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Berlin: Kirchen ohne Schutz: Justiz kann Störer nicht stoppen

Immer wieder randalieren Andreas Roy und Komplizen in Gottesdiensten. Eine rechtliche Handhabe für harte Strafen gibt es nicht

Sie will sich die Auftritte nicht mehr bieten lassen – das Geschrei während der Predigt, die Beschimpfungen, Tumulte. Die Evangelische Kirche fordert die Justiz auf, schärfer gegen die stadtbekannten Querulanten Andreas Roy und seine beiden Mitstreiter vorzugehen. „Mich wundert, dass ein Andreas Roy vor Gericht immer noch genügend ehrenwerte Motive geltend machen kann, damit die Richter mit ihrem Urteil weit unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft bleiben“, sagt Markus Bräuer, der Öffentlichkeitsbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Schließlich handele es sich bei den Aktionen um „gezielt geplante, öffentlichkeitswirksame Straftaten“.

Am Ostermontag störte der 44-jährige Roy mit dem 29-jährigen Christian Arnold die ökumenische Feier der Syrisch-Orthodoxen Kirche in der Potsdamer Straße in Tiergarten. Bereits am Vormittag hatte Arnold in der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz laut schimpfend Handzettel verteilt. Nach Bräuers Schätzungen wird die Gruppe um Roy in 40 Fällen des Hausfriedensbruchs, der Störung von Gottesdiensten und der Sachbeschädigung beschuldigt. Sie krakeelen gegen Abtreibung, Homosexuelle und die Kirche. Gut ein Dutzend Straftaten, so schätzt der Öffentlichkeitsbeauftragte, seien dabei noch nicht einmal zur Anzeige gebracht worden. Probst Karl-Heinrich Lütcke kündigt an, dass die Evangelische Kirche weiterhin jedes Mal Strafanzeige gegen Roy und seine Kumpanen erstatten werde. Schließlich müssten die Gottesdienstbesucher vor der Randale geschützt werden. Ansonsten setzt der Probst auf langen Atem. „Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen.“

Weder die Polizei noch die Justiz vermochten die Kirchenstörer bislang zu stoppen. Roy ist lästig, Menschen hat er aber nicht angegriffen. Der Justiz bleibt deshalb nichts weiter übrig, als Fall für Fall abzuurteilen. Für Beleidigung, Sachbeschädigung und die Störung von Gottesdiensten sieht das Gesetz aber nur geringe Strafen vor. Also werden Roy & Co. noch oft vor dem Amtsrichter erscheinen: Erst gibt es Geldstrafen, dann eine Freiheitsstrafe mit Bewährung, später auch einmal Gefängnis. „Wenn es bei diesen Delikten bleibt, wird eine Gefängnisstrafe nicht sehr hoch ausfallen“, sagt Justizsprecher Frank Thiel. Zwar sei bei Roy die Wiederholungsgefahr gegeben, Untersuchungshaft sieht das Gesetz nur für schwerwiegende Delikte wie Mord und Totschlag vor.

Als Roy und sein Mitstreiter Christian Arnold das letzte Mal im Februar vor dem Amtsgericht Tiergarten standen, machten die beiden aus ihren Vorsätzen kein Geheimnis: Sie werden weitermachen – egal, wie hoch die Geldstrafe ausfalle oder ob sie ins Gefängnis müssen. „Jesus hat das für mich auch getan – bis zum Kreuz“, erklärte Arnold. Der Richter verurteilte die Männer für drei gestörte Gottesdienste zu 400 beziehungsweise 800 Euro Geldstrafe. Zahlen kann der Sozialhilfeempfänger Roy nicht, sein Versuch die Strafen abzuarbeiten, scheiterte. Roy: „Keiner hatte Lust, mich einzustellen.“ Das Gesetz sieht vor, dass Personen, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können, ersatzweise Arbeitsdienste leisten – oder ins Gefängnis gehen. Wie der Stand im Fall Roy ist, war gestern unklar.

Im vergangenen Dezember hat das Amtsgericht einen Psychiater gebeten, Andreas Roy zu untersuchen. Er war 1984 wegen schweren Raubes zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Laut Gutachter hat Roy in dieser Zeit „den Zugang zur Bibel gefunden“ und seinen missionarischen Eifer entwickelt. Dass niemand die Botschaft des Ex-Sträflings hören will, nimmt dieser in Kauf. „Er vergleicht sich mit Jesus, der auch überall angeeckt ist“, sagt der Gutachter. Sein Urteil: Roy mag fanatisch sein, seelisch krank ist er nicht.

Die Polizei ist hilflos. Bislang gibt es nicht einmal eine zentrale Dienststelle, in der alle Taten der Störer gesammelt werden. Nach Informationen des Tagesspiegels musste die Polizei sogar das Aufenthaltsverbot, dass für Roy eine Zeit lang in der West-City galt, wieder aufheben. Es sei rechtlich nicht haltbar gewesen: Denn es galt für öffentliches Straßenland – Roy begeht seine Straftaten jedoch auf Privatgelände. Einen guten Draht hat die Polizei zur Gedächtniskirche – Roys Lieblings-Störort. Die Gemeinde informiere den nahen Abschnitt 27 über alle Gottesdienste mit prominenter Beteiligung – Beamte warten dann schon in Zivil und Uniform auf die Störer.

Nach den ersten Zwischenrufen im Juni 2000 setzte die Kirche noch auf Vernunft. Sowohl Bräuer, Bischof Wolfgang Huber, Generalsuperintendent Martin-Michael Passauer als auch das katholische Bistum haben mit den Störern das Gespräch gesucht. „Das geht ganz wunderbar,“ sagt Stefan Förner, Sprecher des Erzbistums Berlin. Nur – es bringe nichts. Selbst nach intensiven Gesprächen standen die Störer am nächsten Sonntag wieder brüllend in der Kirche.

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