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Berlin: Klaus-Peter Johanssen (Geb. 1938)

Er war der Mann vom Krisenfach. Er wusste, was ging, wenn nichts mehr ging

Von David Ensikat

Im März 1995 startete der Ölkonzern „Shell“ in Deutschland eine große, teure Kampagne. „Shell“ spendete Geld für soziale und ökologische Projekte und bewarb in Anzeigen und Fernsehspots sein neues gesellschaftliches Bewusstsein. „Das wollen wir ändern“ hieß der Slogan, verantwortlich war Klaus-Peter Johanssen, oberster Öffentlichkeitsarbeitsarbeiter des Konzerns in Deutschland. Er war stolz auf das Projekt, er tat Gutes für die Firma und Gutes für die Menschen. Doch es kam etwas dazwischen.

Klaus-Peter Johanssen, geboren in Hamburg als Sohn eines Arztes, der außerdem Kantor und Organist war und seinen drei Söhnen nicht nur Bach und Händel nahebrachte, sondern auch den Gedanken, dass, wer etwas werden will, etwas zu leisten hat. Den ältesten, Klaus-Peter, der gerne Fußball spielte und Musik liebte, schickte der Vater nach dem Abitur zu „Shell“ ins Schmierstoffwerk. Danach sollte er Jura studieren, das Fach, das all jene auf die gerade Bahn des Schaffens führt, denen nichts Handfesteres einfällt. Es funktionierte, die Bahn führte ihn wieder zu „Shell“, erst als Justiziar, später ins Tankstellengeschäft und schließlich in die Unternehmenskommunikation.

Nun also das Frühjahr 1995, die Kampagne war gerade angelaufen, Johanssen wollte „Shell“ als verantwortungsbewusstes Unternehmen zeigen, da besetzten Umweltaktivisten von „Greenpeace“ die Ölplattform „Brent Spar“, ein ausrangiertes Stahlmonstrum in der Nordsee. „Shell“ wollte es in den Nord-Atlantik schleppen und dort versenken. Keine große Sache, hatte man gedacht, sehr viel billiger als die Entsorgung an Land und nur ein kleines bisschen schmutziger. Die britischen Behörden waren einverstanden.

Wer konnte damit rechnen, dass die deutsche Abteilung von „Greenpeace“ sich einmischen würde, dass sich die Deutschen – und zunächst nur die Deutschen – über alle Maßen empören würden. Hier wurde „Shell“ auf einmal zu einem Sinnbild für Ignoranz und Rücksichtslosigkeit. Die Leute hatten damit begonnen, Joghurtbecher und Konservendosen extra zu entsorgen, da wollte der Konzern 14 000 Tonnen Stahl, versetzt mit Ölrückständen, im Meer versenken. Die Umsätze der Tankstellen gingen dramatisch zurück – und Klaus-Peter Johanssen wurde zu einem der wichtigsten Männer im Konzern. Er betrieb nun „Krisen-PR“.

Was zunächst hieß, die Konzernspitze in London davon zu überzeugen, dass die Versenkung der „Brent Spar“ durch den Imageschaden viel teurer würde als ein Einlenken. Und schließlich waren die Menschen über den Gesinnungswandel in Kenntnis zu setzen. „Wir werden uns ändern“, so hieß jetzt der Slogan, mit dem Klaus-Peter Johanssen versuchte zu retten, was kaum noch zu retten war. Ein Konzern in Demut.

Kann man von Erfolg sprechen? Für „Shell“ war es die Begrenzung des Desasters. Für den Kommunikationsprofi war es gut gelaufen, auch wenn seine ursprüngliche PR-Idee Makulatur war. Er galt fortan als der Mann vom Krisenfach, der wusste, was ging, wenn nichts mehr ging. Nach dem Ende seiner „Shell“-Laufbahn 1998 war er viel unterwegs in Sachen „Krisen-PR“. Auch wenn er nicht immer helfen konnte: Bei der „Expo 2000“ hatte er es mit einem Vorstand zu tun, der allzu hartnäckig auf seinen Fehlern beharrte.

Als er im Jahr 2001 die Unternehmerin Uli Mayer kennenlernte und sich gleich in sie verliebte, ging es auch um eine Art Krisen-Intervention. Die sogenannte „New Economy“ war zusammengebrochen, um Uli Mayers Firma stand es schlecht. Womöglich stand sie vor einem riesigen Schuldenberg. Als sie ihm davon erzählte, sagte er nur: „Du kannst mich auch heiraten.“

Auch wenn die Heirat kaum im direkten Zusammenhang mit der Rettung ihrer Firma stand – von einem „gigantischen Mehrwert“ spricht Uli Mayer-Johanssen dennoch. Ihre beruflichen Interessen waren von den seinen nicht so weit entfernt, auch ihr geht es um Kommunikation und Image, wenn auch mehr auf der visuellen Seite. Ihre Firma ist weit größer, als es seine PR-Agentur war. Aber sie spricht von ihm mit seiner Gelassenheit und seinem Mut wie von einer Vaterfigur. Das gemeinsame Interesse für die Kultur führte wie selbstverständlich zu gemeinsamen Projekten, Werbung für die MoMA-Ausstellung in der Nationalgalerie oder für die Babylon-Ausstellung im Pergamon-Museum.

Elf Jahre währte seine letzte Ehe, es war die dritte. Der Krebs hat ihn aus einem zufriedenen und erfüllten Leben gerissen. Die Trauerfeier fand in der St.-Matthäus-Kirche, mitten im Kulturforum statt. Ein Freund aus seiner Zeit bei „Shell“ sagte: „Du warst ein Typ, ein guter Typ!“ David Ensikat

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