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Gerichte haben kopftuchtragenden Klägerinnen in der Vergangenheit häufig Recht gegeben.

© Bernd Thissen dpa

Kopftuch-Urteil: Berlin legt keine Revision ein

Die Bildungsverwaltung ließ die Frist im Kopftuch-Urteil verstreichen. Am Neutralitätsgesetz soll weiterhin festgehalten werden. Grüne und Linke halten es für verfassungswidrig.

Von Fatina Keilani

Am Donnerstag ist die Frist abgelaufen, innerhalb derer das Land Berlin Revision gegen das jüngste Berliner Kopftuch-Urteil hätte einlegen können. Sie verstrich ungenutzt. Die Bildungsverwaltung hatte entschieden, nicht gegen das Urteil vorzugehen. Der Grund? „Es ist tatsächlich ein Fehler passiert, und es ist ein Einzelfall“, heißt es aus der Bildungsverwaltung. „Wir haben unser Einstellungsverfahren an das Urteil angepasst“, sagte Sprecherin Beate Stoffers. „Die Entschädigung werden wir zahlen.“ 8680 Euro hatte das Gericht der Klägerin im Februar zugesprochen.

An dem Fall war manches untypisch. Eine junge Lehrerin war für den Schuldienst an allgemeinbildenden Schulen unter Verweis auf ihr Kopftuch abgelehnt worden; man hatte ihr aber einen Arbeitsvertrag angeboten, mit dem sie zum Beispiel an Berufsschulen hätte unterrichten können. Das wollte sie nicht. Sie klagte wegen der Benachteiligung vor dem Landesarbeitsgericht auf Entschädigung – und gewann.

Linke und Grüne wollen Neutralitätsgesetz abschaffen

Als Schlussfolgerung drängte sich auf, dass das Wort „Kopftuch“ in der Begründung seitens der Bildungsverwaltung einfach nicht hätte fallen dürfen, da darin eine Diskriminierung aufgrund des Glaubens lag. Künftige Bewerberinnen, die tatsächlich aufgrund ihres Kopftuches abgelehnt werden, bekommen wahrscheinlich entweder keine oder eine andere Begründung. Offiziell bestätigt dies natürlich niemand.

Über den Einzelfall hinaus stellt sich dennoch die Frage, ob das Neutralitätsgesetz dem Untergang geweiht ist. Gerichte haben kopftuchtragenden Klägerinnen in der Vergangenheit häufig Recht gegeben; im Januar 2015 hatte das Bundesverfassungsgericht ein pauschales Verbot als verfassungswidrig qualifiziert. Änderungen am Gesetz sind daher nötig; im Senat zeichnet sich Streit ab.

Antidiskriminierungssenator Dirk Behrendt (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) wollen das Gesetz abschaffen, weil sie es für verfassungswidrig halten. Die SPD ist ebenso wie die Oppositionsfraktionen überzeugt, dass an dem Gesetz festgehalten werden muss.

SPD fordert neutralen Raum in Schulen

„Es stellt einen wichtigen Punkt in der neutralen Arbeit in unseren Schulen dar, dass eben Schülerinnen und Schüler in einem neutralen Raum lernen und auch bewertet werden können“, sagte Senatorin Sandra Scheeres in der Plenarsitzung vom 4. Mai. Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller hatte erst vor wenigen Tagen bekräftigt, dass am Neutralitätsgesetz festgehalten werde. Der Grundschullehrerverband hatte sich Mitte April mit einem Appell an den Senat gewandt, der darauf zielte, das Gesetz zu behalten. Er befürchtet, Lehrerinnen mit Kopftuch würden muslimische Schülerinnen unter Druck setzen, das Tuch ebenfalls zu tragen; Schule solle religiös neutral sein. Sämtliche Oppositionsfraktionen gaben am Donnerstag Erklärungen wesensgleichen Inhalts ab, nämlich dass das Kopftuchverbot bleiben muss. Man könnte sagen, das Gesetz hat im Parlament eine stabile Mehrheit, im Senat allerdings nicht.

Justizsenator Behrendt wollte am Donnerstag keinen Kommentar zur Entscheidung der Bildungsverwaltung abgeben; seine Meinung sei bekannt, das Neutralitätsgesetz als solches werde dann im Senat diskutiert. „Ach so? Nein, in nächster Zukunft sehen wir da gar keinen Diskussionsbedarf“, teilte Senatssprecherin Claudia Sünder mit.

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