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Im roten Bereich. Kohlekraftwerke wie die von Vattenfall in Spandau müssen auf andere Brennstoffe umgestellt werden, damit Berlin klimaneutral werden kann.

© Imago

Klimaschutz in Berlin: Wie wird das Klima wieder prima?

Eine neue Studie zeigt, wie Berlin seinen CO2-Ausstoß in den Griff bekommt. Der Umweltsenator will es angehen - und wird kritisiert, weil es an der Umsetzung allzu oft hapert.

Die Klimaneutralität Berlins kann man sich vorstellen wie einen Zahnarzttermin, bei dem es ganz bestimmt schmerzhaft wird und den man deshalb wortreich vor sich herschiebt: Von aktuell sechs auf weniger als zwei Tonnen pro Kopf müssten die CO2-Emissionen sinken, damit die Berliner im Einklang mit dem Weltklima leben. Schon mehr als ein Senat hat deshalb das Ziel postuliert, es bis 2050 zu schaffen – und scheiterte, sobald es an die Umsetzung ging. Vor Jahren holte sich Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine blutige Nase, als sie den Berlinern teure Solaranlagen verschreiben wollte, ohne den Effekt abzuschätzen. Und ihr Nachfolger, Michael Müller (SPD), fiel bisher als Umweltsenator gleich gar nicht auf, sondern konzentrierte sich auf die Stadtentwicklung.

Berlin kann nachhaltigen Status auf zwei Wegen erreichen

Jetzt allerdings hat sich mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein renommierter Partner gefunden, der eine erfolgreiche Behandlung verspricht, die obendrein gar nicht so sehr wehtun soll, wie bisher allgemein erwartet wurde. Am Montag stellte das PIK im Roten Rathaus die vom Senat in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ vor. Wichtigstes Ergebnis: Berlin kann den nachhaltigen Status sogar auf mindestens zwei verschiedenen Wegen erreichen.

Den entscheidenden Beitrag leistet dabei der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen. Also Solaranlagen auf den Dächern, der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (gleichzeitige Erzeugung von Strom und Heizenergie) bei Ersatz von Kohle und Öl durch Ökostrom. Dieser Strom kann auch aus Biomasse in kleinen dezentralen Kraftwerken erzeugt werden – und zwar in solcher Menge, dass „Überschussstrom“ aus sonnensatten Solaranlagen und in steifer Brise rotierenden Windrädern zur Gewinnung speicherfähiger Energieträger wie Wasserstoff und Methanol genutzt und dann bei Bedarf in Strom zurückverwandelt werden kann. Um Schwankungen besser ausgleichen zu können, müssen die Abnehmer vernetzt werden.

Die Technologien dazu sind vorhanden, allerdings erst wenig verbreitet. „Wir werden trotz aller Einsparungen mehr Strom verbrauchen, und das macht auch Sinn“, sagte Co-Autor Bernd Hirschl bei der Präsentation. Der große hausgemachte Ökostrom-Anteil ermögliche diese Option. In den Sommermonaten könne Berlin sogar Strom exportieren, während die Stadt im Winter von Brandenburger Windrädern profitiere.

Der größte Einzelposten auf der Energierechnung ist der Gebäudebestand. Dessen jährliche Sanierungsrate von zurzeit 0,8 Prozent müsse mindestens verdoppelt werden – bei strengen Standards, versteht sich. Spätestens an diesem Punkt zeigt sich, dass das PIK zwar Berater ist, aber die Operation dann doch unter Regie der Berliner Politiker stattfinden muss, die die Nebenwirkungen wie Mietsteigerungen im Auge behalten müssen und angesichts der Haushaltslage überwiegend auf den Bund als Fördermittelgeber angewiesen sind. Umweltsenator Michael Müller gab sich ehrgeizig: „Wir wollen’s möglichst schnell anpacken“, sagte er. „Wenn nicht Berlin Vorreiter ist – wer soll es denn sonst sein?“

Ohne die Bürger geht es nicht

Dem kämpferischen Senator saß im Publikum ein resignierter Energieexperte der Grünen gegenüber: „Die Überschriften wechseln, die folgenlosen Ankündigungen bleiben dieselben“, meinte der Abgeordnete Michael Schäfer. „Haben wir wirklich ein Erkenntnis- oder nicht eher ein Umsetzungsproblem?“, fragt er – und zählt als Antwort das Landesenergieprogramm von 2006, das Klimapolitische Arbeitsprogramm des Senats von 2008, das Energiekonzept 2020 von 2011 und das aktuelle Energiewendegesetz auf. Müller erwidert, es gehe eben „leider nicht von heute auf morgen“. Ohne Diskussion keine Akzeptanz und ohne Akzeptanz kein Klimaschutz. Denn auch die Bürger müssen laut der Studie etwas beitragen, indem sie benzinbetriebene Autos verschrotten, effizientere Elektrogeräte kaufen und sich der Folgen ihres Lebensstils bewusst werden. Wie viel welcher Posten im Einzelnen bringt, geht aus der 300-seitigen Studie nur grob hervor.

Als positiven Nebeneffekt sehen die Wissenschaftler, dass das nicht für auswärtiges Öl und Gas ausgegebene Geld in der Stadt Wertschöpfung in dreistelliger Millionenhöhe ermöglicht. Müller hörte es zufrieden – und schloss seinen Redebeitrag mit der Devise: „Immer ruhig bleiben und einen Schritt nach dem anderen.“

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