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Bettina Jarasch beim Landesparteitag der Grünen in Berlin.

© dpa

„Kulturelle Machokultur, damit muss man umgehen“: Berliner Grüne streiten über das Frauenbild von Flüchtlingen

Parteimitglieder kritisieren die flüchtlingspolitische Sprecherin der Berliner Grünen. Man dürfe offensichtliche Probleme nicht ignorieren.

Bettina Jarasch, die religions- und flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, bekommt innerparteilichen Gegenwind. Jaraschs ausweichende Antworten in einem Tagesspiegel-Interview  auf den Vorwurf von zwei grünen Bundestagsabgeordneten, einige muslimische Flüchtlinge hätten ein frauenverachtendes Bild und die Grünen müssten dazu endlich klar Stellung nehmen, stießen bei Walter Otte auf harte Kritik.

Der Vorsitzende der Landes-Arbeitsgemeinschaft der Säkularen Grünen sagte dem Tagesspiegel zu diesem Thema: „Es gibt deutliche Probleme durch einen Erziehungshintergrund, es gibt eine kulturelle Machokultur, damit muss man umgehen. Wenn man diese Probleme nicht klar benennt, gibt man der AfD eine Steilvorlage.“ Man dürfe das Problem nicht beiseite schieben. Jarasch aber habe so getan, „als gäbe es keine besonderen Probleme“. Da verschwänden Aussagen „im Nebulösen“. Eine klare Abgrenzung zum Rassismus bedeute nicht, „dass man nicht differenziert über die Probleme der Muslime redet“.

Auch in Deutschland ist das Patriarchat nicht überwunden

Jarasch antworte im Tagesspiegel-Interview auf konkrete Fragen ausweichend mehrfach mit den Hinweis, man dürfe Muslime nie pauschal verurteilen. Auf die Frage, dass viele Flüchtlinge aus Kulturen kommen, in denen Frauen als zweitrangig gelten, antwortete Jarasch mit der Bemerkung, dass auch in Deutschland das Patriarchat noch nicht ganz überwunden sei. Sie wolle in dieser Frage die deutschen Männer „nicht aus der Verantwortung lassen“.

Otte sagte zu diesen Antworten, „dass Leute, mit denen ich gesprochen habe, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben“. Man könne doch nicht wie mit dem Rasenmäher über alles weggehen. Da fehle die nötige Differenzierung“. Die LAG Säkulare Grüne hat rund 20 Mitglieder, sie gehören eher zu einer Randgruppe in der Partei.

Auch Jürgen Roth, der Vorgänger von Otte als LAG-Vorsitzender, übt scharfe Kritik an Jarasch. Er teilte der flüchtlingspolitischen Sprecherin schriftlich mit, „dass das Interview mich - ehrlich gesagt - viel mehr enttäuscht als geärgert hat. Ich dachte eigentlich, wir wären weiter in der Diskussion einen Schritt weiter.“

Roth will „reaktionäre Gruppen“ beim Namen nennen

Bei der Diskussion um die Frage nach dem umstrittenen Frauenbild von einigen Muslimen, „reicht es nicht, in den alten Duktus zurückzufallen, wonach der Islam immer nur Opfer ist und damit in all seinen Facetten automatisch einen Anspruch auf diskursive Immunität zu genießen hat“. Eine „so unkritische Betrachtungsweise - auch orthodox-reaktionärer Umtriebe - führt fast unweigerlich zu der verengten Schlussfolgerung, wir hätten es ausschließlich mit einem wachsenden Konflikt zwischen dem Islam und der Mehrheitsgesellschaft zu tun“. Man erleben gegenwärtig eine identitäre Allianz rechter Gruppen von AfD über Ditib und Anderen. Da heißet es für Grüne, Farbe zu bekennen „und nicht rumzulavieren“.

Roth erklärte, er sehe „es als unsere gemeinsame Aufgabe an, zu verhindern, dass sich diese Form rassistischer Politik hinter legitimer Kritik an Religion verstecken kann“. Die Konsequenz aus der Auseinandersetzung mit identitären Strömungen könne es aber wiederum nicht sein, reaktionäre Gruppen nicht mehr beim Namen zu nennen.

Jarasch wehrt sich gegen die Kritik

Linksliberale Gruppen und Vereinigungen würden von islamitischer Seite gezielt zur Vernebelung antidemokratischer und menschenrechtswidriger Machenschaften instrumentalisiert. „Identitärer Islamismus bedient sich geschickt der Opfernummer und weckt raffiniert und immer wieder mit Erfolg linke Beschützerinstinkte gegenüber diskriminierten Minderheiten, die es durch gesellschaftliches Feindesland zu lotsen gilt.“ Diese Leute redeten von Vielfalt, meinten aber die Herrschaft über ihre Mitglieder und nicht zuletzt die Macht über Staat und Gesellschaft. „Unser grüner Begriff von Vielfalt verkommt zur Blaupause für Extremisten, wenn wir nicht genau aufpassen.“

Es bringe nichts, alles Unangenehme zu verdrängen, um die falsche Schlussfolgerung zu begründen, nichts habe mit dem Islam zu tun. „Lass uns lieber eine Sprache finden, die Probleme beim Namen nennt, ohne Gruppen pauschal zu stigmatisieren und das gesellschaftliche Klima zu belasten. Hüten wir uns dabei vor falschen Freunden.“

Bettina Jarasch wehrte sich gegen die Kritik von Roth. Dem Tagesspiegel erklärte sie zu dessen Vorwürfen: „Wie wir Grünen zu Religionen allgemein und zum Islam stehen, haben wir 2016 auf Empfehlung der Religionskommission beschlossen, der Jürgen Roth und ich angehört haben. Für mich ist dies unsere gemeinsame Grundlage für den Umgang mit Religionsgemeinschaften.“

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