zum Hauptinhalt

Kulturpolitik im Berliner Wahlkampf: Keine Raubkunst und Hilfen für Soloselbstständige

Wie können Clubs, Galerien und Konzertsäle nach der Pandemie gerettet werden? Wie umgehen mit kolonialer Raubkunst? Das wollen die Parteien.

Die Folgen der Corona-Pandemie, Geld für Kleinkunst, Umgang mit Kolonialismus – welche Standpunkte vertreten die Berliner Parteien im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf in Sachen Kulturpolitik? Ein Überblick.

1. Hilfe für Clubs und Kinos

Veranstaltern, die aufgrund der Corona-Pandemie weiterhin mit reduzierten Besucherzahlen rechnen müssen, soll aktuell ein Programm des Bundesfinanzministers helfen: Dabei können Zuschüsse für leer bleibende Plätze oder nicht nutzbare Dancefloors beantragt werden. Die Wahlprogramme der Berliner Parteien nehmen aber vor allem die langfristigen Bedingungen in den Blick.

Die Linke möchte den Kinos auch nach der Pandemie „beistehen“ und weiterhin das Human Rights Film Festival fördern. Die FDP sieht ihre Aufgabe vor allem in der Unterstützung von Kinobetrieben bei einem digitalen Wandel. Die Grünen wollen das Filmfördersystem des Medienboards Berlin Brandenburg (MBB) „optimieren“.

Die Clubszene halten alle Parteien außer der AfD für schützens- und unterstützenswert: SPD, Grüne und Linke wollen sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Clubs baurechtlich als Kulturorte anerkannt werden. Für die vereinfachte Nutzung von öffentlichen Flächen für Open-Air-Events wollen die Grünen die Einführung eines Gesetzes prüfen.

[Der Berlin-O-Mat 2021 für alle Bezirke und das Abgeordnetenhaus: Finden Sie heraus, mit welchen Berliner Parteien Sie die größte Übereinstimmung haben!]

Die Linke möchte für solche Veranstaltungen – wenn sie nicht kommerziell sind – ein digitales Genehmigungsverfahren sowie einen Positivkatalog für geeignete Standorte. Die FDP will für Berlin in Zukunft ein Büro für Angelegenheiten des Nachtlebens schaffen wie in New York. Es soll als Bindeglied zwischen Clubszene, Anwohner:innen und den Senatsverwaltungen agieren. In seltener Eintracht möchten sowohl die Linke als auch die CDU einen Preis für die Clubszene einrichten.

2. Neustart für Theater und Museen

Die Berliner Kulturszene hat eine Sonnen- und eine Schattenseite. Im Licht stehen die dauerhaft staatlich geförderten Institutionen, im Dunklen all jene, die Freiberufler und Soloselbständige sind oder ihre Kulturbetriebe bis zu den Lockdowns ohne Subventionen wirtschaftlich rentabel führen konnten.

Wer Geld vom Staat erhält, kam gut durch die Krise und kann halbwegs entspannt in die Zukunft schauen: Anders als in München drohen aktuell keine Kürzungen im Kulturetat, im Entwurf für den Doppelhaushalt 2022/23 ist sogar eine leichte Anhebung vorgesehen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Außer der AfD setzen sich alle Parteien, die aktuell im Abgeordnetenhaus sitzen, für den Erhalt und die gezielte Förderung der Berliner Kulturszene und insbesondere der Theater und Museen ein. Einzig die AfD fordert eine „konsequente Ausgabenkürzung“, um mindestens drei Prozent.

Die Linke möchte insbesondere die Landesmuseen durch Ausstellungs- und Ankaufetats fördern. Die FDP strebt die Einführung einer Jahreskarte für möglichst viele Berliner Museen an. Die CDU hebt die Wichtigkeit der Spitzenforschung in den Berliner Museen hervor.

Die Grünen sehen bei CO2-Einsparungen vor allem die Museen sowie den Gastspiel- und Festivalbetrieb in der Pflicht, weil dort die höchsten Treibhausgas-Emissionen im Kulturbereich entstehen. Die Partei will an dieser Stelle unterstützen, lässt aber offen, wie das konkret aussehen wird.

