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Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, steht vor einem Transparent "77.001 Unterschriften für Vergesellschaftung" und spricht zu anderen Mitgliedern und freiwilligen Helfern der Initiative vor der Übergabe der Unterschriften für ein Volksbegehren an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport.

© dpa/Gregor Fischer

Konstruktive und harmonische Stimmung: Einigungsversuch zwischen Rot-Rot-Grün und den Initiatoren von „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“

Rot-Rot-Grün will sich mit Vertretern des Enteignungs-Volksbegehrens treffen. Außerdem sollen unbegleitete Flüchtlingskinder nach Berlin geholt werden.

Von Ronja Ringelstein

Die Spitzen der rot-rot-grünen Koalition wollen sich mit den Initiatoren des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ zu einem Gespräch treffen. Das ist das Ergebnis des Koalitionsausschusses der drei Parteien am Mittwoch. Die Stimmung war konstruktiv, fast harmonisch. Neben dem Volksbegehren wurde ein anderes strittiges Thema abgeräumt: Die Koalition verständigte sich darauf, dass minderjährige Geflüchtete aus humanitären Gründen aus Griechenland vom Land Berlin aufgenommen werden.

Seit acht Monaten prüft die Senatsinnenverwaltung, ob das Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen rechtlich zulässig ist. Die Linke unterstützt das Volksbegehren per Parteitagsbeschluss aktiv und möchte, dass die Initiative die zweite Stufe, also das eigentliche Volksbegehren, erreicht. Angesichts der Einführung des Mietendeckels und eines Bodenfonds zum Erwerb von Grundstücken setzen die Grünen vielmehr auf den Abschluss eines Verständigung mit der Initiative.

Prüfung der Zuverlässigkeit des Volksbegehrens dauert zu lang

Die SPD lehnt Enteignungen ab, erkennt per Parteitagsbeschluss aber das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ als wichtiges „zivilgesellschaftliches Engagement“ an. Ein Enteignungsgesetz, wie es die Initiative fordert, lehnt die SPD aber ab.

Dass die Innenverwaltung seit Monaten die Zulässigkeit des Volksbegehrens prüft, ist für den Sprecher der Initiative, Rouzbeh Taheri, nicht akzeptabel. Sollte die Verwaltung nicht bis zum 3. März den Entscheid veröffentlicht, plant die Initiative „Guerilla-Aktionen“ vor der Berliner SPD-Parteizentrale. Taheri schloss am Mittwoch eine Untätigkeitsklage gegen die Verwaltung nicht aus, begrüßte aber das Gesprächsangebot der Koalition.

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Rot-Rot-Grün ist außerdem fest entschlossen, eine Lösung zu finden, um unbegleitete geflüchtete Kinder selbstständig ins Land zu holen. Sie sollen aus Lagern wie Moria auf der griechischen Insel Lesbos nach Berlin geholt werden und ein regulären Asylverfahren bekommen.

Seehofer spricht sich für eine „europäische Lösung“ aus

Die Koalition einigte sich am Mittwoch darauf, dass sie diesen Weg über den Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes gehen möchte. Dort steht, dass die oberste Landesbehörde „aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen“ Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis erteilen kann. Dafür allerdings braucht das Land noch das „Einvernehmen“ des Bundesinnenministeriums. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich zuletzt aber stets für eine „europäische Lösung“ ausgesprochen.

Deshalb sind manche in der Koalition skeptisch, ob das Bundesinnenministerium nun sein Okay geben wird. „Wir gehen davon aus, dass das Bundesinnenministerium unserem Anliegen folgen wird“, hieß es aus Koalitionskreisen. Bisher war die Aufnahme von 70 Kindern im Gespräch, eine Zahl sei aber im Koalitionsausschuss nicht diskutiert worden.

Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Griechenland 2019 mehr als 70 000 Asylsuchende aufgenommen. Mehr als ein Drittel davon sind Kinder, die meisten von ihnen, etwa 60 Prozent, sind jünger als zwölf Jahre. 5200 unbegleitete Kinder leben derzeit in Griechenland. Nur jedes vierte Kind hat eine dem Alter entsprechende Unterkunft. Sie leben unter schlimmsten Bedingungen in den Flüchtlingscamps auf Lesbos und Samos oder auf der Straße in Großstädten.

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