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Die Kliniken im Dauerstress. Auf einer Intensivstation wird ein Patient mit schwerem Covid-19-Verlauf behandelt.

© Christophe Gateau/dpa

Exklusiv

Krankenhausgesellschaft Berlin warnt vor Notbetrieb: „Müssen wahrscheinlich bald 2000 Betten für Corona-Fälle freihalten“

Berlins Kliniken werden absehbar im Krisenmodus arbeiten müssen. Die Krankenhausgesellschaft rechnet damit, dass planbare Operationen verschoben werden.

Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) erwartet, dass die Kliniken der Hauptstadt wieder in den Notbetrieb wechseln müssen. Die vielen Corona-Infektionen, die schwere Verläufe nehmen, belasteten die Krankenhäuser, die derzeit noch zehntausende Patienten mit den üblichen Leiden und Verletzungen behandeln.

"Die Berliner Kliniken befinden sich absehbar in einem neuen Krisenmodus. Die Zahlen der Covid-19-Patienten steigen – sowohl auf den Intensiv- als auch den Normalstationen", sagte BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner dem Tagesspiegel. "Die Krankenhäuser bemühen sich darum, die Corona-Patienten über die einzelnen Kliniken zu verteilen. Diesmal soll dies auch für Fälle gelten, die auf Normalstationen behandelt werden, damit die Versorgung in der ganzen Stadt gut erfolgen kann."

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Damit ist das sogenannte Save-Konzept für Intensivpatienten gemeint, wonach die Charité als Level-I-Klinik die schwersten Covid-19-Fälle behandelt, wovon die meisten ständig beatmet werden. Level II sind 16 Kliniken, darunter die landeseigenen Vivantes-Häuser, das Unfallkrankenhaus Berlin und die privaten Helios-Kliniken, weitere schwere Corona-Fälle versorgen. Level-III-Kliniken kümmern sich vorrangig um Intensivfälle, die nicht mit Corona infiziert sind.

Zehn Prozent der Krankenbetten bald für Corona-Fälle freigehalten?

Nachdem schon der Vorstand der Charité vor "Überlastung" durch Covid-19-Fälle gewarnt hat, spricht auch BKG-Geschäftsführer Schreiner davon, sogenannte elektive Eingriffe bald verschieben zu müssen: "Wir rechnen damit, dass planbare Behandlungen in den nächsten Wochen zunehmend verschoben werden müssen, um die steigende Zahl an Covid-19-Patienten versorgen zu können. Wahrscheinlich würden zehn Prozent der Krankenbetten bald für Corona-Fälle freigehalten werden müssen – das sind in Berlin circa 2000 Betten."

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[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: „Es hilft niemandem, wenn wir es verschweigen“ - diese Menschen liegen mit Corona auf Berlins Intensivstationen]

Für die ausbleibenden Einnahmen durch nicht erfolgte Behandlungen und Eingriffe brauchten die Kliniken angemessene Ausgleichszahlungen. Die Krankenhäuser hatten vergangenen Winter vom Bund entsprechende Freihaltepauschalen pro Bett erhalten, damit die Kliniken ihre Ressourcen für Covid-19-Fälle schonen können.

Kinderkliniken bereits durch andere Viren belastet

Trotz derzeit noch vergleichsweise wenigen schweren Covid-19-Fällen wird die Lage dadurch verschärft, dass bundesweit weniger Intensivbetten zur Verfügung stehen als vor einem Jahr. Hintergrund sind erschöpfte Pflegekräfte, die wegen Krankheit oder Jobwechsel fehlen. "Nicht vergessen werden darf auch die Lage auf den Kinderstationen", sagte Schreiner. "Die Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RSV, belasten Personal und Kapazitäten bereits heute dort massiv." Zuletzt mussten Kinder aus Berlin nach Cottbus verlegt werden.

[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: Was sich ändern muss - diese Lehren zieht die Charité aus der Pandemie]

Der Deutsche Ärztetag, der gerade in Berlin tagt, hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen zu stoppen. Für die Kliniken fordern die Ärzte eine Reform der bisherigen erlösorientierten Finanzierung: "Die Vergütungssystematik darf nicht länger ausschließlich auf wirtschaftliche Effizienz eines Krankenhausbetriebes ausgerichtet sein." Die Finanzierung müsse vorrangig am Versorgungsbedarf und somit an Vorhaltekosten für Personal, Bauten und Technik ausgerichtet werden.

Das System der Fallpauschalen müsse verändert werden. Bislang werden die Kliniken von den Krankenkassen pro abgerechneter Diagnose bezahlt. Einige dieser Fälle sind "lukrativer" als andere: Gerade die ambulanten Behandlungen in den Rettungsstellen kosten die Kliniken oft mehr als die Kassen dafür zahlen. Berlins Krankenhausgesellschaft vertritt mehr als 50 Kliniken kirchlicher, frei-gemeinnütziger und privater Eigentümer in allen Bezirken der Stadt.

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