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Das Geflüchtetenheim  in der Alfred-Randt-Straße in Köpenick.

© Kai-Uwe Heinrich

Kritik an der Vergabe von neuen Aufträgen: Betreiber von Berliner Gemeinschaftsunterkünften wollen mehr Respekt vor ihrer Arbeit

Zwölf Betreiber von Flüchtlingsunterkünften wollen bei der Vergabe von Aufträgen durch die Sozialverwaltung einen Bonus für die aus ihrer Sicht gute Arbeit.

Es ist ein Novum in Berlin: Zwölf Träger, die in Konkurrenz zueinander stehen und Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge betreiben, haben sich zusammengefunden und erheben gemeinsam Forderungen. Ihr Ziel: Der Zuschlag für die Führung einer Gemeinschaftsunterkunft soll sich mehr als bisher Qualitätsstandards orientieren.

„Die Maßgabe, dass die Konzeption 70 Prozent einer Bewertung ausmacht und 30 Prozent der Preis wird in der Praxis konterkariert“, sagte Peter Hermanns, der Bereichsleiter politische Kommunikation beim Träger „Internationaler Bund Berlin-Brandenburg“ (IB), am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Derzeit erhielte jener Träger den Zuschlag, der niedrige Löhne zahle und deshalb am preisgünstigsten sei.
Eine der Forderungen der zwölf Träger, zu den unter anderem der AWO-Kreisverband Mitte, der Kreisverband Schöneberg-Wilmersdorf des Deutschen Roten Kreuzes, und die Volkssolidarität gehören, lautet: Betreiber, die aus ihrer Sicht angemessene Löhne bezahlen, sollten bei der Auftragsvergabe einen gewissen Bonus erhalten. Auch die Qualität der Mitarbeiter solle stärker berücksichtigt werden. Dazu gehöre die Frage, ob sie gut geschult seien und Fortbildungen erhielten.
Jeder Bewerber müsse zwar eine qualitativ gute Konzeption vorlegen, sagte Hermanns, „aber das Problem ist, dass man volle Punktzahl bekommt, wenn man die richtigen Vokabeln reinschreibt. Und da alle Bewerber das wissen und entsprechend handeln, hat bei diesem Bereich jeder volle Punktzahl.“ Somit entscheide letztlich doch allein der Preis. Und die Personalkosten seien ein wesentlicher Punkt bei der Preisgestaltung.
Michael Elias, der Geschäftsführer des Trägers Tamaja, beklagte, dass die Arbeit in den Unterkünften vor Ort zu wenig geprüft werde. „Das Konzept wird bewertet, nicht die reale Arbeit“, sagte er.

Betreiberwechsel bedeutet auch einen Wechsel der Bezugspersonen

Juliane Willuhn, Leiterin des Bereichs Geflüchtetenarbeit bei der AWO, Kreisverband Mitte, erklärte, dass ein Betreiberwechsel immer eine Belastung für die Bewohner darstelle, da sie neue Bezugspersonen hätten und der neue Betreiber sich erst mit den verschiedenen Einrichtungen im jeweiligen Bezirk - Schulen, Kitas, Beratungsstellen, Nachbarschaftsinitiativen - vernetzen müsse. „Es dauert ungefähr ein Jahr, bis dieses Netzwerk aufgebaut ist“, sagte sie. Zudem fehlten den Mitarbeitern Planungssicherheit, sie müssten um ihre Arbeitsstellen fürchten.

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In der Regel läuft ein Betreibervertrag über drei Jahre. In Berlin gibt es derzeit rund 80 Gemeinschaftsunterkünfte. Der Internationale Bund hat in diesem Jahr zwei Unterkünfte als Betreiber verloren, darunter die Gemeinschaftsunterkunft in der Alfred-Randt-Straße in Köpenick. Dieser Fall hatte im Frühjahr für Aufmerksamkeit gesorgt, weil der IB dort nach allgemeiner Einschätzung jahrelang gute Arbeit geleistet hatte. Derzeit betreibt der IB noch drei Gemeinschaftsunterkünfte.

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Tamaja hat zwei von vier Gemeinschaftsunterkünften verloren, der AWO-Kreisverband Mitte hat von einst 13 Unterkünften nur noch sechs. „Wir mussten zehn Prozent des Personals entlassen“, sagte Juliane Willuhn. In diesem Jahr werden in Berlin nach Willuhns Angaben insgesamt 14 Unterkünfte neu ausgeschrieben.

Senatorin schlägt Bildung eines Arbeitsgeberverbands vor

Stefan Strauß, der Sprecher der Senatsverwaltung für Soziales, sagte dem Tagesspiegel: „Der Senatorin Elke Breitenbach sind die Probleme des Vergaberechts, die bei dieser Pressekonferenz angesprochen wurden, bekannt. Erfahrene Träger, die gute Arbeit geleistet haben, werden beim Vergabeverfahren auf die gleiche Stufe gestellt wie ein Unternehmen, das noch keine Erfahrung hat.“

Als Lösungsmöglichkeit habe Breitenbach vorgeschlagen, dass die Träger einen Arbeitgeberverband bildeten, der einen Tarifvertrag abschließe. Dieser Vertrag solle dann Grundlage für eine erfolgreiche Bewerbung sein. Jeder Bewerber müsse sich an diesem Tarifvertrag orientieren. „Die Senatorin will so schnell wie möglich mit den Trägern zusammentreffen“, sagte Strauß.

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