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Warnstreik von Erziehern und Lehrern der Gewerkschaft GEW, Ende Januar 2019 in Berlin.

© Gregor Fischer/dpa

Kita- und Schulstreik in Berlin: "Ein Recht auf Homeoffice gibt es nicht"

Was machen Eltern, wenn die Kinder wegen des Streiks nicht betreut werden? Wie flexibel müssen Arbeitgeber sein? Das erklärt Rechtsanwältin Kaja Keller.

Frau Keller, Verdi hat Angestellte im öffentlichen Dienst für Mittwoch zum Warnstreik aufgerufen. Welche Berufsgruppen dürfen streiken – unter Umständen sogar Beamte?

Nein, Beamte haben kein Streikrecht. Grundsätzlich dürfen alle angestellten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, deren Gehalt in einem Tarifvertrag geregelt ist, streiken. Polizei und Feuerwehr müssen aber einen Notdienst organisieren. Ebenso wird das von Kitas und medizinischen Einrichtungen erwartet. Nur Mitglieder einer Gewerkschaft können Streikgeld bekommen. Alle anderen Angestellten müssen die Zeit nacharbeiten.

Speziell der Streik der Erzieherinnen und Erzieher stellt berufstätige Eltern vor Herausforderungen. Unter welchen Bedingungen dürfen Eltern der Arbeit kurzfristig fernbleiben, um Kinder zu betreuen?

Da der Streik für Mittwoch schon am Montag angekündigt worden ist, hatte man ausreichend Zeit, für eine Betreuung zu sorgen oder muss sich einen Tag freinehmen. Viele Arbeitgeber werden aber wahrscheinlich kulant sein. Arbeitnehmer können ja nicht einfach ihr Kind alleine zu Hause lassen. Wichtig ist: Der Arbeitgeber muss unbedingt informiert werden, damit der Arbeitnehmer nicht einfach unentschuldigt fehlt. Die Gewerkschaft hat aber mitgeteilt, dass es Notversorgungen geben soll. Man sollte sich am besten bei der Kita erkundigen, wie der Notfallplan aussieht.

Und wenn der nichts taugt?

Ist Flexibilität gefragt. Vielleicht hat mancher Arbeitgeber die Möglichkeit, dass mehrere betroffene Eltern ihre Kinder mitbringen können und die Arbeitnehmer reihum die Kinder für jeweils eine Stunde betreuen. In vielen Bereichen ist das jedoch nicht möglich.

Kaja Keller, Rechtsanwältin in der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte in Berlin-Mitte.
Kaja Keller, Rechtsanwältin in der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte in Berlin-Mitte.

© Gansel Rechtsanwälte

Welche Rechte hat ein Arbeitgeber in der Privatwirtschaft, wenn er gar nicht auf seine Mitarbeiter verzichten kann – zum Beispiel in einem sehr kleinen Geschäft, das in dem Fall schließen müsste?

Da es in diesem Fall bei diesem Streik um Angestellte des öffentlichen Dienstes geht, müssen kleinere Unternehmen hier keine Ausfälle befürchten. Kleine Geschäfte werden auch seltener nach Tarif bezahlen. Bezahlt der Geschäftsinhaber nach Tarif und schließt einen Tarifvertrag mit seinem Angestellten ab, so hat der Angestellte auch das Recht zu streiken. Allerdings darf der Streik das Unternehmen nicht in die Insolvenz treiben. Dies wird aber wahrscheinlich eine eher seltene Begebenheit darstellen.

Sofern Arbeitnehmer die Arbeit auch zu Hause erledigen könnten: Haben Arbeitnehmer darauf einen Anspruch?

Das sollten sie immer mit ihrem Arbeitgeber klären. Ein Recht auf Homeoffice gibt es nicht. Aber den meisten Arbeitgebern ist es sicherlich lieber, wenn von zu Hause gearbeitet wird als gar nicht. Auch hier ist es aber natürlich nicht in allen Arbeitsbereichen möglich.

Sofern Eltern alternative Betreuung finden, zum Beispiel einen Babysitter: Muss irgendjemand diese Kosten erstatten?

Nein, man bleibt auf den Kosten sitzen, da es für den Arbeitgeber höhere Gewalt ist, wenn Arbeitnehmer streiken. Sie können ja mal versuchen, den Erziehern eine Rechnung zu schreiben, wenn auch Ihr Babysitter Ihnen eine Rechnung ausstellt. Die wird Ihnen aber wohl die kalte Schulter zeigen.

Das fürchte ich auch. Kann man die Betreuungskosten wenigstens von der Steuer absetzen – auch wenn es wegen der Kurzfristigkeit keinen regulären Vertrag gibt?

Ja, Sie können Betreuungskosten von der Steuer absetzen. Auch hier gilt: Sie brauchen eine Rechnung des Babysitters.

Für Freitag hat Verdi auch bei der BVG zum Streik aufgerufen: Was müssen Arbeitnehmer hier beachten?

Ein Streik ist kein Grund, nicht zur Arbeit zu erscheinen. Da in Berlin die S-Bahn fahren wird, können Sie darauf zurückgreifen. Zur Not müssen Sie einfach mehr Zeit einplanen, da diese Bahnen voll sein werden. Wer von zu Hause arbeiten kann, der tut allen, denen diese Möglichkeit nicht offen steht, einen Gefallen und verstopft nicht zusätzlich die Bahnen.

Wenn U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse ausfallen, werden manche Eltern ihre Kinder selbst zur Kita und Schule bringen müssen. Auch das kostet Zeit. Wie flexibel müssen Arbeitgeber hier sein?

Auch hier gilt: Es war genügend Zeit, zu planen. Schon am Montag hatte die Gewerkschaft die Streiks bei der BVG angekündigt. Damit ist der Streik alles andere als kurzfristig. So ärgerlich es auch sein mag, in diesem Falle muss ich einfach mehr Zeit einplanen und meine Kinder mit dem Auto, dem Taxi, der S-Bahn, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Schule bringen. Auch hier kann man sich absprechen und Gruppen bilden, damit nicht jedes Elternpaar zur Schule muss.

Zur Person: Rechtsanwältin Kaja Keller leitet den Bereich Arbeitsrecht bei der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte in Mitte. Auch sie ist Mutter dreier Kinder.

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