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Im Gastgewerbe steigt der Index der Geschäftslage erstmals seit zwei Jahren auf einen positiven Wert auf acht Punkte.

© Tagesspiegel/Kai-Uwe Heinrich

Update

Konjunkturbild der Berliner Wirtschaft zweigeteilt: Gastgewerbe erholt sich – Industrie, Bau und Handel pessimistisch

Im Gastgewerbe es erstmals nach zwei Jahren wieder aufwärts. Industrie, Bau und Handel aber schwächeln.

Die einen schauen skeptisch auf die konjunkturelle Entwicklung, die anderen erholen sich gerade aus einer zuletzt miserablen Lage: Das Konjunkturbild der Berliner Wirtschaft ist zweigeteilt. Das ergab die jährliche repräsentative Umfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK), die am Montag vorgestellt wurde.

Vor allem der Krieg in der Ukraine, die rasant steigenden Energiepreise und Lieferkettenprobleme „bremsen“ die positive Entwicklung in der Wirtschaft, hieß es in dem Bericht.

Skeptisch blickten demnach vor allem Industrie, Bau und der Handel auf die kommenden Monate.

Das Gastgewerbe, zuletzt arg gebeutelt durch die Lockdown-Folgen während der Corona-Pandemie, sei zuversichtlicher gestimmt als noch Anfang 2022. Der Konjunkturklimaindex liegt laut IHK-Bericht demnach bei 119 Punkten, das sind vier Punkte weniger als zu Jahresbeginn. Er spiegelt das Ergebnis der IHK-Konjunkturumfrage von mehr als 500 Unternehmen wider; der Befragungszeitraum war der 19. April bis 6. Mai dieses Jahres.

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In den Dienstleistungsbranchen gewinnen die Geschäfte moderat hinzu. Der Handel, persönliche und unternehmensnahe Services – also etwa Frisörsalons oder Kosmetikstudios – berichteten von steigender Nachfrage, wenn auch bei weitem noch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Im Gastgewerbe steigt der Index der Geschäftslage erstmals seit zwei Jahren auf einen positiven Wert auf acht Punkte (nach -80 zu Jahresbeginn).

Warum diese Branchen so positiv gestimmt sind? Sie erwarten laut IHK einen „Nachholeffekt“ der Konsumentinnen und Konsumenten. Trotz hoher Inflation und steigender Preise „gönnen sich viele Leute jetzt das, was sie seit der Pandemie weniger bis gar nicht gemacht haben: Reisen, ins Restaurant gehen“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder den Effekt.

Der Handel wird die Einsparungen der Leute diesmal mehr zu spüren bekommen

Gespart werde trotzdem mehr aufgrund der aktuellen Lage, nur wird das diesmal seiner Einschätzung nach eher der Handel, vor allem bei den Online-Geschäften, zu spüren bekommen. „Spätestens, wenn die Menschen die hohen Energiepreise zu spüren bekommen, schränken sie sich vermehrt bei großen Anschaffungen ein“, vermutet Eder.

Im Logistik- und Verkehrsgewerbe sowie den produzierenden Branchen lässt die geschäftliche Dynamik teils erheblich nach. Den Betrieben machen bereits seit Monaten steigende Preise und gestörte Lieferketten zu schaffen. 68 Prozent der Unternehmen berichten von Lieferschwierigkeiten „von mittlerem bis erheblichen Umfang“. Das Ausmaß schwankt dabei von Branche zu Branche.

Nahezu alle befragten Betriebe leiden unter Lieferschwierigkeiten

Wer beispielsweise aktuell ein neues Fahrrad bestellen möchte, habe Schwierigkeiten, überhaupt eines zu bekommen, sagt Eder. Nahezu alle befragten Industriebetriebe (98 Prozent) und Betriebe im Gastgewerbe (97 Prozent) leiden unter Lieferschwierigkeiten. Auch in Handel oder Baugewerbe spüren lediglich sieben Prozent der Befragten keine Lieferengpässe.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den steigenden Preisen. Knapp jedes zweite Unternehmen ist in erheblichem Umfang von Steigerungen betroffen, weitere 28 Prozent von Erhöhungen in mittlerem Umfang. Ursache sind vor allem die wachsenden Energiepreise (67 Prozent), höhere Kosten für Waren (65 Prozent), steigende Arbeitskosten (49 Prozent) und mehr Ausgaben für Dienstleistungen (44 Prozent).

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Die Geschäftserwartungen gehen in fast allen Branchen zurück. So erwarten 40 Prozent der Befragten in der Industrie „sich eintrübende Geschäfte“, auch ein erheblicher Teil der Dienstleistungsunternehmen (19 Prozent) bewertet die Aussichten schlechter als noch zu Jahresbeginn.

Die Entwicklung der Preise und die unklare Liefersicherheit von Energieträgern, Vorprodukten und Rohstoffen sind so risikobehaftet wie seit langer Zeit nicht mehr.

„Wir sind mit wirtschaftlichen Problemlagen weltweiten Ausmaßes konfrontiert. Die Berliner Politik allein wird es nicht richten können.“ Aber eine Verbesserung der Rahmenbedingungen könne helfen, einen Teil der Last zu mildern. Das Neustartprogramm des Wirtschaftssenators Stephan Schwarz (parteilos, für die SPD) sei dafür ein gutes Signal, es bedürfe aber „weiterer, struktureller Verbesserungen“.

Die aktuelle Konjunkturlage wirkt sich laut IHK auf den Wohnungsbaumarkt aus

Das geplante Ölembargo dürfe nicht dazu führen, dass die Belastungen zwischen Ost- und West-Deutschland bei der Versorgung mit petro-chemischen Produkten beziehungsweise die Folgekosten sehr zu Ungunsten der ostdeutschen Regionen ausfallen.

Eder wies zudem darauf hin, dass die aktuelle Lage Auswirkungen auf die Wohnungsbaupolitik haben wird.

Die Vereinbarungen, die im „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ des Senats getroffen werden, könnten aufgrund der extremen Lieferengpässe in der Baubranche seiner Ansicht gar nicht eingehalten werden.

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