zum Hauptinhalt
Teilnehmer sammeln für die Gerichte Gemüse, Salat, Kräuter, Obst sowie verschiedene Tomatensorten ein.

© Kitty Kleist-Heinrich

"Kochende Gärten" in Brandenburg: Von der Hand in den Topf

Zum Pflücken erst ins Beet, dann für den Kochkursus an den Herd. Bei den „Kochenden Gärten“ gleich neben Schloss Steinhöfel lassen sich wahre Gartenschätze entdecken. Ein Auszug aus dem Magazin Tagesspiegel-"Brandenburg".

Von Susanne Leimstoll

Hier läuft alles anders als in den üblichen Kochkursen. Das Abwaschwasser wird auf dem Herd heiß gemacht, das Nudelwasser auf der Wiese abgegossen. Das Gemüse kommt erdig, sandig und mit Käfern zum Putzen. Wenn der Sommertag heiß ist, rennen die Hobbyköche zur Abkühlung kurz unter den Rasensprenger, wenn der Gewitterregen prasselt, ziehen Tisch, Stühle, Mahlzeiten und Essengäste ins Gewächshaus um, alle lassen es sich weiter schmecken, umrankt von 30 Sorten Tomaten. Und wenn der Wind aufbrist, ist das nicht wirklich günstig fürs Kochen mit Gasherd. Aber, meine Güte, was für ein Naturerlebnis, welch ein Spaß und lehrreiches Vergnügen!

Mitten in einem zweieinhalb Hektar großen, ökologisch bewirtschafteten Garten im ostbrandenburgischen Dorf Steinhöfel, einst Teil des gleichnamigen spätklassizistischen Schlosses, das drüben in Sichtweite steht, wird mehrfach im Jahr in der Gruppe geerntet, gekocht und getafelt. „Kochende Gärten“ nennt sich die Reihe, getragen vom Verein „LandKunstLeben“, der, könnte man sagen, die Menschen im Grünen zusammenbringt.

Die Kochkurse sind nur ein Part der Konzeption. Schon seit 2002 organisiert die Initiative im Lehrgarten geförderte Kunstprojekte und Aktionen wie interkulturelles Gärtnern, Gesprächsrunden, Workshops. Sie hat es geschafft, Dorfbewohner einzubinden und auch Ortsansässige, Geflüchtete und Praktikanten an eine Tafel zu bringen. Der Garten und das Kochen verbinden. Arbeiten, Lernen, Genießen.

Geerntet werden unter anderem frische Trauben.
Geerntet werden unter anderem frische Trauben.

© Kitty Kleist-Heinrich

An diesem Sommertag kommen alle 14 Teilnehmer aus Berlin. Zum Beispiel Leon und Tiara, beide 22. Ihnen sind die Küchenideen ausgegangen, sie hoffen auf Anregungen. Natalie, 44, hat 16 Jahre in Paris gelebt und stieß im Internet auf das Freiluftkochen. René hat den Kursus von seiner Frau Heike zum Geburtstag bekommen, und Anke hat ihn ihrer Mutter Irmgard geschenkt, weil die auch einen Garten hat. „Aber eben nicht in dieser Fülle.“

Das Kursthema passt zur wuchernd grünen Umgebung: italienische Küche aus der Toskana und dem Latium. Kursleiterin Katrin David hat 15 Jahre in Italien gelebt. Als Köchin ist sie eigentlich Autodidaktin – na ja, sie stammt aus einer kochverrückten Familie, hat im Catering und Feinkostbereich gearbeitet, als Köchin in einem Restaurant in der Oberbaumcity jeden Mittag 200 Essen rausgeschickt und jahrelang für Kochschulen gearbeitet, ehe sie ihre eigene hatte: „Kochmal“ in Friedenau.

30 Tomatensorten wachsen in den "Kochenden Gärten".
30 Tomatensorten wachsen in den "Kochenden Gärten".

© Kitty Kleist-Heinrich

Schon seit dem Vormittag hat sie in Steinhöfel mit zwei Praktikanten alles aufgebaut rund um die große Kochstelle mitten auf der Wiese. Unterm Spalier sind die langen Gartentische mit weißem Porzellan, roten Servietten und gestürzten Gläsern eingedeckt. Zur Begrüßung reicht sie Sekt mit Holunderblütensirup, Bruschetta und Wassermelone mit Käse, da fühlen sich Gäste gleich willkommen. Sie werden Brotsalat in tausend Gemüse- und Blütenfarben zubereiten, Gnocchi mit Pecorino, auf römische Art geschmorte Keulen vom Freilandhähnchen und zum Gartenfrüchtesalat frisch gebackene Cantuccini mit Vin Santo knabbern.