SPD und CDU möchten ein Gesetz zur Kulturförderung einbringen, die Linke ein solches Vorhaben zumindest weiter diskutieren – der aktuelle Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) steht dem allerdings kritisch gegenüber.

3. Geld für Kleinkunst

Als Konsequenz aus den Erfahrungen der Coronakrise fordert die Koalition der Freien Szene ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler:innen und eine Absicherung vor Verdienstausfällen durch Veranstaltungsabsagen. Zudem müssten Mindesthonorare festgelegt und mehr Stipendien geschaffen sowie die Staatstheater zur Zusammenarbeit mit freien Gruppen verpflichtet werden.

Mehrere Parteien sehen vor allem bei der Fördersystematik Nachholbedarf. Die Grünen wollen die Finanzierung für die Freie Szene verbessern, die Linke setzt sich für ausgeweitete Stipendienprogramme und längere Laufzeiten ein. Nach dem Willen der FDP soll ein externes, nichtpolitisches Fachgremium an der Fördermittel-Vergabe beteiligt werden.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Die Berliner Linke möchte auf Bundesebene dafür werben, dass sich die Künstlersozialkasse für weitere Berufsgruppen öffnet und eine Arbeitslosenversicherung auch für freischaffende Kreative durchgesetzt wird. Außerdem will sie den Kreativwirtschafts-Index, den es bis 2015 gab, wieder einführen. So soll geklärt werden, wie viele Menschen überhaupt soloselbstständig sind.

Die CDU möchte ein Scoutprogramm aufsetzen, das Kulturschaffenden bei der Suche nach bezahlbaren Arbeitsräumen hilft und etwa Baukostenzuschüsse gewährt

4. Digital ist besser

Streamingdienste und Plattenfirmen wurden von der Krise nicht getroffen. Weil keine Live-Aufführungen stattfinden durften, stieg der Medienkonsum auch im Kulturbereich. Auf Dauer aber müssen auch jene Anbieter, die ihre Inhalte bislang kostenlos im Internet angeboten haben, einen Weg finden, der sicherstellt, dass sie mit ihrer Kreativität auch online Geld verdienen können. Wie genau das gelingen kann, ist in vielen Fällen unklar.

[Ob Wohnen, Verkehr, Sicherheit oder Gesundheit: Alles, was Sie zur Berlinwahl am 26. September wissen müssen, finden Sie jetzt auf der interaktiven Wahlseite des Tagesspiegels.]

Ein Großteil der Berliner Parteien will die Digitalisierung im Kulturbereich in jedem Falle fördern. Die Grünen etwa möchten eine virtuelle „Plattform Berlin“ ins Leben rufen, auf der sich die Berliner Kreativwirtschaft sammeln kann. Auch die SPD will die Digitalisierung vor allem in öffentlichen Einrichtungen fördern und etwa eine interaktive Online-Plattform schaffen, auf der durch Stipendien geförderte Werke gezeigt werden.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie den Bezirksämtern sollen nach dem Willen der CDU Schnittstellen für die Kreativwirtschaft entstehen, die Planungsprozesse begleitet. Die FDP betont einen „Gaming- und E-Sport-Hub“ gründen zu wollen, um explizit Entwickler:innen zu unterstützen.

5. Umgang mit Kolonialismus

Ob bei der Debatte um Straßenumbenennungen oder um das Humboldt Forum: Der Kolonialismus und seine Spuren haben in Berlin in den vergangenen Jahren immer wieder für Diskussionen gesorgt.

Alle großen Parteien außer der AfD nehmen darauf in ihren Wahlprogrammen Bezug. Grüne, Linke und CDU setzen sich für eine ausgeweitete Provenienzforschung in den Berliner Museen und Institutionen ein.

Die Grünen sprechen sich zudem für die Rückgabe von kolonialer Raubkunst aus, ebenso die FDP, zumindest unter bestimmten Umständen. SPD und Linke fordern einen zentralen Erinnerungsort zur deutschen Kolonialgeschichte, die Grünen wollen die Einrichtung von Studiengängen der „Postcolonial and Black Studies“ an den Berliner Hochschulen erwirken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false