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Gut Pfad! Unsere Tochter ist für künftige Abenteuer gut gerüstet.

© Stephan Wiehler

Kolumne: Was macht die Familie?: Den Affen schultern

Wie Armeetornister aus dem Zweiten Weltkrieg heute zu pazifistischen Zwecken genutzt werden. Unser Autor stattet seine Tochter für die Pfadfinder aus.

Familie, das ist die soziale Konstellation, in der Erwachsene ständig in Versuchung geraten, sich kindisch zu benehmen, und Kinder dazu neigen, sich als Erwachsene aufzuführen.

Ich gehe meiner Tochter Greta ein paar Schritte voraus, in der Hoffnung, der nervigen Diskussion mit ihr so aus dem Weg gehen zu können. Was natürlich albern ist, weil sie mich schon wieder eingeholt hat. „Ich verstehe nicht, warum es nicht ein ganz normaler, sauberer, neuer Rucksack sein kann, sondern dieser muffige Affe aus dem Mittelalter sein muss“, sage ich. „Weil es eben Tradition ist bei uns Pfadfindern“, entgegnet Greta. Das hört sich an, als wäre sie bei der Gründung vor 100 Jahren selbst dabei gewesen. Kinder sind so schrecklich konservativ.

„Die Dinger fallen doch fast auseinander, und sie stinken nach Keller und totem Soldaten.“ Wir haben uns eines dieser antiken Stücke bei den Pfadfindern angeschaut. Original Wehrmachtsware, die Lederriemen rissig, von mehreren Generationen geschultert, vom Schweiß unzähliger Fahrten gegerbt. Immerhin: Hier wird ein Produkt mal nachhaltig genutzt, und das für einen guten, vollkommen pazifistischen Zweck.

Ergonomisch ist der Armeetornister eigentlich keinem Kind zumutbar

Wegen seiner Fellbespannung wird der Tornister, das einstige Sturmgepäck des deutschen Landsers, auch Affe genannt. Es ist ein Ungetüm, und das Ding auf dem Rücken zu tragen, ist eigentlich keinem Kind zuzumuten, schon gar nicht, wenn daran noch das Kochgeschirr (kurz Koschi genannt) und die knapp einen Meter lange Affenrolle hängt. Das ist eine Wurst aus feldgrüner Bundeswehrplane, in der Schlafsack und Schafsfell wetterfest verwahrt werden.

Doch was soll’s, denke ich. Wenn das Kind sich unbedingt in die Tradition der bündischen Jugend einreihen will, wer bin ich, ihm Steine in den Weg zu legen?

Unsere Kinder müssen damit schließlich nicht in den russischen Winter. Ohnehin kann ich Greta den Affen nicht ausreden. Sie ist jetzt zwölf und gerade Sippling geworden.

Am besten ein Tornister aus der Schweiz

Also auf ins Netz, den Marktplatz des Exotischen und Bizarren erkunden. Erstaunlich, wie viele Militärtornister auf den einschlägigen Plattformen gehandelt werden. Bei den etwa 220.000 Pfadfindern, die es hierzulande geben soll, ist offensichtlich einiges an Ware in Umlauf. Allerdings gibt es große Qualitätsunterschiede, das sieht man schon auf den Bildern. Ich ersteigere ein Schweizer Modell für knapp 60 Euro, Jahrgang 1940. Als die Ware nach einigen Tagen zu Hause ankommt, bin ich überrascht, wie gut das Exemplar erhalten ist. Ich kann nur allen Pfadfinder-Eltern, die ihren Kindern einen Affen kaufen möchten, empfehlen, sich für einen Schweizer Militärtornister zu entscheiden. Es macht schon einen Unterschied, ob man mit seinem Tornister bei Feindbeschuss durch den Morast kriechen musste oder ob er nur zu regelmäßigen Reserveübungen in der frischen Bergluft getragen wurde.

Greta nahm ihr Geschenk kritisch in Empfang. Eigentlich sei der Affe aus der Schweiz im Vergleich zum deutschen Rucksack quadratischer und an den Seiten etwas zu ausladend. „Dafür hat er aber nicht an einem Angriffskrieg teilgenommen“, stellte ich klar. Dieser Hinweis stimmte sie friedlich.

Den Weg zu Pfadfindern in Berlin finden Sie über die „Ringe der deutscher Pfadfinderinnen- und Pfandfinderverbände“ (rdp), dem Dachverband der fünf größten Verbände. Die Internetseite pfadfinden-in-deutschland.de führt sie zu allen Mitgliedsverbänden.

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