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Der Litfaßsäulen-Aufdruck, konzipiert von Wolf Leo, am Hackeschen Markt im August.

© privat.

Künstler beklebt Berliner Litfaßsäulen: „Das ist ein bisschen Piraterie, aber im positiven Sinne”

Wolf Leo bringt Kunst an alten Berliner Litfaßsäulen an, um Menschen zum Nachdenken anzuregen. Ab Mitte Januar soll darauf wieder Werbung zu sehen sein.

Litfaßsäulen wurden 2019 zum Politikum. Nachdem ein Vertrag mit der Firma Wall auslief und das Stuttgarter Unternehmen ILG die Außenwerbeflächen übernahm, wurden 2500 Berliner Litfaßsäulen abgerissen - bloß 24 durften denkmalgeschützt stehen bleiben. Es entbrannte eine Diskussion um „alt und schön“ gegen „neu und wirtschaftlich“. Eine Künstlerin beklebte die Litfaßsäulen mit Grabsprüchen. Sie wurden trotzdem abgerissen, auch weil viele mit Asbest belastet waren.

ILG stellte 1400 neue Säulen auf, die wuchtiger und weniger filigran aussehen. „Für mehr Werbefläche“, sagt ein Mitarbeiter des Unternehmens am Telefon.

Die 24 alten Litfaßsäulen blieben unbeachtet. Die Senatsverwaltung plant ab Mitte Januar, wieder Werbung darauf zu kleben. Eine Gruppe Künstler hat diese Leerstelle längst gekapert. Seit einem Jahr beklebt Michael Wismar die Säulen in Mitte und Prenzlauer Berg mit verschiedenen Künstlern. Das Projekt heißt: „Litfass goes Urban Art.“

Einer der Künstler ist Wolf Leo. Seine erste Säule beklebte er am Hackeschen Markt. Die Älteste, errichtet um das Jahr 1900. „Also das war ein bisschen Piraterie, aber im positiven Sinne, denke ich“, sagt Leo.

Ohne Genehmigung klebte er im August gemeinsam mit Wismar in Prenzlauer Berg Wortspiele auf, die die ganze Säule ummantelten: „Freiheit statt Kunst“, „Dialog zwischen Kopf und Bauch“ oder „Vordenken ist besser als nachdenken“ stand dann auf der Säule direkt vor dem Deko-Laden „Butlers“. Geht es dabei um Corona?

Leo: Weil alles zu ist, bekommt Kunst im öffentlichen Raum eine neue Bedeutung

In gewisser Weise schon, sagt Leo. „Jetzt ist alles zu: Alle Galerien, alle Museen - da bekommt Kunst im öffentlichen Raum noch mal eine neue Bedeutung.“ Berlin sei optisch ziemlich überreizt durch die zahlreichen Graffitis. Er will sich mit seiner Arbeit deutlich davon abgrenzen. „Das soll durch eine Qualität auffallen, die nicht nur dekorativ ist, sondern auch einen gesellschaftlichen, politischen Anspruch hat.“

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Doch er bemerkte, dass es am Hackeschen Markt eigentlich bereits genug bunte Buchstaben gibt und seine Rohrfederzeichnungen deshalb gar nicht so besonders auffielen. Für die Litfaßsäule am Kollwitzplatz, die er vor einer Woche beklebt hat, wählte er deshalb schwarz-weiß Zeichnungen. „Bei dem einen geht es um das Fliegen der Träume, der Worte und der Akustik“, sagt Leo. Eine Figur ist zu sehen, die in einem Strudel zu verschwinden scheint.

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Das Interesse war da, sagt Leo. Etliche seien stehen geblieben, als die Säule neu gestaltet wurde. Allerdings, sagt er, müsse man realistisch sein. Die Größe der Gruppe, die sich für so etwas interessiert, sei homöopathisch. „Die Anderen leben in ihrem Tran.“ Sie würden sich mehr nach Ruhe sehnen als nach Unruhe. Bei ihm sei das anders, sagt Leo. „Es ist meine Nahrung, Optisches zu sehen.“ Das hänge natürlich auch mit unterschiedlichen Lebenssituationen und Zwängen zusammen, in denen Menschen sich befänden.

Bislang, sagt Leo, sei für diese Aktion noch keine Förderung gefunden worden. „Was die Sache sympathisch und akzeptabel macht, aber die Akteure müssen die Kosten und Risiken selber tragen.“ Viel Zeit bleibt ihm nicht für die Suche. Seine Kunst könnte schon bald wieder mit Werbung überklebt werden.

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