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Wir sind ein Teil der Natur: Zwischen Gesundheit und Klimaschutz besteht ein direkter Zusammenhang.

© Mauritius Images

Klimwandel und Gesundheit: Gut für uns – und den Planeten

Der Klimawandel bedroht auch die Gesundheit. Gleichzeitig gilt: Wer sich klimafreundlich ernährt und fortbewegt, lebt gesünder. Daraus ergibt sich eine Win-Win-Situation, betonen Gesundheitsforscher.

Es sind Informationen, die das Zeug dazu haben, Menschen niedergeschlagen und krank zu machen: Auch im Jahr 2019 sind die CO2-Emissionen weiter angestiegen – wenn auch etwas weniger als in den Vorjahren. Wenn es nicht gelingt, den Ausstoß an Treibgasen deutlich zu verringern, wird ein Kind, das an Weihnachten 2019 geboren wurde, als Rentner in einer um fast vier Grad wärmeren Welt leben.

Diese Zahl nennt jetzt eine Gruppe von 120 Ärzten, Klima- und Gesundheitsforschern sowie Sozialwissenschaftlern, die sich 2015 zusammenschloss und für die in Großbritannien erscheinende, international renommierte Mediziner-Fachzeitschrift „The Lancet“ regelmäßig einen Report zu Gesundheit und Klimawandel verfasst. Anhand von über 40 Indikatoren analysierten die Wissenschaftler auch in diesem Jahr in ihrem „Lancet Countdown“, wie sich der Temperaturanstieg, der sich auch hierzulande mit einer Häufung besonders heißer Sommer bemerkbar macht, kurz- und langfristig auf die Gesundheit der Erdenbürger auswirken wird.

Der Patient Erde habe Fieber, so drückte es Hans Joachim Schellnhuber, ehemaliger Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in diesem Jahr auf dem Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin aus. Die Diagnose sei eindeutig, aber „niemand beginnt die Therapie umzusetzen“.

Zunehmend machen sich deutsche Mediziner allerdings Sorgen um die Patientin Erde – und somit auch um ihre eigenen Patienten. Der Lancet-Bericht belege eindrücklich, „dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels nicht irgendwann in weit entfernten Weltgegenden spürbar werden, sondern hier und heute“, kommentierte kürzlich der neu gewählte Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt. Zusammen mit der Lancet-Kommission hat die Ärzte-Organisation im November erstmals einen „Policy Brief“ für Deutschland präsentiert.

In Europa leben besonders viele alte und mehrfach kranke Menschen

Europa gilt als besonders anfällig für die gesundheitlichen Folgen der Erderwärmung, weil hier besonders viele alte und mehrfach kranke Menschen leben, Tendenz steigend. Ein Beispiel für die Gefahren sind Infektionskrankheiten wie das Dengue-Fieber oder das durch Mücken übertragende West-Nil-Fieber: Sie finden auch in Europa zunehmend günstige Bedingungen vor.

Im Herbst 2017 haben sich engagierte Ärzte und Pflegekräfte in einem Netzwerk zusammengeschlossen und die „Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit“ gegründet, kurz KLUG. Im Vorfeld des großen Fridays-For-Future-Streiks Ende September dieses Jahres rief das Netzwerk zusätzlich „Health for Future“ ins Leben, ein Aktionsforum für Mitarbeiter aus dem Gesundheitssektor. Schon seit zehn Jahren läuft das Projekt „Energiesparendes Krankenhaus“ des Landesverbandes Berlin der Umweltorganisation BUND, das Kliniken animieren will, dem Klimaschutz im eigenen Haus stärker Beachtung zu schenken. Denn der Gesundheitssektor verursacht seinerseits heute 4,6 Prozent der globalen Emissionen.

Und nicht zuletzt hat die Charité, um die Zusammenhänge zwischen Klimaveränderungen und der Bevölkerungsgesundheit zu erforschen, gemeinsam mit dem PIK die bundesweit erste Professur für Klimawandel und Gesundheit an einer medizinischen Fakultät eingerichtet. Für die neue Position konnte die Ärztin und Epidemiologin Sabine Gabrysch gewonnen werden.

