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Erik Stohn (37) ist seit 2019 Chef der SPD-Fraktion im Landtag Brandenburg.

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„Klar, wir sind die Brandenburg-Partei“: Über Kompromisse, Vertraulichkeit und die Rolle der Brandenburger SPD

In der Kenia-Koalition knirscht es. SPD-Fraktionschef Erik Stohn findet, die Grünen müssten noch lernen.

Die Kritik war deutlich: Die Brandenburger Landesvorsitzende der Grünen, Julia Schmidt, und der Fraktionsvorsitzende der CDU, Jan Redmann, haben sich in den vergangenen Wochen zur Rolle der SPD in der Koalition und zu Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geäußert. Bemängelt wurden Umgangston und mangelndes Vertrauen. Nun antwortet SPD-Fraktionschef Erik Stohn.

Erik Stohn (37) ist seit 2019 Chef der SPD-Fraktion im Landtag Brandenburg. Zuvor war der Jurist Generalsekretär der Landespartei.

Was mögen Sie an Julia Schmidt?
Ihre Beharrlichkeit. Sie ist eine junge Frau, die mit ihren Themen beharrlich ist und an denen dran bleibt. Manche Diskussionen mit ihr kommen allerdings zu keinem Ende. Ein Zitat von ihr lautet: „Nein, wir sind noch nicht fertig, weil Du noch nicht meiner Meinung bist.“ Aber so etwas führt nicht zum Ziel: Wenn man in unterschiedlichen Parteien ist, ist man oft unterschiedlicher Meinung, und muss am Ende einen Kompromiss aushandeln.

Eigene Positionen aufgeben zu müssen, gehört dazu. Ich sehe in der Addition unserer Sichtweisen eine Stärke, von der Brandenburg profitieren kann. Das war der Geist der Koalitionsverhandlungen, das war die Grundlage. Wenn wir dahin zurückfinden, hat diese Koalition eine Zukunft und das Land mehr davon.

Frau Schmidt kritisiert an der SPD, dass Ihre Partei nicht im Team arbeiten kann.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben seit dem Start der Koalition umfangreiche Gesprächsformate eingeführt, viel mehr, als zu Zeiten der Koalition mit den Linken. Damals hatten wir alle drei oder vier Monate den Koalitionsausschuss. Heute gibt es regelmäßige Runden, die faktisch ein kleiner Koalitionsausschuss sind. Daran nimmt auch Frau Schmidt teil.

Da geht es auch um die Konfliktthemen, und da ist der Ton natürlich etwas rauer. Mit drei Koalitionspartnern brauchen wir manchmal etwas länger mit der Abstimmung – wenn sich SPD und CDU einig sind, ist das mit den Grünen nicht immer der Fall. Aber unsere Wahrnehmung ist: Es läuft.

CDU-Chef Jan Redmann hat die SPD ebenfalls kritisiert ...
Das verstehe ich nicht, denn mit der Union können wir uns ja eigentlich ganz gut einigen. Natürlich gibt es auch da ein hartes Ringen, etwa beim Vergabemindestlohn – aber im Grunde wissen ja alle, wie es läuft.

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Einer der Vorwürfe von Frau Schmidt war, dass Interna ausgeplaudert würden, und keine Vertraulichkeit mehr möglich ist.
Das ist Quatsch. Ich glaube, dass es besser ist, wenn man miteinander spricht, als übereinander, denn genau das führt doch zu einer Verschärfung des Klimas in der Koalition. Das gilt im Übrigen auch inhaltlich: Es ist besser miteinander zu sprechen, als öffentlich über eine Insolvenz des BER nachzudenken, oder neue Gutachten zu fordern, ohne Akteneinsicht in vorhandene Gutachten zu nehmen.

Wir müssen den Grünen immer wieder sagen: „Liebe Leute, Ihr seid nicht mehr in der Opposition, ihr seid jetzt in der Regierung, ihr tragt Verantwortung für das Land und Euer Handeln wird in der Öffentlichkeit gemessen.“ Denn alles, was von einer Regierungspartei über den Flughafen geäußert wird, ist für Kapitalgeber relevant und kann zu Verwerfungen bei diesem Großprojekt führen.

Die Koalitionspartner sprechen von einer Inventur des Koalitionsvertrags – was wäre denn das sozialdemokratische Tafelsilber, das dabei nicht untergehen dürfte?
Wir haben in unserem Wahlkampf einen Schwerpunkt auf das Thema Bildung gelegt. Dazu gehören die Beitragsfreiheit in der Kita und Verbesserungen beim Betreuungsschlüssel. Das hat für uns erheblichen Wert und das waren zentrale Wahlversprechen. Ich halte aber – ehrlich gesagt – nichts von einer Inventur des Koalitionsvertrags. Er ist ja eine gemeinsame Zielvereinbarung.

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Im Übrigen haben wir alle damals vereinbarten Projekte unter Finanzvorbehalt gestellt und gehen davon aus, dass wir das eine oder andere Projekt ein bisschen strecken müssen. Aber von der Zielsetzung, die wir uns vorgenommen haben, wollen wir nicht abrücken.

Inventur heißt doch, dass man guckt, was offen ist, was wann gemacht wird. Warum halten Sie nichts davon?
Wir sind in der täglichen Facharbeit mit der Abarbeitung des Koalitionsvertrags beschäftigt. Das geschieht in der Diskussion in den Fraktionen. Momentan sehe ich keinen Inventurbedarf. Natürlich können unsere Partner Vorschläge machen, worauf sie künftig verzichten wollen. Wir wissen, worauf wir Wert legen werden.

Sie haben betont, dass der SPD das Thema Bildung am Herzen liegt. Es gibt wenig Ministerien, an denen es so viel öffentliche Kritik gibt, wie am SPD-geführten Bildungsministerium.
Bildung ist ja auch jenseits von Krisenzeiten das Thema, mit dem die meisten Menschen befasst sind. Natürlich ist das Bildungsministerium neben dem Gesundheitsministerium das Haus, das in dieser Pandemie am Meisten herausgefordert wird. Wir werden ja noch deutlich spüren, was im Distanzunterricht nicht funktioniert hat. Deswegen ist unsere Prämisse nun, so viel Präsenzunterricht wie möglich zu ermöglichen.

Wir nähern uns der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Was ist nach Corona für die SPD am Wichtigsten?
Es ändert sich nichts daran, dass unser Ziel „Ein Brandenburg“ lautet. Wir wollen die Region zusammenhalten und die positive Entwicklung in allen Landesteilen vorantreiben. Wir haben den immer fetter werdenden Speckgürtel. Alles, was in einem Ein-Stunden-Takt erreichbar ist, wächst. Damit verbunden sind steigende Grundstückspreise und das Bedürfnis nach mehr sozialer Infrastruktur. Gleichzeitig steigt der Mobilitätsbedarf, etwa durch Rufbusse im ländlichen Raum. Das im Gleichgewicht zu halten, bleibt wichtigste Aufgabe der Sozialdemokratie.

Ist die SPD denn noch die „Brandenburg-Partei“?
Wir sind die mitgliederstärkste Partei, wir stellen den Ministerpräsidenten und wir sind in den Kommunen stark verankert. Das gibt uns Rückenwind aus dem ganzen Land. Und auch wenn Frau Schmidt das vielleicht anders sieht: Klar, wir sind die „Brandenburg-Partei“.

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