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Schnelle Hilfe. Die Lage ist nach Ansicht aller Akteure der Berliner Wirtschaft sehr ernst. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) beriet mit Verbänden und Banken, wie Unternehmen schnell an Kredite kommen.

© imago images/Christian Ditsch

Kredite für Berliner Wirtschaft: Jetzt bloß keine Massenpleiten

Wie kann den Berliner Unternehmen schnell geholfen werden? Senatorin Ramona Pop, Wirtschaftsverbände und Banken beraten sich am Runden Tisch.

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Die Agenda für den „Runden Tisch“, den Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) mit Vertretern der Unternehmensverbände und Banken am Mittwochnachmittag einberufen hat, ist umfangreich: Natürlich geht es um die Soforthilfen und Möglichkeiten, wie Unternehmen und auch Selbstständige jetzt so unterstützt werden können, dass keine Massenpleiten drohen.

Die rund 30 Teilnehmer waren allerdings diesmal nicht persönlich bei der Investitionsbank Berlin (IBB) anwesend – der Runde Tisch fand per Videokonferenz statt, in Zeiten der Coronakrise eine Selbstverständlichkeit.

Derzeit stellt das Land Berlin 100 Millionen Euro Liquiditätshilfen ad hoc für den Schutzschirm zur Verfügung, diese können um weitere 100 Millionen Euro aufgestockt werden, sagte eine Sprecherin der Wirtschaftssenatorin. Hinzu kämen 100 Millionen Euro von den Bürgschaftsbanken, so dass am Ende bis zu 300 Millionen Euro im Topf sind.

Erstmals nahmen auch Vertreter des Start-up-Verbandes an der Runde teil.

Denn auch viele Unternehmen aus der Gründerbranche sind von der Krise in Mitleidenschaft gezogen. „Auch hier möchten wir wissen, was sie für Hilfen benötigen und wo wir beziehungsweise die Bundesregierung nachjustieren müssen“, schilderte die Sprecherin.

Die Anträge für die Hilfen können ab Donnerstag gestellt werden.

Erstmals ist auch der Verband der Start-ups dabei

Der Liquiditätsfonds läuft über die landeseigene Förderbank IBB. Normalerweise registriert man dort online rund 750 bis 1000 Nutzer am Tag, die sich auf der Internetseite über Förderprogramme – zum Beispiel zum Wohnungsbau oder Existenzgründung – informieren wollen.

Bereits am Montag zählte die IT-Abteilung der Bank rund 4000 User. Am Dienstag klickten sich schon 6000 durch die Seiten.

Das erleben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IBB-Telefonzentrale, die nun plötzlich mit 600 Anrufern am Tag konfrontiert sind und unmöglich auf die Schnelle das bieten können, was die Anrufenden sich in der Regel wünschen: eine umfangreiche individuelle Beratung. Man freue sich sehr, dass ebenfalls landeseigenen Institutionen mit einigen Kollegen die Telefon-Hotline verstärken. VisitBerlin hat seit Dienstag Leute dabei, Berlin Partner seit Mittwoch. „Wir haben in wenigen Tagen das Programm ,Liquiditätshilfen' aus dem Boden gestampft, das ab morgen ausschließlich online beantragt werden kann. Das ist ein enormer Kraftakt," sagte Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des IBB-Vorstands.

Es ist wichtig, dass die Geschäftsbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank sowie Sparkasse und Volksbank Spitzenvertreter an den virtuellen Runden Tisch schicken.

Denn die Institute haben in der Regel das Personal und Knowhow. Viele Anträge müssen die Unternehmen über ihre Hausbank – und nicht über die IBB – stellen.

Aber auch dieses übliche Verfahren ist in Bewegung. „Die EU muss noch das entsprechende EU-Beihilfe-Rahmenwerk temporär anpassen, um diese Rettungshilfen mit einer niedrigen Verzinsung anbieten zu dürfen. Diese Kredite können wir direkt, also nicht im Hausbankenverfahren, vergeben”, erläutert der Sprecher der Förderbank.

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Das Prinzip hinter all den Maßnahmen lautet: Wirtschaftliche Strukturen erhalten. Und seien sie noch so klein. Denn aus Sicht vieler Ökonomen – und wohl auch der Steuerzahler – ist es sinnvoller, heute zu retten was zu retten ist, ohne alle sonst strengen und sinnvollen Kriterien einer Kreditvergabe anzulegen. Die Alternative hieße: Millionenfach Arbeitslosigkeit und Depressionen zu finanzieren.

Ist ein Unternehmen erst zerstört, braucht es Jahre und und viel Motivation und Kraft, ein neues aufzubauen. Insofern dürften auch die Geschäftsbanken bereit sein, die Pläne des Senats zu unterstützen. Und es scheint nicht ausgeschlossen, dass der Bund seinen Bürgschaftsrahmen noch weiter ausweitet. Die EU muss das billigen, da es eine normalerweise nicht zulässige Subvention wäre.

Das alles wird einen Nachtragshaushalt in Berlin und im Bund nötig machen. Bund und Land Berlin werden sich von der Politik der „schwarzen Null” verabschieden und rote Zahlen schreiben müssen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Christian Gräff, fordert von der Wirtschaftsverwaltung ein „Sofortpaket für Kleinstunternehmen, die in Notlage geraten sind“. Sie sollten unbürokratisch und sehr kurzfristig zwischen 5000 und 30 000 Euro als nicht rückzahlbaren Zuschuss erhalten.

„Das Virus stellt uns vor enorme Herausforderungen, gesellschaftlich und wirtschaftlich“, betonte Ramona Pop erneut.

Für weitreichende Maßnahmen habe der Senat nun den Schutzschirm gespannt, doch es brauche auch kurzfristige Hilfen, gerade auch für Selbstständige und Akteure aus der Kreativbranche und in kleinen Start-ups. Daher appelliert die Senatorin an Vermieterinnen und Vermieter, „eine Mietstundung für ihre Mieterinnen und Mieter zu prüfen.

Auch Vermieter haben grundsätzlich ein Interesse, ihre Mieter – Einzelhandel, Läden, Clubs, Steuerbüros und andere – nicht jetzt zu verlieren, denn in drei Monaten stehen die Räume dann leer. Die Krise kann nur gemeinsam bewältigt werden. Ich danke jedem einzelnen, der seinen Part leistet.“

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Um die kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch Selbstständige gezielter unterstützen zu können, haben sich die landeseigenen Unternehmen wie die Tourismusagentur VisitBerlin, die Förderbank IBB und die Wirtschaftsförderagentur Berlin Partner verständigt, jeweils Beratungshotlines zu schalten. Am Dienstag lief ein Probebetrieb mit 50 Anrufen, sagt VisitBerlin-Chef Burkhard Kieker. „Jetzt klingelt das Telefon ununterbrochen.“ In den telefonischen Beratungsgesprächen werde versucht, den Anrufern gezielt mit den anstehenden Handlungsschritten weiterzuhelfen, etwa welche Unterlagen einzureichen sind, ob und wie Kurzarbeitergeld sinnvoll ist, aber auch was es für Steuererleichterungen gibt und was zu beachten ist.

VisitBerlin: 030/264748886 (Mo bis Fr von 9 bis 18 Uhr)

Förderbank IBB: 030/2125-4747 (Mo bis Do von 9 bis 17 Uhr, Freitags bis 15 Uhr)

Berlin Partner: 030-46302440 (rund um die Uhr)

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