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Kolumne „Darüber reden": Sätze, die eine Depressive nie wieder hören will

Worte können verletzen – oder helfen. Hier berichtet eine depressive Berlinerin, wie sie angesprochen werden möchte.

Ilse Coordes, 61 Jahre alt, leidet seit Jahrzehnten unter Depressionen. In dieser Zeit hat sie viele Ratschläge und Kommentare zu hören bekommen - mit sehr unterschiedlicher Wirkung.

„Du bist doch nur faul, steh einfach mal auf!"
Meine erste schwere Depression hatte ich im Alter von 26 Jahren – damals gab es einige Kommentare, die mich sehr gekränkt haben. Meine Gedanken haben sich in einer Spirale bewegt: Ich schaffe das alles eh nicht, ich bin nichts wert, ich komme aus diesen schwarzen Tiefen nie wieder raus.

Ich war hohl, leer – eine absolute Verzweiflung. Dabei leitete ich doch eine Pension mit Restaurant, war sonst immer voller Energie und total strukturiert! Deswegen war es für mein Umfeld auch so schwer zu begreifen, warum ich plötzlich nicht mal mehr aus dem Bett kam und kaum in der Lage war, mich selbst zu versorgen.

„Du solltest mal wieder rausgehen, die Sonne scheint so schön!"
Ich habe lange gebraucht, um meine Krankheit kennenzulernen und zu akzeptieren. Ganz fürchterlich für mich waren in dieser Zeit die vielen Ratschläge, die mir aufgenötigt wurden. Die haben mich richtig verletzt und aggressiv gemacht! Während meiner depressiven Phasen fühle ich mich wie ein Käfer, der auf den Rücken gedreht wurde und sich nicht alleine auf die Füße stellen kann. In dieser Situation ist schon die gut gemeinte Aufforderung, mal wieder zum Sport zu gehen, eine echte Nötigung.

„Ich bin für dich da. Auch wenn ich nicht verstehe, wie du dich fühlst."
Für mich war immer das Gefühl ganz wichtig: Ich entscheide! Ich bekomme etwas angeboten und kann dieses kleine Angebot annehmen. Eine Freundin hat mich zum Beispiel gefragt: „Ich gehe jetzt eine Pizza essen. Hast du Lust, mich zu begleiten?“ Damit konnte ich etwas anfangen, das hat geholfen, meine Lethargie zu überwinden.

Freunde haben bei mir auch angerufen, immer wieder, obwohl ich nicht rangegangen bin. Diese Empathie, die Fürsorge: Wenn man eine große emotionale Qual hat, ist es enorm wichtig, zu wissen, dass es noch jemanden gibt, der für einen da ist. Das hat mich im Leben gehalten.

Ilse Coordes berät andere Betroffene und Angehörige in der Peer-Beratung des gemeinnützigen Berliner Vereins bipolaris.

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