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Kulturforum: Masterplan gegen die Einöde

Nach jahrzehntelangem Stillstand soll der Umbau des Kulturforums forciert werden. Bereits vor vier Jahren wurde vom Senat dazu ein Masterplan verabschiedet. Ein Pro & Contra.

An diesem Ort werden die Gesetze außer Kraft gesetzt, die in Berlin sonst gelten: Dass die Stadt nie einfach nur ist, sondern immer weiter wird – weil sich überall immer die Kräne drehen. Für das Kulturforum gilt dieses Gesetz nicht. Der Architekt Edgar Wisniewski hat es im Tagesspiegel einmal treffend beschrieben: Auf dem Berliner Kulturforum sind sogar die Gesetze der Zeit außer Kraft gesetzt. Für bauliche Eingriffe, die woanders in ein paar Monaten vollbracht sind, brauche man am Kulturforum Jahrzehnte.

Wisniewski wusste, wovon er redet: Er hat den Vorschlag für eine Empfangshalle an der Philharmonie gezeichnet, ein Eingriff an einem der Heiligtümer des Areals also. Hans Scharoun hat dieses Musterbeispiel der „organischen Architektur“ gebaut. Und der frühere Berliner Stadtbaurat hat auch den Städtebau für die Umgebung dieses Musiktempels festgelegt. Das war in den 60er Jahren, als offene Grundrisse in Häusern ebenso wie in der Stadt beliebt waren. Wegen Scharouns Renommees, der Strahlkraft der Philharmonie und der Beharrungskräfte modernistischer Architekturphilosophie verboten sich über Jahrzehnte auch kleinste Eingriffe an Philharmonie und Kulturforum. Dass Wisniewski vor Jahren dennoch den Stift zu heben wagte, dürfte daran gelegen haben, dass er Scharouns langjähriger Partner in dem gemeinsamen Architekturbüro war.

Diese gefühlte Ewigkeit des Stillstands scheint nun doch ein Ende zu haben. Kulturstaatssekretär André Schmitz, dem große Rückendeckung durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit nachgesagt wird, will den Umbau des Kulturforums vorantreiben. Es ist nicht auszuschließen, dass bald Bagger an der Potsdamer Straße vorfahren. Denn Schmitz beruft sich auf einen Masterplan für dieses Gebiet, der bereits vor vier Jahren vom Senat verabschiedet wurde. Er stützt sich also auf einen politischen Konsens. Und einen städtebaulichen dazu.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher schaltete sich prompt in die Debatte ein: Wiederum im Tagesspiegel legte sie ihre Pläne für das Areal dar. Ein pavillonartiger Neubau mit Café oder Restaurant, ein Skulpturengarten und viel Grün, ein Gegenpol zum geschäftigen Potsdamer Platz schwebt ihr vor. Eine Oase der Ruhe, um sich auf das bevorstehende Konzert zu besinnen – oder um die besichtigten Gemälde „nachhallen zu lassen“. Das sind Ideen, die am Montag beim ersten Workshop zu dem Thema mit Architekten, Landschaftsplanern, aber auch Licht-Designern und Event-Profis diskutiert werden sollen. Denn Ziel ist es auch, den öffentlichen Raum gleichsam mit Kunst zu bespielen. Darin sind sich Lüscher und Schmitz einig: Die Einöde muss so umgestaltet werden, dass sie endlich den dort angesiedelten Sammlungen und der Scharounschen Architektur einen würdigen Rahmen bietet.

Diese Eingriffe führen aber nur zu einer „Zwischennutzung“ – der von Senat und Abgeordnetenhaus verabschiedete Masterplan geht weiter. Für den pensionierten und immer noch passionierten Städtebauer Hans Stimmann ist die Verwirklichung seines Erbes eine Herzenssache. Aus Verbundenheit zu Berlin. Und aus seinen Erfahrungen mit dem Gebiet: „Man kriegt doch Depressionen, wenn man an diesem traurigen Ort ist“, sagt er. Auf das Erhabene der Kunst – ob in der Gemäldegalerie oder in der Philharmonie – folge der Absturz: am Ausgang des Kulturtempels beim Anblick des Ortes.

Aber warum gerät das Kulturforum immer wieder in die Diskussion? Vielleicht, weil es schwer ist, diesen städtischen Raum zu fassen. Genau genommen hat er seinen Namen von den Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: „Kulturforum“ prangt an der Fassade des Gebäudeensembles, das unter anderem Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett beherbergt. Doch Städtebauer fassen auch die Umgebung unter diesen Namen. Geografisch ist also die Rede von dem Raum westlich des Potsdamer Platzes, am südlichen Rand des Tiergartens.

Wer eher in Monumenten denkt, kann auch sagen: Das Kulturforum liegt zwischen Neuer Nationalgalerie, Matthäus-Kirche, Kupferstichkabinett und Philharmonie. Und was findet man dazwischen? Einen Parkplatz, eine mit poliertem Granit versiegelte, leicht abschüssige Rampe, auf der im Sommer ein Kinobetreiber Leinwandknüller abspult. Und dann gibt es noch eine zweite gepflasterte Freifläche, auf der ein Dutzend Steinskulpturen wie abgeworfen herumliegen – und einen „Sonnenobelisken“, der die Erderwärmung anhand von Fotos anklagt.

Auf dieser fußballfeldgroßen Brache baut der Stromkonzern Vattenfall zurzeit einen silberfarbenen Pavillon, in dem Solartechnik ausgestellt werden soll, wie ein dort arbeitender Zimmermann sagt. Bisweilen baut hier aber auch ein Zirkus seine Zelte auf oder – zum Oktoberfest – ein Bierbrauer, der mit blauweißen Fahnen und lärmender Live-Musik bayerische Nächte an der Spree feiert. So ergeht es städtebaulichen Nullpunkten, sie bieten, vom Mainstream oder der „Subkultur“ eingenommen, Platz für den Rummel.

Diese Beliebigkeit wollte Stimmann ändern. Zu den wichtigsten Eingriffen des vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Masterplans zählen der Abriss der „Rampe“ vor der Gemäldegalerie, die Errichtung eines Eingangsgebäudes vor der Philharmonie, der Bau von privaten Kunstgalerien neben der Matthäus-Kirche und die Anlage eines kleinen Platzes mit Arkaden, der von Neubauten gesäumt wird – nach Plänen des Architekten Romano Burelli aus Venedig. Hier könne ein Treffpunkt für Besucher von Museen, Konzerthäusern und der Kirche entstehen: mit Cafés und Restaurants.

Als mögliche Nutzer der geplanten Neubauten sieht Stimmann die Verwaltung der Philharmonie, die zurzeit Büros am Potsdamer Platz mietet, aber auch ein „Kultur-Kaufhaus“ zum Beispiel. Das Wichtigste aber ist: Durch den Garten, die Neubauten, die Gaststätten soll dieser Ort Besucher der Einrichtungen zum Verweilen einladen. Städtisches Leben soll entstehen, wo zurzeit die Wüste wächst.

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