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Eine U-Bahn der Linie 8 fährt in den Bahnhof Kottbusser Tor ein.

© dpa

Klage von Alstom gegen die BVG: Richterin weist Rügen zurück – Vergabe wohl rechtens

Der französische Konzern Alstom wird wohl auch in zweiter Instanz mit seiner Klage gegen die BVG scheitern. Ein Urteil gibt es jedoch noch nicht.

Keine Entscheidung vom Gericht, aber eine klare Ansage: Die Vergabe des größten Auftrags in der Geschichte der BVG ist wohl rechtlich einwandfrei abgelaufen. Berliner Fahrgäste können aufatmen, auch wenn es jetzt noch etwa drei Wochen bis zur Bekanntgabe der Entscheidung dauern wird. Wie berichtet, hatte Stadler in Pankow die Ausschreibung im Mai dieses Jahres gewonnen. Doch einer der beiden unterlegenen Konkurrenten, der französische Konzern Alstom, hatte dagegen Beschwerde eingelegt.

Richterin hält Rügen für nicht stichhaltig

Weil die Vergabekammer des Landes im Sommer den Nachprüfungsantrag als „teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet“ ablehnte, hatte sich Alstom an das Kammergericht gewendet. Doch auch dort in zweiter Instanz wird der Konzern klar scheitern. Die Vorsitzende Richterin des Vergabesenats des Kammergerichts machte am Freitag in der vierstündigen Verhandlung schnell deutlich, dass sie keine der von Alstom vorgebrachten 23 Rügen auch nur ansatzweise für stichhaltig hält. Das sagte Richterin Cornelia Holldorf bereits nach einer Stunde.

Unter den Besuchern in Saal 449 waren mehrere Manager aus der Schienenfahrzeugbranche, darunter von ebenfalls unterlegenen Firmen. Sie zeigten sich am Rande der Verhandlung überrascht, wie deutlich die Richterin alles vom Tisch fegte. Wie berichtet, hatte die BVG die Ende 2016 veröffentlichte Ausschreibung mehrfach im Laufe der Zeit geändert.

So wurde die Zahl der Fahrzeuge deutlich erhöht, nachdem der Fahrzeugmangel der BVG in der wachsenden Stadt immer dramatischer geworden war. Auch die Anforderungen an die Fahrzeuge wurden verändert. Externe Beratung hatte sich die BVG bei diesem Auftrag nicht geholt. Aus Sicht der unterlegenen Bieter habe es verbotene Kontakte der BVG zu einzelnen Firmen gegeben, die sei ein Verstoß gegen die Compliance-Regeln. Dies war für das Gericht kein Thema, es bewertete diese Kontakte als völlig normal bei einer solchen Ausschreibung.

„Was quält sie eigentlich“

Die meiste Zeit verwendete Richterin Holldorf anschließend darauf, Alstom von der Unsinnigkeit ihres Ansinnens zu überzeugen und zu einer Rücknahme der Beschwerde zu bewegen. Mehrfach rechnete das Gericht den Alstom-Managern und ihrer großen Schar Anwälte vor, dass sich alleine die Gerichtskosten um 230.000 Euro verringern würden. Und eine weitere Verzögerung für Berlin vermieden würde.

Teilweise redete die Richterin auf die Juristen der international tätigen Kanzlei ein wie eine Lehrerin auf bockige Grundschüler: „Was quält sie eigentlich“ - das war ihr einziger lauter Satz in vier Stunden. Aber all ihr Locken und Werben war vergeblich, die Alstom-Anwälte beharrten auf einer Entscheidung. Dass sie sich von dieser nicht viel erhoffen dürfen, sagte die Richterin dann auch. Inhaltlich sehe man das Ganze wie die erste Instanz im Sommer.

Nun darf Alstom noch Akteneinsicht nehmen, danach kann der Konzern noch eine Stellungnahme abgeben. Nur wenn Alstom in den Akten wirklich Neues entdecken sollte, könnte das Verfahren noch eine andere Wendung nehmen. Dies schien aber am Ende der Verhandlung am Kleistpark ausgeschlossen. In etwa drei Wochen könnte die Entscheidung fallen.

Juristisch ging es am Freitag weniger um Details der Ausschreibung als ums Prinzip. Die Richterin ging zunächst die 23 von Alstom vorgebrachten Rügen einzeln durch. Manche wurden so verworfen: „Man kann nicht Rügen, was nicht ist“. Oder so: „Das steht nicht in den Akten und das haben sie auch nicht begründet“. Einmal sagte die Richterin zu Alstom: „Daraus ist ihnen doch kein Schaden entstanden, sondern ein Vorteil.“

U-Bahn-Auslieferung verzögert sich weiter

Spätestens da war klar, dass Alstom scheitert. Dann ging es ums Prinzip. Alstom legte dar, dass die Ausschreibung sehr kompliziert gewesen sei und deshalb schwer zu durchschauen. Dies konterte die Richterin augenzwinkernd so: „Sie müssen den Sachverstand haben, wer, wenn nicht sie?“ Die Grenzen der juristisch wichtigen „Nichterkennbarkeit“ (von Tücken) seien bei einem Konzern wie Alstom viel höher anzusetzen als bei einem Mittelständler. Musste sich Alstom sagen lassen.

Die Anwälte der BVG redeten weniger. Einer warf den Alstom-Kollegen gegen Ende entnervt vor, nach „dem Prinzip der drei Affen“ zu agieren, also: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Was er meinte, blieb offen. Offen ist auch, ob es in drei Wochen noch eine weitere mündliche Verhandlung geben wird. Dies wohl nur, wenn Alstom etwas Neues vorbringen kann. Der Auftrag könnte also bald erteilt werden. Bislang hinkt die BVG sechs Monate hinter ihrem Zeitplan her. Die ersten Prototypen sollten im Jahr 2021 geliefert werden, jeweils zwölf Wagen des Kleinprofils (Typ JK) und des Großprofils (Typ J). Im Jahr 2022 sollten 76 Wagen geliefert werden, anschließend von 2023 bis 2032 jährlich 136 Wagen

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