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Die Bezahlung von Erzieherin in Berlin liegt teilweise weit unter jener, in anderen Bundesländern.

© Carina Kaiser

Kitas und Schulen in Berlin: Erzieherinnen müssen auf Geld warten

Erst Streik, dann Tarifdurchbruch, dann - nichts: Warum die längst beschlossenen Gehaltserhöhungen noch nicht überall ankamen.

Es gibt ein Thema, bei dem Berlins Erzieherinnen richtig ärgerlich werden können – und dieses Thema ist ausgerechnet die mit viel Begeisterung aufgenommene Gehaltssteigerung rückwirkend zum Januar 2019. Denn der - mit vielen Streiktagen erreichte - Zuschlag ist noch immer nicht in allen Portemonnaies angekommen. Am längsten warten mussten die Beschäftigten der freien Schulhorte: Sie können erst ab November mit den erhöhten Zuwendungen rechnen.

Den größten Anteil an der Verzögerung hat das verästelte Tarifrecht: Die Einigung der Tarifpartner von Anfang März war derart kompliziert, dass sich die Redaktionsverhandlungen zur Verschriftlichung des Vertrages „bedauerlicherweise bis Ende August hinzogen“, heißt es in einem Schreiben der Senatsverwaltung für Jugend an die freien Träger.

Aber auch danach ging nicht alles glatt: Es gab Probleme mit der Software, mit deren Hilfe die Zuwendungen an die freien Träger berechnet werden. Davon waren vor allem die Hortbeschäftigten betroffen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kündigte gegenüber dem Tagesspiegel an, dass man den Klageweg beschreite, wenn sich die Schwierigkeiten im Jahr 2020 wiederholen würden.

„Das Land Berlin hat vertraglich mit den Jugendhilfeträgern vereinbart, dass es für die Leistungen in den Horten die entsprechenden Zahlungen pünktlich leistet und die entsprechenden Abrechnungen zur Verfügung stellt“, stellte Kita-Referent Torsten Wischnewski-Ruschin am Mittwoch klar. „ Sollten sich die Schwierigkeiten fortsetzen, dann wird der Paritätische seine Träger dabei unterstützen den geleisteten und nicht finanzierten Verwaltungsmehraufwand gegenüber dem Land geltend zu machen und gegebenenfalls einzuklagen“.

Ein freier Träger spricht von einem „Skandal“

Der harsche Ton kommt nicht von ungefähr, sondern gibt die herrschende Stimmung wieder. Ein freier Hortträger in Mitte spricht von einem „Skandal“: Die Mitarbeiter seien extrem unzufrieden, weil sie sich noch immer mit den Gehältern vom Stand Dezember 2018 begnügen müssten. Er befürchtet, dass auch die nächste 3,2-prozentige Tarifsteigerung, die ab Januar 2020 erfolgen müsste, auf sich warten lassen wird. Der finanzielle Verlust betrage dann monatlich mehrere hundert Euro, wenn die freien Träger abermals keine korrigierten Kostenblätter und damit verbunden auch keinen Aufwuchs der finanziellen Zuwendungen erhielten.

Bei den freien Kitas sieht es nicht viel besser aus als bei den Horten: Sie bekamen die höheren Zuschüsse für die Gehaltssteigerung laut Wischnewski-Ruschin erst ab September zugewiesen, während die Erzieherinnen der öffentlichen Kitas immerhin seit Juni von der Tarifeinigung profitierten.

Gesuchte Kräfte: Um den Erzieherberuf attraktiver zu machen, wurde die Gehaltserhöhung durchgesetzt.
Gesuchte Kräfte: Um den Erzieherberuf attraktiver zu machen, wurde die Gehaltserhöhung durchgesetzt.

© picture alliance / dpa

SPD-Parteitag votierte für 100-Prozent-Finanzierung

Die Geduld der freien Träger ist auch deshalb erschöpft, weil sie ohnehin schlechter gestellt sind als die öffentlichen. Auf dem SPD-Parteitag im Oktober hatten daher mehrere Kreisverbände beantragt, eine 100-Prozent-Finanzierung für die freien Kitas anzustreben. Der Antrag wurde angenommen – allerdings nur als „langfristige“ Perspektive. Bis dahin müssen die freien Träger die Millionendifferenz selbst erwirtschaften, was meist darauf hinausläuft, dass bei den Gehältern gespart werden muss, was in Zeiten des Erziehermangels verheerend ist.

Notdienst in 40 Kitas der Arbeiterwohlfahrt

Betroffen von der finanziellen Schlechterstellung der freien Träger ist auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO). An diesem Donnerstag ruft sie zusammen mit Verdi ihre über 2000 Beschäftigten zur Kundgebung auf, um höhere Zuwendungen vom Land zu fordern: Es geht um die Kostensätze etwa für Kitas, Seniorenheime und alle anderen Dienstleistungen, die die AWO im Auftrag des Landes anbietet. In ihren 40 Kitas werden ab 13 Uhr Notdienste angeboten, damit die Mitarbeiter an der Demo vor dem Roten Rathaus und vor der Finanzverwaltung teilnehmen können.

In Berlins Horten herrscht großer Andrang, und ohne freie Träger geht es nicht. Sie mussten am längsten auf die Gehaltserhöhung warten.
In Berlins Horten herrscht großer Andrang, und ohne freie Träger geht es nicht. Sie mussten am längsten auf die Gehaltserhöhung warten.

© picture alliance / dpa

Auch freie Schulen müssen auf höhere Zuschüsse warten

Die Erfahrung, dass das Land auf Kosten der freien Träger spart, machen auch die freien Schulen: Den Zuwendungsbescheiden, die ihnen im Sommer 2019 zugingen, liegen noch die öffentlichen Gehälter von 2018 zugrunde, obwohl es inzwischen eine große Gehaltserhöhung für die öffentlich beschäftigten Lehrer gab: Staatliche Grundschullehrer verdienen seit August so viel wie Oberschullehrer. Beschlossen worden war das schon im Mai 2018. Diesen gewaltigen Sprung von rund 500 Euro können die freien Schulen ihren Mitarbeitern nicht vor 2020 anbieten, womit sie – in Zeiten des Lehrermangels – einen starken Konkurrenznachteil gegenüber öffentlichen Schulen haben.

Etliche Schulen sehen sich gezwungen, die Elternbeiträge zu erhöhen, um bessere Gehälter zahlen zu können – während der rot-rot-grüne Senat von ihnen verlangt, keine hohen Einkommenshürden aufzubauen. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, schlussfolgert ein freier Schulträger, der nicht mehr weiß, wie er seinen Betrieb unter den gegebenen Umständen aufrecht erhalten kann: Die Koalition sucht seit zwei Jahren nach einem neuen Finanzierungsmodell für freie Träger, die überwiegend Kinder aus armen Familien aufnehmen und daher kein auskömmliches Schulgeld erheben können. Noch wurde kein Durchbruch erzielt.

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