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Sperrmüllhalden an den Straßen sind besonders in Neukölln ein Problem.

© Gregor Fischer/dpa

Kritik an SPD-Projekt in Berlin: Grüne: Müllsheriffs sollen lieber Falschparker jagen

Die Grünen zweifeln am Erfolg des Neuköllner Projekts gegen illegale Abfallentsorgung. Das Ordnungsamt sollte besser Falschparker abmahnen

28 Müllsünder sind in Neukölln im vergangenen Jahr auf frischer Tat ertappt und gerichtsfest überführt worden. Das teilte Susanne Wein, Sprecherin von Bürgermeisterin Franziska Giffey auf Anfrage mit. Es könnten auch ein paar mehr gewesen sein, einige Fälle seien noch im Widerspruchsverfahren. 6800 Euro an Bußgeldern wurden verhängt, rund das Sechsfache des Vorjahres. Für Giffey sei das Grund genug, das Projekt „Müllsheriffs jagen illegale Müllentsorger“ fortzusetzen. Das Projekt werde gerade neu ausgeschrieben, sagte Wein, der bisherige Auftrag sei Ende Dezember ausgelaufen.

Die Müllsheriffs kosteten 55.000 Euro

Gegenwärtig kann also in Neukölln wieder unbehelligt Müll in die Stadtlandschaft gekippt werden, zumindest nach 22 Uhr, wenn die Mitarbeiter des Ordnungsamtes ihre Spätschicht beenden. Franziska Giffey (SPD) hatte den illegalen Sperrmüllentsorgern im vergangenen Frühjahr den Kampf angesagt, seit April legten sich Mitarbeiter der Firma Kuhr-Security an Müll-Hotspots auf die Lauer, nach 22 Uhr und am Wochenende. Schon nach kurzer Zeit seien die Müllmengen dort zurückgegangen. Die Kosten für das Projekt: 55000 Euro.

Mit einer Kunstperformance in der Weserstraße wurde im September 2017 die Stadt-Vermüllung geächtet.
Mit einer Kunstperformance in der Weserstraße wurde im September 2017 die Stadt-Vermüllung geächtet.

© Kai-Uwe Heinrich

Die Koalition hatte auf Betreiben der SPD Ende November angekündigt, künftig in allen Bezirken Müllsheriffs nach dem Neuköllner Modell einzusetzen, dazu sollten 100 zusätzliche Stellen in den Ordnungsämtern finanziert werden, außerdem sollte die Innenverwaltung prüfen, ob öffentliche Bedienstete künftig auch nach 22 Uhr und ohne Uniform eingesetzt werden können, also analog zu den privaten Mülldetektiven. In der Verwaltung läuft diese Initiative unter dem Stichwort „Waste Watcher“. Müllsheriffs klingt Rot-Rot-Grün offenbar zu sehr nach Repression und Verbrecherjagd.

Pilotprojekt in Mitte ist gescheitert

Inzwischen bröckelt die Müllsheriff-Front in der Koalition aber auch inhaltlich. 100 Stellen kosten rund fünf Millionen Euro, das wäre „ein Haufen Geld“, findet der grüne Abgeordnete Georg Kössler, zumal die Erfolgsbilanz der Müllsheriffs bislang eher mager sei. „Das Projekt hat eher Öffentlichkeitswirkung.“ In Mitte hatte der grüne Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel ein ähnliches Pilotprojekt schon nach drei Monaten wieder beendet. Seine Mülldetektive hatten keinen Müllsünder überführen können.

Kössler plädiert dafür, die Ordnungsämter insgesamt zu stärken und die zusätzlichen Mitarbeiter auch für andere Aufgaben einzusetzen. Darauf habe man sich in der Koalition auch schon mündlich verständigt, sagte Kössler. Auf keinen Fall dürften die Bezirke gezwungen werden, Müllsheriffs nach dem Neuköllner Modell einzusetzen. „Es gibt da keine Patentlösungen.“ Kössler findet es wichtiger, gegen Zweite-Reihe-Parker vorzugehen als ein paar Müllsündern das Handwerk zu legen. „Da geht es immerhin um Menschenleben.“ In Neukölln werde im Bezirksvergleich viel zu wenig wenig gegen Falschparker unternommen – als Beispiel nennt Kössler die Sonnenallee. Dort sei es für Radfahrer lebensgefährlich.

Müllsünder wollen sich den Weg zur BSR sparen

Jeder Bezirk setzt eigene Schwerpunkte beim Einsatz der Ordnungsamtsmitarbeiter – meistens wird auf Beschwerden von Anwohnern reagiert. Wo sich niemand beschwert, lassen sich auch Ordnungskräfte seltener blicken. In Neukölln hätten sich eben viele Bürger über die Vermüllung beklagt, sagt Susanne Wein. Bei den überführten Müllentsorgern handele es sich in der Regel nicht um einkommensschwache Menschen, die kein Auto haben, um ihren Sperrmüll zum Recyclinghof zu bringen. Im Gegenteil: Es werde mit dem Auto vorgefahren und abgeladen, um sich den Weg zur BSR zu sparen. Darunter seien auch Gewerbetreibende.

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