Was nicht auf der Arbeitsfläche steht, wird selbst geerntet – und zwar jetzt. Glückssache, was gerade wächst.

Auch frischer Blatt- und Blütensalat steht auf der Karte.
Auch frischer Blatt- und Blütensalat steht auf der Karte.

© Kitty Kleist-Heinrich

Jeder schnappt sich einen Korb und folgt Gartenleiter Arne Ihm von Beet zu Beet. Im Biogarten wachsen Merkwürdigkeiten, die keiner der Teilnehmer kennt: alte Gemüse- und Obstsorten, längst vergessen und hier wieder zu botanischem Leben erweckt. Kräuter stehen hüfthoch, von allen darf man etwas abknipsen, reinschmecken und rätseln, was das sein mag. 15 Sorten Kartoffeln und Kohl warten auf die Ernte, Prunkbohnen blühen orange und blau, an einem Stock schlängelt sich mit lila Früchten die Helenenbohne, und neben der Prachtwinde „Morning Glory“ greift der Gärtner ins Blattwerk und zwackt Zwerggürkchen ab, die aussehen wie dicke Kapern.

Die Gartenmelde, die Katrin David zu den Gnocchi geplant hat, ist schon zu weit, also ernten die Teilnehmer Neuseeländer Spinat. Und im Gewächshaus, einem Zelt, in dem die trockene Hitze steht wie eine Wand, lernen alle die Hautfarben der Tomaten kennen: gelb, dunkelrot, schwarz oder schwarzrot marmoriert, das „weiße Ochsenherz“ und das „grüne Würstchen“. Dort wachsen dicke gekerbte neben klitzekleinen mit zarter Schale.

Im Garten wächst unter anderem die lila Helenenbohne.
Im Garten wächst unter anderem die lila Helenenbohne.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wieso gibt's die nicht im Laden? „Was keine Sortenzulassung hat, darf nicht in den Handel“, sagt Arne Ihm. Also ist der Garten Steinhöfel auch so etwas wie ein Gemüsezoo mit dem Auftrag zur Artenerhaltung. Ihm lässt der Natur ihren Lauf und sagt: „Ich mach hier nix an Pflanzenschutz.“

Fast vergisst die Gruppe, dass sie noch kochen soll. Die Schnittlauchblüten tragen kleine Nektartropfen. „Aah!“, sagt Arne, „ooh!“, sagen die Lehrlinge und „hmm!“, Zitronenverbene, auch perfekt im Kaltgetränk. Auf dem Rückweg nehmen sie Löwenzahn und Schafsgarbe mit für den Salat.

Nach dem Ernten wird geschnippelt: Zum Beispiel frischer Sellerie.
Nach dem Ernten wird geschnippelt: Zum Beispiel frischer Sellerie.

© Kitty Kleist-Heinrich

Beim Kochen zeigen sich kleine Tücken: Der Gnocchi-Teig wird nicht homogen, sondern fest, zu viele verschiedene Kartoffelsorten. Die Kartoffelpresse hat sich verbogen, die Armee bemehlter Teigwaren-Klümpchen auf der Arbeitsplatte sieht aus wie ein wilder Haufen, die wenigsten sind rund. Dann zieht eine schwarze Wolkenwand auf, und die Helfer schaffen es gerade noch, Plastikplanen übers Gestänge zu ziehen, damit es nicht in den bunten Brotsalat regnet. Aber alles wird gut. Die Cantuccini kommen goldbraun und duftend aus dem Ofen, und um 16 Uhr sagt Katrin zu ihrer grüngeschürzten Gruppe: „Gut, wir können essen.“

Das ist ein bisschen übertrieben, sie meint nur den Salat, die anderen Gänge sind noch nicht fertig. Aber genau so soll es sein: kochen, ein bisschen quatschen, eine Zeit lang tafeln, dann wieder kochen. Die Gnocchi werden noch, und das Huhn schmort verheißungsvoll zwischen Paprika und Zwiebeln ...

Garten Steinhöfel (bei Fürstenwalde), Landkreis Oder-Spree, Berkenbrücker Weg Ecke Straße der Freundschaft. Mehr Infos, auch über das aktuelle Kursprogramm, unter www.kochende-gaerten.de

Der Beitrag stammt aus dem Magazin Tagesspiegel „Brandenburg“: 194 Seiten mit Tipps für große und kleine Freizeittouren, Restaurants, Feriendomizile. Erhältlich im Tagesspiegel-Shop, im Handel, an Kiosken.

Alle Teilnehmer sitzen später gemeinsam zum Essen im Garten.
Alle Teilnehmer sitzen später gemeinsam zum Essen im Garten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false