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Solaranlagen der Berliner Stadtwerke auf dem Dach der Grundschule am Brandenburger Tor in der Wilhelmstraße.

© imago/snapshot

Koalition beschließt Energiewendegesetz: Solarpflicht für alle öffentlichen Gebäude in Berlin

Der Umweltausschuss hat eine Verschärfungen der Berliner Klimaziele beschlossen. Die Folgen für Gebäude, Fernwärmenetz und Fuhrpark sind weitreichend.

Im Kampf gegen den Klimawandel setzt sich das Land Berlin schärfere Ziele und will insbesondere den Energieverbrauch öffentlicher Gebäude durch Neubau und Sanierung deutlich senken. Das hat der Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses am Montagvormittag mit dem Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz beschlossen.

Danach sollen die Kohlenstoffdioxid-Emissionen in der Hauptstadt bis zum Jahr 2030 um mindestens 70 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zurückgehen. Bis spätestens 2045 will das Land den Ausstoß des klimaschädlichen Gases um mindestens 95 Prozent senken. Damit verschärft die rot-rot-grüne Koalition den entsprechenden Gesetzentwurf des Senats aus dem April.

Dazu nimmt die Koalition mit dem novellierten Gesetz den öffentlichen Sektor in den Blick. Die Landesverwaltung will bis 2030 CO2-Neutral werden. Dazu soll es unter anderem eine Solarpflicht für alle öffentlichen Gebäude geben. Bei Neubauten sollen diese bis ein Jahr nach Fertigstellung auf den Dächern installiert sein. Im Bestand müssen alle öffentlichen Bauten bis spätestens Ende 2024 mit Solarpaneelen ausgestattet sein.

Zudem dürfen Verwaltung, Polizei, Feuerwehr und Schulen und andere öffentlichen Gebäude ab nun ausschließlich Ökostrom beziehen.

Auch beim Energieverbrauch der Gebäude sieht das Gesetz einige Anpassungen vor. So sind bei Neubauten die höchsten Energiestandards einzuhalten. Auch bei den Renovierungen gelten künftig deutlich schärfere Regelungen als bislang. Bis 2045 will das Land alle öffentlichen Bauten umfassend energetisch sanieren. Ausgenommen werden Liegenschaften davon jedoch, wenn die Aufwendungen die eingesparten Energiekosten und die vermiedenen Klimaschadenskosten übersteigen.

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Auch gibt es Ausnahmen für bereits geplante Neubauten. Öffentliche Gebäude, deren Bedarfsprogramm oder deren Vorplanungsunterlagen bis Ende 2021 genehmigt werden, sind von den strengeren Vorschriften ausgenommen. Noch weiter gefasst sind die Ausnahmen beim Schulneubau. Für neue Schulen gilt die Regelung nicht, sofern sie vor Ende 2024 genehmigt werden.

Neben den Gebäuden soll auch die öffentliche Flotte CO2-frei werden. Bis 2030 sollen alle Fahrzeuge in Landeshand emissionsfrei angetrieben werden. Neu ist im Gesetz dazu, den öffentlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur zu fördern. Ziel sei ein Verhältnis von zehn Fahrzeugen auf eine Ladesäule.

Berlin führt Wärmekataster für alle Gebäude ein

Zugleich will das Land bis Ende 2022 ein umfangreiches Wärmekataster für alle Gebäude einführen. Erfasst werden soll neben dem Gebäudetyp, Baujahr und Fläche unter anderem der Sanierungsstand, der Wärme- und Kälteenergiebedarf sowie das Potenzial von Dach- und Freiflächen für Solaranlagen. Die Regelung sei eine wichtige Ergänzung, sagte Umweltstaatssekretär Stefan Tidow (Grüne). "Wir brauchen dieses Kataster, um auch über neue und innovative Versorgungs- und Quartierslösungen ein Bild machen zu können."

Zudem nimmt die Koalition die Regulierung der Fernwärmeversorgung in den Blick. Die Wärmezufuhr soll spätestens zwischen den Jahren 2040 und 2045 CO2-frei erfolgen. 40 Prozent der im Netz transportierten Wärme sollen bereits 2030 aus erneuerbaren Energiequellen stammen, wobei die Müllverbrennung hierbei vollständig berücksichtigt wird. Bis Mitte 2023 muss der Betreiber Vattenfall dazu darlegen, wie der Dekarbonisierungsfahrplan ablaufen soll. Kommt das Unternehmen den Vorgaben nicht nach, drohen Bußgelder von bis zu einer Million Euro.

