zum Hauptinhalt
Bühnenerprobt sind Sebastian Stipp und seine Kollegin Anne Griesbach.

© Doris Spiekermann-Klaas

Konzert in Neuköllner Oper: Den richtigen Ton treffen

Mit einem Konzert am Mittwoch setzt sich Neukölln für LSBTI-Akzeptanz ein. Die Idee kommt von einem Berliner LKA-Polizisten.

Da ist die Geschichte mit den Noten, nur mal als Beispiel. Der Pianist Marian Lux begleitet ja alle Sänger, er musste natürlich wissen, was er spielen soll, er musste seine Nummer auch einstudieren. Aber wenn die Künstler ihre Noten nicht lieferten, konnte er nicht üben.

Also ist Sebastian Stipp den Noten der Sänger hinterher gelaufen, „manchen Künstlern“, sagt er, „muss man halt auf die Füße treten“. Doch die Noten waren nur eines der viele Probleme, die er lösen musste. Der Polizeikommissar Stipp, 34 Jahre alt, hat einige unruhige Nächte hinter sich.

Stipp ist nicht bloß Ansprechperson für Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) bei der Polizei Berlin, er ist auch einer der Organisatoren des Konzerts #gemeinsambunt, das am heutigen Mittwoch in der Neuköllner Oper stattfindet. Seine Kollegin Anne Griesbach, ebenfalls Ansprechperson für LSBTI unterstützt ihn maßgeblich bei der Organisation.

„Bunt“, das ist die Chiffre für die Akzeptanz sexueller Vielfalt. Und für die Organisatoren ist das Konzert „unsere Stimme für ein vielfältiges Neukölln, gegen Ausgrenzung und Gewalt“.

Wie löst man das Problem der Hasskriminalität?

Wer, nicht bloß in Neukölln, ausgegrenzt wird, ist klar. Da ist Sebastian Stipp wieder ganz Polizeikommissar: „2018 hat sich die Zahl der angezeigten Straftaten im Bereich der Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert.“ Und das sind nur die offiziellen Zahlen, das Dunkelfeld ist enorm groß.

Solche Zahlen waren der Grund, aus dem das Jugendamt Neukölln mit Polizei, Lesben- und Schwulenverband und weiteren Einrichtungen 2018 einen Arbeitskreis bildete. Auf der Tagesordnung die zentrale Frage: Wie lösen wir wenigstens ansatzweise dieses Problem der Hasskriminalität?

Irgendwann sagte Stipp schlicht: „Wie wäre ein Konzert?“ Mit Künstlern, die das Thema aufgreifen und darüber aufklären, jeder auf seine Weise, in leichter, unterhaltender Form, in einer Art Musical, mit einem Pianisten, der begleitet. Klar, dass Stipp diese Idee hatte.

Stipp nahm im vergangenen Jahr bei "Voice of Germany" teil

Er stand selber mal bei einem Musical auf der Bühne, 2011, im Theater am Potsdamer Platz, als bei „Hinterm Horizont geht’s weiter“ Lieder von Udo Lindenberg gespielt wurden. Stipp gab auf der Bühne Marco, den Hammerwerfer. Damals war er noch kein Polizist.

Kein Problem für ihn, er hat Musical und Show an der Universität der Künste studiert. Millionen Menschen ist er bekannt durch seinen Auftritt im vergangenen Jahr bei der Casting-Show „Voice of Germany“. Stipp kam immerhin bis in die letzten Runden. Der 34-Jährige betrachtete die Sendung aber vor allem als Plattform, um den Kampf gegen Homophobie zumindest ansprechen zu können.

Eine weitere Plattform, viel kleiner diesmal allerdings, bietet die Neuköllner Oper. „Wir wollen die Zuschauer dazu bringen, dass sie sich selber überprüfen und fragen, wie sie sich denn im konkreten Fall verhielten. Was ist, wenn sich plötzlich herausstellt, dass ein Mitglied der Familie homosexuell ist?“, sagt Stipp. Oder: „Wie reagiert man, wenn eine transsexuelle Person auf einen zukommt?“ Gelassen? Erschrocken? Angewidert sogar? „Wir wollen klar machen, dass diese Menschen Teil des Alltags sind.“

Die Einnahmen kommen karitativen Initiativen zugute

Deshalb wird bei #gemeinsambunt von leichter Unterhaltung auch immer wieder in den ernsten Modus umgeschaltet. Die liberale, von manchen konservativen Muslimen massiv angefeindete Frauenrechtlerin Seyran Ates, Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel, der Sozialarbeiter, Psychologe, Gründer und Leiter einer Selbsthilfegruppe für türkischstämmige Männer in Neukölln Kazim Erdogan, außerdem Stipps Kollegin Anne Griesbach – sie alle werden sich auf der Bühne zu Wort melden.

Nicht lange, aber eindringlich genug. Die musikalischen Parts übernehmen unter anderem David Arnsperger, David Nadvornik, Michael Dixon und das Musical-Ensemble der Musikschule Neukölln. Einige der Künstler kennt Stipp noch aus seiner Musical-Vergangenheit.

Die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernehmen Martin Hikel, die Kabarettistin Désirée Nick und der Comedian Thomas Hermanns. Die Einnahmen fließen an drei Initiativen, die sich besonders für den Kampf gegen Ausgrenzung und Gewalt kümmern, darunter „Heroes“, wo man sich „gegen Unterdrückung im Namen der Ehre“ engagiert.

„In der Neuköllner Oper bin ich quasi groß geworden“

Zielgruppe des Konzerts, sagt Stipp, „sind Leute, die im Umfeld der Neuköllner Oper wohnen, aber auch Vereine und Projekte, die mit Integration zu tun haben.“ Das Deutsch-Arabische Zentrum zum Beispiel. Wobei solche Vereine und Projekte eher nicht über die Bedeutung des Kampfs gegen Homophobie aufgeklärt werden müssen. Aber sie sollen diese Gedanken ja auch an Personen weitertragen, mit denen sie arbeiten.

Neukölln als Ausgangspunkt dieser Botschaft ist schon richtig gewählt, meint Stipp. „Hier gab es im vergangenen Jahr besonders menschenverachtende Attacken auf LSBTI-Personen.“ Für ihn kommt noch ein persönlicher Aspekt dazu. „In der Neuköllner Oper bin ich quasi groß geworden.“ Hier liegen die Wurzeln seiner eigenen künstlerischen Laufbahn.

„gemeinsambunt", 20 Uhr, Benefizkonzert gegen Ausgrenzung und Gewalt in der Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131-133. Freier Eintritt, Spenden erbeten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false