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Kultur in Mitte: Kabarett-Theater "Distel" feiert 65-jähriges Jubiläum

Zum Geburtstag wird nochmal ordentlich gestichelt: naive Ossis steigen auf zum Prenzlauer-Berg-Adel und dürfen sogar der Kanzlerin die Hand schütteln.

Das Jubiläumsprogramm zum 65-jährigen Bestehen der „Distel“ geht von folgender Szenerie aus: Ein in seinen alten Klamotten etwas zurückgebliebenes DDR-Ehepaar haust seit dem Aufstand von 1953 in einem Kellerloch und hält sich mit Würzfleischkonserven aus alten Beständen der Nationalen Volksarmee über Wasser.

Eines Tages werden die beiden entdeckt, und das Schicksal nimmt seinen Lauf: Die naiven, etwas doofen, aber lieben Ossis treffen auf die neue Zeit mit ihren Maläsen und marktwirtschaftlichen Macken, und daraus lässt sich natürlich kräftig kabarettistisches Kapital schlagen. Power ist die Kraft der neuen Zeit, und die beiden seltsamen Menschen sperren Mund und Nase auf, wenn ihnen in einem Call-Center der Marsch dieser kuriosen Zeit geblasen wird: „Deutschland ist cool, Deutschland ist geil, Deutschland macht Spaß!“

Bewunderung für den Prenzlauer-Berg-Adel

Maria und Josef Pachulke, so heißen die beiden vom Prenzlauer-Berg-Adel (Dagmar Jaeger und Michael Nitzel), haben nicht viel vermisst: „Wir hatten ja uns und die Liebe“. Aber nun gelten die uralten Gesetze der Betörung des Volkes, Brot und Spiele: Die Pachulkes werden bewundert wie Knut und Seinesgleichen, von einer Talkschau in die nächste geschubst, Markus Lanz kommt vor, Anne Will talkt über das „Unrechtsregime“, ein bunter Vogel von RTL oder Sat 1 spreizt sich auf dem Moderatorenstuhl, Sahra Wagenknecht möchte Gutes tun, die Kanzlerin erscheint mit Blazer und Mopp auf’m Kopp – jeder will ein kleines Stückchen vom großen Kuchen haben.

Der „Stachel am Regierungssitz“

Schließlich fliegt auf, dass die Geschichte gar nicht stimmt, alles geht wieder seinen Gang, und die tolle Crew auf der Bühne – Caroline Lux, Katharina Solzbacher, Timo Doleys, Stefan Martin Müller und die Pachulkes – bekommt für ihre lustvoll-temperamentvolle Tätigkeit viel Beifall. Thomas Lienenlüke, der das Buch für diese Kabarett-Komödie geschrieben hat, und Regisseur Dominik Paetzholdt nicht minder.

Der „Stachel am Regierungssitz“, das Kabarett-Theater im Distrikt all der Musen, die rund um den Bahnhof Friedrichstraße versammelt sind, verspricht bei seinem Eintritt ins Rentenalter: „Auf all die Ungerechtigkeiten / Die wie ein Berg noch vor uns liegen / Lasst uns mit Freundlichkeit und Kraft / Das Unrecht dieser Welt besiegen“.

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