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Viele Eltern laden Fotos ihrer Kinder im Netz hoch (Symbolbild).

© Doris Spiekermann-Klaas

Kolumne: Was macht die Familie?: Keine Fotos, bitte!

Alle anderen laden ständig die Fotos ihrer Kinder im Internet hoch. Die Tochter unserer Autorin hingegen streitet für ihr Recht am eigenen Bild.

Neulich ist mir aufgefallen, dass ich die Einzige von meinen Freunden bin, die immer noch kein Foto bei Whatsapp hochgeladen hat. Das Problem: Ich besitze keine Fotos von mir. Meine gesamte Speicherkarte ist zwar voll – allerdings nur mit Bildern meiner zwei Töchter. So ähnlich scheint es vielen Eltern zu gehen. Will ich über den Nachrichtendienst mit einer Person in Kontakt treten, lächeln mich kleine Babys oder schon etwas größere Kinder von den Profilbildern an. Ich habe mittlerweile drei Nutzertypen kategorisiert: Da sind erstens die ganz jungen Eltern. Sie sind noch mächtig stolz auf ihren Nachwuchs und wollen, dass jeder mitbekommt, welche Entwicklungsschritte dieser gerade macht. Kennzeichnend ist, dass das Kind in Nahaufnahme gezeigt wird und das Gesicht klar zu erkennen ist.

Die zweite Kategorie sind die Eltern von etwa Drei- bis Vierjährigen. Hier tritt nach Jahren der totalen Aufopferung das eigene „Ich“ in den Vordergrund. Meistens bildet sich das Elternteil jetzt gemeinsam mit dem Kind ab. Häufig präsentiert dieses dabei eine neue Fähigkeit, worauf die Eltern besonders stolz sind, fährt Fahrrad oder Ähnliches. Bedeutet: Ich möchte allen meinen Nachwuchs zeigen, habe aber wieder zu mir selbst gefunden.

Sobald das erste Kind in der Schule ist, die Familie meistens auch um ein oder zwei Personen gewachsen ist, kommt das Familienporträt ins Spiel – natürlich ohne Partner. Wer will den oder die schon sehen?

Sie verlangt, dass ich sie aus Fotos wieder rausschneide

Spätestens wenn die Kinder zehn oder zwölf Jahre alt sind, hört es allerdings rasant auf mit dem Stolz der Eltern. Dann werden statt Kindern wieder Landschaftsbilder eingesetzt. Die Personen haben wieder Hobbys, zeigen sich beim Surfen oder Klettern. Richtige Porträtfotos im Profil – so wie es der Dienst eigentlich vorgesehen hat – postet eigentlich nur die Generation 60plus. Warum? Das müssten wir unsere Eltern fragen. Warum verwenden die eigentlich keine Fotos aus ihren Mittdreißigern als Profilbild?

Was mein eigenes Profil angeht, fühle ich mich häufig geneigt, mich der Kategorie eins, zwei oder drei anzuschließen. Immerhin sind Kinder sehr identitätsbildend. Allerdings hat meine vierjährige Tochter neuerdings ihr „Recht am eigenen Bild“ entdeckt. Vor jedem Foto wird gründlich abgewogen. Meistens heißt es dann höflich: „Jetzt nicht, Mama, ich hüpfe gerade.“ Manchmal werde ich einfach wild schreiend abkommandiert. Im letzten Urlaub musste ich deshalb gründlich in die Trickkiste greifen, um nur irgendein Bild von ihr fürs Familienalbum zu erhaschen. „Ich fotografiere nur dein Essen, nicht dich“, log ich ihr zum Beispiel vor. Oder: „Jetzt mache ich ein Bild nur von deiner Schwester, du kannst ruhig daneben sitzen bleiben.“ Leider flog ich meistens trotz Raffinesse auf und wurde wie der letzte Paparazzo wüst beschimpft. Besser, ich hätte mich in einer Mülltonne mit Schlitzlöchern versteckt.

Um meine Scham abzumildern, zeigte ich ihr ein Tool, mit dem man Personen wieder aus Fotos rausschneiden kann. Das fand sie richtig klasse. Seitdem fordert sie regelmäßig von mir, sie von Bildern wieder zu entfernen. Manchmal in gnädigen Momenten darf ich sie jetzt trotzdem wieder fotografieren. Über die Vermarktungsrechte bestimmt sie selbst. Das ständige Whatsapp-Fotogeschicke findet sie lästig. Manche Fotos darf ich deshalb „nur“ an den Papa schicken, andere explizit „nur an Oma“ und andere darf „niemand“ sehen. Wie ein echter Popstar hat sie mittlerweile auch erkannt, wie Fotos gezielt eingesetzt werden können, um ein bestimmtes Image zu erzeugen. Neulich vor dem Zubettgehen bat sie mich deshalb: „Mach doch gleich ein Foto von mir mit ,Augen zu‘ und zeig Papa, dass ich schon schlafe“.

Die ARD-Dokumentation „Kinderfotos im Netz“ ( in der Mediathek zu sehen) zeigt auf erschreckende Weise, wie unbedarft gepostete Alltagsfotos auf Pädophilen-Blogs landen. Ein analoges Familienfoto mit fotoscheuen Kindern kann man hingegen in einem der vielen Fotoautomaten in Berlin machen, etwa am Kottbusser Tor.

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