Sie wirbt dafür, politische wie persönliche Maßnahmen zum Klimaschutz nicht als Verzicht, sondern als doppelten Gewinn zu betrachten. „Wenn wir Kohlekraftwerke abschalten und unsere Städte fahrradfreundlicher gestalten und dadurch der Autoverkehr abnimmt, nützt das nicht nur dem Klima“, sagt Medizinerin Gabrysch. „Diese Maßnahmen helfen auch gegen Luftverschmutzung und führen zu mehr Bewegung. Beides ist ein direkter Gewinn für unsere Gesundheit durch weniger Erkrankungen von Herz, Kreislauf und Atemwegen.“

Langfristig ist es ohnehin von Vorteil, wenn wir rasch umsteuern, denn eine weitere Erderhitzung mit zunehmenden Stürmen und Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren, Missernten und Hungersnöten, Ausbreitung von Infektionskrankheiten, Konflikten und Migration gefährdet unsere Gesundheit massiv. „Wir müssen verstehen, dass wir ein Teil der Natur sind und dass ein gesunder Planet mit einem stabilen Klima die Grundlage für unsere eigene Gesundheit ist“, resümiert Gabrysch.

Im Grunde eine Win-Win-Situation

„Insgesamt ist es erstaunlich, dass der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Klimaschutz nicht häufiger als Argument genutzt wird, um Klimaschutzmaßnahmen zu fördern“, meint auch die Medizinerin und Gesundheitswissenschaftlerin Alina Herrmann, die am Heidelberger Institut für Global Health zum Thema Klima und Gesundheit forscht.

Eine Win-Win-Situation, wie Gabrysch sie für unmotorisierte Arten der Fortbewegung beschreibt, ergibt sich auch in Sachen Ernährung. Der „EAT-Lancet-Report“ vom Januar dieses Jahres hatte schon festgehalten, dass Übergewicht und unausgewogene Ernährung derzeit zu den größten Gesundheitsgefahren gehören: „Ungesunde Ernährungsweisen stellen ein größeres Erkrankungs- und Sterberisiko dar als ungeschützter Sex, Alkohol, Drogen und Tabakkonsum es gemeinsam tun.“

Die gute Nachricht: Es gibt einen Speiseplan, der die Chancen erhöht, zugleich die individuelle Gesundheit und das Klima im Gleichgewicht zu halten. „Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass eine Ernährungsweise, die reich an pflanzlichen Lebensmitteln ist und weniger tierische Produkte enthält, zu verbesserter Gesundheit und zu Vorteilen für die Umwelt führt“, schreiben die Autoren. Sie plädieren für eine pflanzenbetonte „flexitarische“ Ernährungsform, in der die Teller vor allem mit Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkornprodukten gefüllt werden, aber auch für eine nachhaltigere landwirtschaftliche Produktion und nicht zuletzt für weniger Verschwendung von Lebensmitteln. Was sie vorschlagen, klingt maßvoll: Fleisch und Fisch werden nicht radikal vom Speiseplan verbannt, lokale Gepflogenheiten und individuelle Gewohnheiten werden respektiert.

Das „gute Leben“ des einzelnen und die Verantwortung für den Planeten sind keine Gegensätze, daran erinnern inzwischen zunehmend auch Philosophen, Psychologen und Sozialwissenschaftler. Die Ethik-Professorin Angela Kallhoff von der Universität Wien mahnt (in einem Statement für das „Science Media Center“) an, dass Klimaethiker auch Brücken zu einer Ethik des guten Lebens schlagen sollten: „Wer sagt denn, dass energieärmeres Leben, Verzicht auf Flugreisen oder auf ein privates Auto zu einem schlechteren Leben führt? Es kommt doch darauf an, was man unter „gutem Leben“ versteht!“

Und das ist eine Frage, über die anlässlich des Jahreswechsels ohnehin viele Menschen nachdenken. Jedes Jahr präsentiert die DAK kurz vor Weihnachten die Ergebnisse ihrer repräsentativen Umfrage zu guten Vorsätzen für das Neue Jahr. In diesem Jahr steht der Vorsatz, etwas für Umwelt und Klimaschutz zu tun, mit Abstand an erster Stelle. Auch die Klassiker „mehr Bewegung“ und „gesunde Ernährung“ stehen weit oben auf der persönlichen Agenda. Das passt doch.

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