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In der Luft über Groß Leuthen. Über diesen märkischen Acker könnten bald öfters Flugzeuge starten.

© Andreas Staindl

Kleiner BER in Brandenburg: Berliner Flughafenmanager landet zur Probe in der Provinz

Der Berliner Flughafenmanager Elmar Kleinert will einen Privatpiste in der Provinz bauen. Die Gemeinde lud zur Probelandung – daraus wurde ein Fest. Ein skurriler Ortstermin.

Siggi bringt die Stimmung auf den Punkt. "Jetzt fehlt nur noch ’ne Gulaschkanone", sagt der 70-jährige Rentner, zieht seine Basecap in die Stirn mit der Aufschrift "Ohne Siggi läuft nichts!", kneift die Augen zusammen und blickt gespannt zum Himmel.

Es ist Sonntag, kurz vor 12 Uhr. Am Ortsrand von Groß Leuthen bei Lübben im Spreewald stehen außer Siggi mehr als 50 weitere Dorfbewohner auf einem schmalen Fahrweg und schauen gleichfalls hinauf zu den tief hängenden Wolken. Kinder toben, ein Hund bellt. "Da kommt sie!", ruft plötzlich ein Mädchen. Am Horizont taucht die Silhoutte einer einmotorigen Flugmaschine auf. Leises Brummen. Sie ähnelt ein bisschen den Maschinen im Filmklassiker "Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten". Oldtimer-Flugtag in Groß Leuthen? Nein. Das ist hier ein offizieller, von der Gemeindevertretung extra angesetzter öffentlicher Begutachtungstermin.

Auf dem Weg von Lübben nach Groß Leuthen werden die Straßen immer enger und die Siedlungen immer einsamer. Hier haben sich zwei flugbegeisterte Berliner in den vergangenen Jahren ihre Feriendomizile geschaffen. Der Betriebsleiter der Berliner Flughäfen Elmar Kleinert hat am Rand von Groß Leuthen ein altes Haus schick hergerichtet. Sein Freund Ralph Seefeld, Betreiber einer Orthopädie-Manufaktur, hat sich ganz in der Nähe den alten Bahnhof des Dorfes ausgebaut. Und beide wollen nun wie berichtet dort ihre Leidenschaft ausleben: Sie planen, eine 370 Meter lange Wiese in Blickweite von Kleinerts Ferienhaus als Landepiste für ihre zwei Privatmaschinen vom Typ "Piper PA-18" herzurichten.

"Man freut sich, wenn endlich was passiert", sagt eine

Aber seit Jahresbeginn gibt’s für ihr Projekt teils heftige Gegenwehr. Manche Märker drumherum fürchten Motorenlärm, immerhin umwirbt die Gemeinde Märkische Heide, zu der Groß Leuthen gehört, Urlauber mit dem Slogan: "Hier können Sie von der lauten Welt Abschied nehmen". Auch Naturschützer gehören zur Opposition. Sie warnen, die Flieger könnten Seeadler aus ihren Horsten vertreiben. Doch die entschiedensten Gegner sind die Betreiber eines benachbarten Campingplatzes.

"Erst kommt die Huckelpiste nach der Genehmigung, später dann Asphalt, Beton, Zaun und Terminal", warnt Campingchefin Annette Weber auch am Sonntag beim offiziell anberaumten Probeflug an der umstrittenen Piste. Den Termin hat die Gemeindevertretung von Märkische Heide angesetzt, um eine "konstruktive, demokratische Entscheidung" zu ermöglichen, sagt Bürgermeisterin Annett Lehmann, die am Sonntag gleichfalls zum Publikum gehört. "Die Leute sollen live das Feeling bekommen, ob die Kisten zu laut oder gut erträglich sind."

Flughafenmanager Elmar Kleinert (rechts) und der Unternehmer Ralph Seefeld, wollen auf einem märkischen Acker gerne öfter starten.
Flughafenmanager Elmar Kleinert (rechts) und der Unternehmer Ralph Seefeld, wollen auf einem märkischen Acker gerne öfter starten.

