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Justizsenator not amused bei der Vorstellung des Berliner Korruptionsberichts.

© imago/Reiner Zensen

Korruptionsbericht vorgestellt: Die dunklen Gegengeschäfte von Berlin

Im vergangenen Jahr gab es mehr Korruptionsverfahren, aber weniger Anklagen. Der Chefermittler wünscht sich digitale Hilfe und sieht kein Korruptionsproblem bei der Polizei.

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Wie passend – just an dem Morgen, an dem im Roten Rathaus der aktuelle Korruptionsbericht vorgestellt wurde, nahmen Ermittler des Landeskriminalamtes drei Männer fest, darunter einen 39-jährigen, in Wedding eingesetzten Polizisten wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit. Ein krasser Fall – und ein Einzelfall? Fest steht jedenfalls, dass die wenigsten Bestechungstaten bekannt werden dürften.

„Wir haben hier keine Opfer, die ein Interesse daran hätten, sich zu melden. Wir haben nur Täter“, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Reiff von der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung. Die Dunkelziffer sei hoch, der Nachweis schwierig. „Viele Korruptionsanzeigen bestehen aus Vermutungen.“ Geld werde bar gezahlt und nicht überwiesen.

2017 ist nur in zwölf Korruptionsverfahren Anklage erhoben worden, 2016 waren es 17, davor 15. Zumeist werden die Fälle mangels Tatverdacht eingestellt. Insgesamt habe es 114 Korruptionsverfahren (in den Vorjahren 110 und 100) mit insgesamt 211 Beschuldigten (185,170) gegeben.

Das sei „viel zu wenig“, sagte Reiff. „Wir sind überzeugt, dass wir viel mehr Korruption haben, auch Betrug, Unterschlagung, manipulatives Verhalten, der Griff in die Kasse. Aber wie kommen wir ran?“ Deshalb sei er für die Einführung der forensischen Datenanalyse, eine Art Matchingprozess von Datenmengen mit dem Ziel, Auffälligkeiten zu finden.

Die Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung – in der Wirtschaft heißt das Compliance-Abteilung – führen zwar seit Jahren Routinekontrollen durch, händisch und durch Stichproben, doch sei dies im Zeitalter der Digitalisierung gleichbedeutend mit einer Abschaffung der Kontrollen, sagte Reiff.

"Wir sind auf Whistleblower angewiesen"

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sprach ebenfalls von einem großen Dunkelfeld, das es aufzuhellen gelte. „Wir sind darauf angewiesen, dass uns über Korruption berichtet wird, weil die Beteiligten darüber schweigen, wir sind also auf Whistleblower angewiesen“, sagte Behrendt. Um Zeugen zu animieren, sich zu melden, habe man die Funktion des Vertrauensanwalts gewählt.

Kürzlich ist mit Fabian Tietz der Posten besetzt worden. Auch er stellte am Freitag den Tätigkeitsbericht für seine ersten sechs Monate im Amt vor: Die meisten Hinweise führten aber zu nichts. Ziel ist es nun, Tietz bekannter zu machen. Das Gute ist, dass sich hier Zeugen melden können und ihnen Anonymität zugesichert wird. So müssen sie keine Nachteile befürchten.

Angesichts der Razzia gegen den Weddinger Polizisten sagte Reiff: „Ich denke nicht, dass wir im Bereich der Polizei ein Korruptionsproblem haben.“ Pro Jahr gebe es in Berlin drei bis sechs Verfahren gegen Polizisten wegen Bestechlichkeit. Angesichts von mehr als 20.000 Polizisten sei das wenig. Auch nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei haben die deutschen Sicherheitsbehörden kein strukturelles Problem mit Korruption: Es handele sich eher um Einzelfälle.

Nicht immer ist klar, was Polizisten mit Verdächtigen besprechen

Tatsächlich werden korrupte Polizisten nicht oft, aber immer wieder entdeckt. Meist sind es Dealer, Hehler, Rotlichtmänner, die von Polizisten gewarnt werden. Nicht immer ist klar, was genau die Polizisten mit den Verdächtigen besprochen haben.

Im September 2017 wurde ein Polizeischüler bei einer Kontrolle zusammen mit bandenmäßig organisierten Kriminellen festgestellt: Es soll sich um eine rockerähnliche Truppe tschetschenischer und arabischer Männer gehandelt haben. Im März 2017 wurden drei Polizisten aus Steglitz unter dem Verdacht der Korruption festgenommen. Die Beamten sollen Interna an fünf libanesische Heroindealer verraten haben. Im Gegenzug hätten sie jede Woche bis zu 800 Euro erhalten.

Im Herbst 2013 war ein Polizist mit seinem Freund Tahir Ö., einem einschlägig bekannten Schläger, vor einer Diskothek in eine blutige Auseinandersetzung mit Türstehern verwickelt worden. Ö. wurde später offenbar aus Rache von einem Nachwuchsrocker der Hells Angels erschossen. Schon im Jahr 2012 war der Polizeimeister Ahmet K. vom Landgericht wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen verurteilt worden, weil er der selben Rockertruppe, aus der heraus Ö. erschossen wurde, geholfen hatte. Ahmet K. bekam elf Monate Haftstrafe auf Bewährung. Er hatte die türkischen Rocker vor Razzien gewarnt – und dafür offenbar nur einen Motorradhelm bekommen.

Zu einer Geldstrafe von 3600 Euro wurde 2008 ein Berliner Polizist verurteilt. Im Sommer 2006 hatte man bei einem Mann der Bandidos, ebenfalls eine Rockertruppe, eine Liste mit Kennzeichen ziviler Polizeiautos gefunden. Vor Gericht sagte der Polizist, er sei kein Bandido, sondern nur mit dem Rocker befreundet gewesen – und der habe die Liste bei ihm zu Hause unbemerkt eingesteckt.

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