solchen Fällen zunächst das Ausstellen eines „Prüfbelegs“ erfordern. Das ist überfällig. Man wird dann wenigstens nicht gleich mit der EBE-Forderung konfrontiert. Sondern es wird zunächst erläutert, dass die 60 Euro erst fällig werden, wenn man nicht mitwirkt und die (kaputte) Karte nicht nachträglich vorlegt.

Ist die Sache damit erledigt? Das Vorgehen wirft Fragen auf. Eine davon ist, warum es nicht noch einfacher geht. Schuld sei der Datenschutz, heißt es bei der S-Bahn. Man könne nicht ohne weiteres prüfen, ob ein Kunde, den die S-Bahn kontrolliert, bei der BVG ein gültiges Abo hat. Deshalb sei man auf „Mitwirkung“ angewiesen. Das klingt nach Ausrede. Zumindest den S-Bahn-Kunden selbst könnte man dies wohl ersparen, die Daten liegen ja vor. Und die der BVG wären wohl für einen Datenzugriff dankbar, der sie als Kunden mit gültigen Abos ausweist. Man könnte ihnen dann unbürokratisch eine neue Karte nach Hause schicken. Aber so, wie es ist, ist es natürlich am allereinfachsten: für die S-Bahn.

Ist die Regelung unwirksam?

Bei 250 der 2500 defekten Karten blieb die volle EBE-Forderung bestehen. Entweder gab es die Karte, aber kein gültiges Abo, heißt es bei der S-Bahn. Oder die Kunden haben nicht „mitgewirkt“. Verkehrsverwaltung und S-Bahn meinen, dass auch im letzteren Fall das EBE berechtigt ist. Doch erstens geht dies aus den VBB-Bedingungen nicht klar hervor. Zweitens ist eine Woche kurz für Menschen im Berufsstress. Drittens könnte es sich um eine Regelung handeln, die (zahlende) Kunden unangemessen benachteiligt. Dann wäre sie unwirksam.

Es wäre erfreulich, wenn Betroffene einmal klagen könnten, vielleicht mit Unterstützung eines Fahrgastverbands. Gerichtsurteile in dieser Angelegenheit sind bisher nicht bekannt. Vielleicht gibt es keine. Der Auftritt der „Paigo“ wirkt ziemlich einschüchternd. Da zahlt man womöglich, auch wenn man nichts schuldet.

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