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Aus dem Hintergrund ins politische Rampenlicht: Regine Günther

© imago/Sven Simon

Klimaexpertin als Berliner Senatorin: Opposition fürchtet rein ideologische Verkehrspolitik

Die Umweltexpertin Regine Günther bringt als neue Berliner Verkehrssenatorin keine Verwaltungserfahrung mit ins Amt. Das ist für die Opposition nicht allein Grund für Zweifel.

Von Sabine Beikler

Die Grünen haben ihre Flügelkämpfe vorläufig eingestellt. Das Viererteam mit der designierten Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, Fraktionschefin Antje Kapek und den beiden Parteichefs Daniel Wesener und Bettina Jarasch präsentierte sich am Donnerstag in Harmonie und sagte, man habe sich „bewusst“ für Regine Günther als künftige Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz entschieden – und nicht für eine parteiinterne Lösung.

„In Zeiten, in denen Parteien immer im eigenen Saft schmoren, halten wir das für ein wichtiges Signal, jemanden aus der Zivilgesellschaft für das Senatorenamt zu nehmen“, sagte Pop. Kapek ergänzte, die 53-jährige Generaldirektorin für Politik und Klima beim WWF Deutschland sei eine „medienerfahrene, meinungsstarke Frau mit sympathischer Ausstrahlung und sehr gut vernetzt“. Dagegen sind bei SPD und Linken vorsichtige Zweifel an Günthers Kompetenz zu hören.

Die parteilose Regine Günther hat bisher keine Verwaltungserfahrung und ist als Verkehrspolitikerin noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Sie trat allerdings auf dem Bundesparteitag der Grünen vor kurzem in Münster als „Gegenpol“ zu Daimler-Chef Dieter Zetsche auf. Günther rügte Daimlers Rüstungsexporte. Zetsche wies den Vorwurf zurück.

Günthers fehlende Verwaltungserfahrung für Pop kein Hindernis

Dass Günther keine Verwaltungserfahrung hat, ist für Ramona Pop kein Hindernis. „Wir haben auch keine Verwaltungserfahrung, wissen aber um die Verpflichtung und Verantwortung für dieses Amt“, sagte sie in Bezug auf ihre Person und auf ihren Parteikollegen Dirk Behrendt, der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung werden soll. Aus SPD-Reihen hörte man, dass Staatssekretäre mit Verwaltungserfahrung notwendig seien. Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, gab zu bedenken, dass die Linke 2001 unter Rot-Rot in die Regierung kam und ebenfalls keine Verwaltungserfahrung gehabt habe. Man müsse in die Verwaltung „hineinwachsen“. Und wie jeder Senator habe auch Regine Günther eine Schonfrist von 100 Tagen nach Regierungsantritt.

„Ich gehe davon aus, dass sie als Klimaschutzexpertin auch ein Hauptaugenmerk auf Verkehr legen wird.“ In diesem Kontext nannte Wolf den Ausbau der Radverkehrswege und eine „Strategie, den Volksentscheid Fahrrad überflüssig zu machen“. Das gehe nur über den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, wie die Koalition ihn festgelegt habe. So habe die rot-rot-grüne Koalition zum Beispiel den Ausbau der Tramverbindungen vereinbart. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz sagte, er kenne Günther als „engagierte Klimaschützerin“.

Bei der Opposition hörte man durchaus Zweifel an der Personalie Günther. Er wünsche Günther zwar einen guten Anfang, sagte CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici. „Aber sie ist eine Umweltaktivistin durch und durch.“ Im Interesse der wachsenden Stadt wünsche er sich jemanden, der nicht nur Umwelt, sondern alle „gleichberechtigten Verkehrsarten“ im Blick habe. „Nicht alle fahren Fahrrad, sondern ÖPNV und auch Auto“, sagte Friederici. Auch der Wirtschaftsverkehr wachse stetig in Berlin. Er habe Sorge, dass das bei Günther zu kurz komme.

Sebastian Czaja befürchtet Verkehrspolitik einzig aus Klimaschutzsicht

Auch FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja äußerte die Befürchtung, dass unter der Ägide von Günther der „für die Lebensqualität und die Wirtschaft der Stadt wichtige Verkehr die nächsten fünf Jahre nur noch aus Klimaschutzsicht betrachtet und immer weiter beeinträchtigt wird“. Er hoffe, dass „uns mehr als eine rein ideologische Politik erwartet“.

Kein Wort ließen die Grünen am Donnerstag über den zeitweise als Favorit gehandelten Kandidaten Jens-Holger Kirchner, Stadtrat für Stadtentwicklung in Pankow, verlauten. Man habe mit Günther „schon eine ganze Weile“ in Kontakt gestanden, sagte Kapek. Offenbar hätten einige Grüne doch Einzelinteressen gehabt und „mit der Presse viel kommuniziert“. Man habe die Beobachter ein wenig „auf die Folter gespannt“. Und es gebe „sehr viele kompetente Menschen“ für das neue Ressort UVK (Umwelt, Verkehr, Klima). Kapek selbst wurde als parteilinke Frau wie berichtet als Kandidatin gehandelt. Sie habe sich aber entschieden, als Fraktionschefin zu arbeiten.

Nach Tagesspiegel-Informationen war die Personalie Günther nicht von langer Hand vorbereitet, da zunächst Bärbel Höhn gefragt wurde – und am Montag noch Stadtrat Kirchner im Gespräch gewesen war.

Pop sagte, das Personaltableau der Grünen für die drei Senatorenposten sei eine „Mischung aus Erfahrung und Einbindung in die Zivilgesellschaft“. Man wolle für diese Positionen nicht nur Kandidaten mit grünem Parteibuch. Parteichef Wesener sagte, Regine Günther sei ein „Gewinn“ für die Partei. Die Grünen-Parteispitze stellte am Abend dem Landesausschuss die Personalvorschläge und Inhalte des Koalitionsvertrags vor. Die 170 Grünen-Mitglieder applaudierten viel, Kritik am rot-rot-grünen Kurs gab es nicht, im Gegenteil: Die Grünen feierten sich und das Ergebnis der Verhandlungen als großen Erfolg.

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