Um die Ziele in allen Bereichen zu erreichen, soll der Senat innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes Sektorziele zur CO2-Reduktion festlegen. Darin soll genau festgeschrieben werden, welche Gesamtmenge an Kohlenstoffdioxid jeder Bereich ausstoßen darf. Ist absehbar, dass dies nicht gelingen wird, soll die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ein Sofortprogramm mit verstärkten Maßnahmen erarbeiten.

Dem Beschluss gingen langwierige Diskussionen voran

Dem Beschluss gingen langwierige Diskussionen innerhalb der rot-rot-grünen Koalition voran. Insbesondere um die Frage, welche Ausnahmen für Schulbauten bei der Solarpflicht und den Energiestandards gelten soll, gab es heftige koalitionsinterne Debatten. Insbesondere die SPD kritisierte die hohen Kosten im Schulbereich. Eine erste Schätzung der Senatsfinanzverwaltung ging nach Tagesspiegel-Informationen von rund einer Milliarde Euro Mehrkosten aus. Dies hätte voraussichtlich dazu geführt, dass in den kommenden Jahren weniger Schulen als geplant saniert werden könnten, warnten Koalitionspolitiker.

Im Juni scheiterte ein Beschluss des Gesetzes im Ausschuss daher überraschend. Über die parlamentarische Sommerpause hinweg liefen die Verhandlungen in der Koalition dazu weiter. Doch erst am Montagmorgen lag endgültig ein geeinter Entwurf vor. Dieser enthält weiterhin die vom Senat formulierten Übergangsfristen für den Energiestandard bei Schulneubau und -sanierung. Dagegen müssen auch Schulen nun früher mit Solaranlagen ausgestattet werden.

"Die Geburt des Änderungsantrags der Koalition war nicht einfach, aber der Antrag enthält echte Meilensteine. Ich bin sehr stolz auf diesen weitreichenden Beschluss für mehr und sozial verträglichen Klimaschutz in Berlin", sagte Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt der SPD-Fraktion.

Grüne und Linke sehen Nachbesserungsbedarf

"Was hier drin steht, ist wirklich ein Schatz", sagte Georg Kössler, in der Grüne-Fraktion für Umwelt- und Klimaschutz zuständig. Klimaziele seien nur Schall und Rauch, wenn die Verantwortlichen nicht durch Gesetze in die Pflicht zum Handeln genommen würden. Zugleich machte Kössler keinen Hehl daraus, sich schärfere Regelungen gewünscht zu haben. "Ich hätte mir mehr vorstellen können." So hätten die Bezirke mit mehr Personal ausgestattet werden sollen. Auch werde der fortschreitende Klimawandel bald noch weitreichendere Regelungen nötig machen. "Dieses Gesetz wird in der nächsten Legislatur nochmal angepasst werden. Da bin ich mir ganz sicher", sagte Kössler.

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Das Ziel, die bisherigen Planungen zu verschärfen, sei "überwiegend gelungen", sagte Michael Efler, Sprecher für Energie- und Klimapolitik für die Linke. Jedoch sei es "falsch", dass die Übergangsregelungen für Schulen nicht verschärft worden seien.

"Das kurzfristige haushaltspolitische Denken hat sich durchgesetzt gegenüber dem langfristigen Klimaschutzdenken", sagte er. Wegen der Vielzahl der Gebäude seien dabei insbesondere die Schulen entscheidend. "Das wir da nicht bei den Energiestandards nicht mehr Dampf machen, finde ich bedauerlich", sagte Efler.

Unzufrieden äußerte sich FDP-Politiker Henner Schmidt: Die Regierungskoalition habe den vorangegangenen Entwurf "durch hastige und undurchdachte Änderungen verschlechtert". Bedenken gebe es hinsichtlich der zeitlichen Umsetzbarkeit für die Sanierung und Solarpflicht öffentlicher Gebäude. "Dass jetzt zusätzlich noch von jedem einzelnen Gebäude in detailliertestem Maße Daten erhoben werden sollen, ist aus Sicht der FDP-Fraktion unzulässig und nicht umsetzbar", sagte Schmidt in Bezug auf das Wärmekataster.

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