© Andreas Staindl

Es ist alles bestens vorbereitet. Parkplätze sind ausgewiesen und gut gefüllt. Politessen vom Ordnungsamt halten die Menge zurück. Neugierige spazieren von allen Seiten heran wie einst in den Kindertagen der Eisenbahn vor mehr als 150 Jahren, als Bürger den Daumen heben oder senken sollten im Hinblick auf geplante Strecken für die feuerspuckenden Dampfrösser. Am Sonntag sind die Gegner aber auf verlorenem Posten.

"Hier ist doch immer weniger los, Läden machen dicht, Ärzte ziehen weg, alles tot", sagt eine ältere Märkerin. "Da freut man sich doch, wenn endlich was passiert." Und Applaus bekommt der 65-jährige Lothar Uebe für seinen Blick zurück. "Mensch, einst sind die Migs hier über uns hinweggedonnert und die NVA-Panzer durchs Dorf gerasselt, da hat keiner gemotzt."

Nun naht Elmar Kleinert, den manche in Berlin wegen seines Jobs "Mr. Tegel" nennen. Schwarze, abgeschabte Lederjacke, Jeans, Joggingschuhe, kurze, graue Haare – er sieht genauso aus, wie man sich einen Hobbypiloten vorstellt. Fehlt nur noch die Lederhaube. Seine Widersacher behaupten, er wolle bis zum Start des Chaos-Airports BER nicht warten und deshalb hier seinen Privatflugplatz bauen. "Alles Quatsch", sagt Kleinert. Es bleibe bei der von ihm gepachteten Landewiese, punktum. Dann weist er auf eine heruntergekommene Scheune nebenan. "Die wollen wir zum Hangar ausbauen." Kleinert kümmert sich heute um die Dorfbewohner, sein Fliegerfreund naht unterdessen mit einer der beiden Piper PA18 vom Sportflugplatz Saarmund.

Die Dorfbewohner sind sich einig: "War doch ein Superevent"

Als die Piper zwischen Wolken auftaucht, eine tiefe Runde über den Köpfen dreht, sich elegant in die Kurve legt und zur Landung ansetzt, ist sie kaum lauter als ein ferner Rasenmäher. Wie bestellt, jault hinter den Zuschauern im selben Augenblick ein Motorrad auf. Der Kontrast könnte nicht deutlicher sein.

Nun pilgert das halbe Dorf in einer langen Schlange zur abgestellten Flugmaschine. Die zweisitzige Piper, Baujahr 1953, 135 PS, gilt schon als Oldtimer. Von 1956 bis 1978 war sie der Schulungs-Klassiker für Bundeswehrpiloten. Und von 1955 bis 1973 drehte die legendäre Burda-Staffel mit drei Piper PA18 Kapriolen in der Luft wie Quax, der Bruchpilot. Die Ersten vom Dorf sind angekommen, streichen ehrfürchtig über den Propeller, dürfen mal am Knüppel ziehen und die Querruder schwenken. "Hab mir das Ding viel größer vorgestellt", sagt einer, dann macht er Platz für eine ganze Kinderschar.

Eine Stunde lang ist die Maschine der Sonntagsstar von Groß Leuthen. Die Szene wirkt wie ein Dorffest. Dann rufen die Ordnungskräfte alle zurück zum Fahrweg. Ralph Seefeld zwängt sich wieder in den Pilotensitz, der Propeller wirbelt, zwei Abschiedsrunden dreht die Piper, dann verschwindet sie überm Wald.

Am Montag hat die Gemeindevetretung von Märkische Heide eine Sitzung in Sachen Flugpiste anberaumt. Einen Antrag zur Genehmigung eines Sonderlandeplatzes haben Kleinert und Seefeld schon bei der Luftfahrtbehörde gestellt. Aber bevor die endgültig entscheidet, sollen die Groß-Leuthener zum Zuge kommen. Es sieht gut aus für die Antragsteller. Die Dorfbewohner sind sich auf dem Heimweg einig. "War doch ein Superevent."

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